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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Abkühlung durch Haut und Lunge.
thatsächliche Ausdruck dieser Voraussichten liegt nun darin, dass das
Blut der Hautvenen die niedrigste Temperatur unter allen Blutarten zeigt,
dass die thermoelektrische Untersuchung das Unterhautbindegewebe kälter
findet, als dasjenige tiefer liegender Organe, und endlich darin, dass unter
den verschiedenen Ausgaben, welche sich in die Wärmeeinnahme des
Körpers theilen, die durch die Haut immer die grösste ist. -- Bei dem
grossen Werthe, welchen der Wärmeverlust hier erreicht, ist es nun un-
möglich zu sagen, ob und wie viel Wärme in der Haut selbst erzeugt wird.

b. Die Abkühlung durch die Lunge nimmt mit der Zahl und dem
Umfange der Athemzüge und mit der Geschwindigkeit des Blutstromes
zu. Da man ungefähr die Luftmengen kennt, welche den Tag über in
den Lungen wechseln, und zugleich ihren Feuchtigkeitsgehalt und Tem-
peraturgrad beim Ein- und Austritte aus den Lungen, so ist eine an-
genäherte Berechnung des täglichen Wärmeverlustes möglich.

Wir legen, indem wir sie anstellen, die Barral'schen Beobachtungen und fol-
gende Unterstellungen zu Grunde: Aus den Angaben des absoluten Gewichtes der Aus-
athmungsluft lässt sich berechnen, wie viel Wasser sie enthalten habe, vorausgesetzt,
dass sie auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf gesättigt gewesen sei. Zieht
man von diesem das Gewicht des Wassers ab, welches man erhält, wenn man an-
nimmt, dass die eingeathmete Luft auf 15° erwärmt gewesen und etwa die Hälfte
(z. B. 60 pCt.) des Wasserdampfes enthalten habe, den sie bei dieser Temperatur
fassen konnte, so erhält man das in der Lunge wirklich verdunstete Wasser. Diese
Mengen betragen für die Beobachtungen I. und II., die einzigen, welche wir betrach-
ten werden:

[Tabelle]

Diese Beobachtungen können nun dazu benutzt werden, um zu ermitteln, um wie
viel das Blut abgekühlt werden musste, welches durch die Lunge strömt. -- Neh-
men wir nemlich mit Volkmann *) an, ein jeder Herzschlag entleere 0,0025 des
Körpergewichtes Blut, und geben wir Barral die mittlere Pulszahl in der Minute,
70 Schläge, so würden in 24 Stunden 11 970000 Gr. Blut durch die Lunge strö-
men. -- Vertheilte man den Wärmeverlust auf diese Blutmenge, so würde in Be-
obachtung I. das arterielle Blut um 0,07° C. und in Beobachtung II. um 0,04° C.
kälter sein, als das venöse. -- Wir folgern begreiflich aus dieser Uebereinstimmung
mit den von Bischoff und G. Liebig für die Temperatur des venösen und arte-
riellen Herzblutes gefundenen Zahlen weder, dass die Unterlagen unserer Rechnung
tadelfrei sind, und noch weniger, dass in den Lungen durchaus keine Wärme gebil-
det werde. Jedenfalls ist sie aber geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Denn wenn sich die Beobachtungen noch mehr, als es bisher geschehen, zuschärfen
sollten, so würde es möglich sein, die alte Controverse zum Abschluss zu bringen,
ob in der Lunge eine wesentliche Wärmequelle zu suchen sei. Sie lehrt aber jetzt
schon, dass die Angaben von J. Davy, Becquerel-Brechet u. A. über die
Temperaturzunahme des Blutes bei seinem Wege durch die Lunge auf fehlerhaften
Beobachtungen beruhen müssen.

*) Haemodynamik. p. 208.
Ludwig, Physiologie. II. 31

Abkühlung durch Haut und Lunge.
thatsächliche Ausdruck dieser Voraussichten liegt nun darin, dass das
Blut der Hautvenen die niedrigste Temperatur unter allen Blutarten zeigt,
dass die thermoelektrische Untersuchung das Unterhautbindegewebe kälter
findet, als dasjenige tiefer liegender Organe, und endlich darin, dass unter
den verschiedenen Ausgaben, welche sich in die Wärmeeinnahme des
Körpers theilen, die durch die Haut immer die grösste ist. — Bei dem
grossen Werthe, welchen der Wärmeverlust hier erreicht, ist es nun un-
möglich zu sagen, ob und wie viel Wärme in der Haut selbst erzeugt wird.

b. Die Abkühlung durch die Lunge nimmt mit der Zahl und dem
Umfange der Athemzüge und mit der Geschwindigkeit des Blutstromes
zu. Da man ungefähr die Luftmengen kennt, welche den Tag über in
den Lungen wechseln, und zugleich ihren Feuchtigkeitsgehalt und Tem-
peraturgrad beim Ein- und Austritte aus den Lungen, so ist eine an-
genäherte Berechnung des täglichen Wärmeverlustes möglich.

Wir legen, indem wir sie anstellen, die Barral’schen Beobachtungen und fol-
gende Unterstellungen zu Grunde: Aus den Angaben des absoluten Gewichtes der Aus-
athmungsluft lässt sich berechnen, wie viel Wasser sie enthalten habe, vorausgesetzt,
dass sie auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf gesättigt gewesen sei. Zieht
man von diesem das Gewicht des Wassers ab, welches man erhält, wenn man an-
nimmt, dass die eingeathmete Luft auf 15° erwärmt gewesen und etwa die Hälfte
(z. B. 60 pCt.) des Wasserdampfes enthalten habe, den sie bei dieser Temperatur
fassen konnte, so erhält man das in der Lunge wirklich verdunstete Wasser. Diese
Mengen betragen für die Beobachtungen I. und II., die einzigen, welche wir betrach-
ten werden:

[Tabelle]

Diese Beobachtungen können nun dazu benutzt werden, um zu ermitteln, um wie
viel das Blut abgekühlt werden musste, welches durch die Lunge strömt. — Neh-
men wir nemlich mit Volkmann *) an, ein jeder Herzschlag entleere 0,0025 des
Körpergewichtes Blut, und geben wir Barral die mittlere Pulszahl in der Minute,
70 Schläge, so würden in 24 Stunden 11 970000 Gr. Blut durch die Lunge strö-
men. — Vertheilte man den Wärmeverlust auf diese Blutmenge, so würde in Be-
obachtung I. das arterielle Blut um 0,07° C. und in Beobachtung II. um 0,04° C.
kälter sein, als das venöse. — Wir folgern begreiflich aus dieser Uebereinstimmung
mit den von Bischoff und G. Liebig für die Temperatur des venösen und arte-
riellen Herzblutes gefundenen Zahlen weder, dass die Unterlagen unserer Rechnung
tadelfrei sind, und noch weniger, dass in den Lungen durchaus keine Wärme gebil-
det werde. Jedenfalls ist sie aber geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Denn wenn sich die Beobachtungen noch mehr, als es bisher geschehen, zuschärfen
sollten, so würde es möglich sein, die alte Controverse zum Abschluss zu bringen,
ob in der Lunge eine wesentliche Wärmequelle zu suchen sei. Sie lehrt aber jetzt
schon, dass die Angaben von J. Davy, Becquerel-Brechet u. A. über die
Temperaturzunahme des Blutes bei seinem Wege durch die Lunge auf fehlerhaften
Beobachtungen beruhen müssen.

*) Haemodynamik. p. 208.
Ludwig, Physiologie. II. 31
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[481/0497] Abkühlung durch Haut und Lunge. thatsächliche Ausdruck dieser Voraussichten liegt nun darin, dass das Blut der Hautvenen die niedrigste Temperatur unter allen Blutarten zeigt, dass die thermoelektrische Untersuchung das Unterhautbindegewebe kälter findet, als dasjenige tiefer liegender Organe, und endlich darin, dass unter den verschiedenen Ausgaben, welche sich in die Wärmeeinnahme des Körpers theilen, die durch die Haut immer die grösste ist. — Bei dem grossen Werthe, welchen der Wärmeverlust hier erreicht, ist es nun un- möglich zu sagen, ob und wie viel Wärme in der Haut selbst erzeugt wird. b. Die Abkühlung durch die Lunge nimmt mit der Zahl und dem Umfange der Athemzüge und mit der Geschwindigkeit des Blutstromes zu. Da man ungefähr die Luftmengen kennt, welche den Tag über in den Lungen wechseln, und zugleich ihren Feuchtigkeitsgehalt und Tem- peraturgrad beim Ein- und Austritte aus den Lungen, so ist eine an- genäherte Berechnung des täglichen Wärmeverlustes möglich. Wir legen, indem wir sie anstellen, die Barral’schen Beobachtungen und fol- gende Unterstellungen zu Grunde: Aus den Angaben des absoluten Gewichtes der Aus- athmungsluft lässt sich berechnen, wie viel Wasser sie enthalten habe, vorausgesetzt, dass sie auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf gesättigt gewesen sei. Zieht man von diesem das Gewicht des Wassers ab, welches man erhält, wenn man an- nimmt, dass die eingeathmete Luft auf 15° erwärmt gewesen und etwa die Hälfte (z. B. 60 pCt.) des Wasserdampfes enthalten habe, den sie bei dieser Temperatur fassen konnte, so erhält man das in der Lunge wirklich verdunstete Wasser. Diese Mengen betragen für die Beobachtungen I. und II., die einzigen, welche wir betrach- ten werden: Diese Beobachtungen können nun dazu benutzt werden, um zu ermitteln, um wie viel das Blut abgekühlt werden musste, welches durch die Lunge strömt. — Neh- men wir nemlich mit Volkmann *) an, ein jeder Herzschlag entleere 0,0025 des Körpergewichtes Blut, und geben wir Barral die mittlere Pulszahl in der Minute, 70 Schläge, so würden in 24 Stunden 11 970000 Gr. Blut durch die Lunge strö- men. — Vertheilte man den Wärmeverlust auf diese Blutmenge, so würde in Be- obachtung I. das arterielle Blut um 0,07° C. und in Beobachtung II. um 0,04° C. kälter sein, als das venöse. — Wir folgern begreiflich aus dieser Uebereinstimmung mit den von Bischoff und G. Liebig für die Temperatur des venösen und arte- riellen Herzblutes gefundenen Zahlen weder, dass die Unterlagen unserer Rechnung tadelfrei sind, und noch weniger, dass in den Lungen durchaus keine Wärme gebil- det werde. Jedenfalls ist sie aber geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn wenn sich die Beobachtungen noch mehr, als es bisher geschehen, zuschärfen sollten, so würde es möglich sein, die alte Controverse zum Abschluss zu bringen, ob in der Lunge eine wesentliche Wärmequelle zu suchen sei. Sie lehrt aber jetzt schon, dass die Angaben von J. Davy, Becquerel-Brechet u. A. über die Temperaturzunahme des Blutes bei seinem Wege durch die Lunge auf fehlerhaften Beobachtungen beruhen müssen. *) Haemodynamik. p. 208. Ludwig, Physiologie. II. 31

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/497>, abgerufen am 22.11.2024.