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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Theorie von Helmholtz über den Ursprung der thierischen Wärme.
Ursprung der thierischen Wärme.

1. Die Wärme ist bekanntlich eine besondere Art von Bewegung,
die an einer unwägbaren Masse, dem sog. Lichtäther, vor sich geht.
Denn es lässt sich zum Beweis für den ersten Theil dieses Satzes unter Um-
ständen eine jede Bewegung der wägbaren Masse in Wärme und umgekehrt
die Wärme in eine Bewegung derselben umwandeln, so dass, wenn Wärme
verschwindet, dafür Geschwindigkeit einer wägbaren Masse gewonnen werden
kann, und umgekehrt, dass die Vernichtung einer Bewegung Wärme zu
erzeugen vermag. Also kann die Wärme kein Stoff, sondern sie muss
eine Bewegung sein, weil es aller Erfahrung widersprechend wäre, anzu-
nehmen, dass durch den Verlust eines Stoffes Bewegung und durch den-
jenigen einer Bewegung ein Stoff entstehen könnte. Die andere Behaup-
tung, dass die Wärme eine Bewegung der unwägbaren Masse sei, recht-
fertigt sich aber dadurch, dass sie sich durch den Raum verbreitet, der
frei von allen wägbaren Stoffen ist, und ebensosehr dadurch, dass, wenn
die Wärme durch die Bewegung der wägbaren Stoffe entsteht, diese letz-
teren nicht etwa in eine andere Art von Bewegung übergehen, sondern
dass sie in dem Maasse zur Ruhe kommen, in welchem die Menge der
gebildeten Wärme steigt.

Wenn nun die Wärme eine Bewegung ist, so kann sie, entsprechend
dem von Helmholtz entwickelten Gesetze von der Erhaltung der Kraft,
nur dann entstehen, wenn ein wägbarer oder unwägbarer Körper seine
Geschwindigkeit einbüsst, indem er sie auf den Lichtäther überträgt, oder
wenn Spannkräfte als solche zum Verschwinden kommen. Das erstere
Glied der Alternative ist an und für sich klar, das zweite wird es sein,
so wie man erfährt, dass der Physiker unter der Spannkraft die Bedin-
gungen versteht, welche, obwohl sie selbst keine Bewegung sind, dennoch
eine ruhende Masse in Bewegung versetzen können. Solche Bedingungen
sind aber dadurch charakterisirt, dass sie nur herbeigeführt werden
können durch einen vorgängigen Verlust von gerade so viel Geschwindigkeit,
als sie selbst wieder erzeugen können. Unter diese Spannkräfte zählten
wir u. A. schon früher den Druck, welchen die unteren Schichten einer
Wassersäule zu ertragen haben; unter sie gehören auch gewisse che-
mische Anordnungen, wie sie z. B. den verbrennlichen Atomen zukommen.
Wie bekannt, sind die letztern beim Uebergange in den verbrannten Zustand
befähigt, entweder ihre eigenen und auch fremde wägbare Massen zu be-
wegen (wie dieses bei der Ausdehnung der Körper, in der Dampfmaschine,
den Wurfröhren u. s. w. geschieht), oder sie vermögen sich und ihre
Umgebung zu erwärmen, zwei Leistungen, welche bekanntlich insofern
im Gegensatz stehen, dass in dem Maasse die erwärmende Kraft des
Verbrennungsprozesses abnimmt, in welchem Geschwindigkeit erzeugende
Kraft desselben in Anspruch genommen wird. Da nun die Atome des
verbrannten Körpers in den verbrennlichen Zustand nur dann zurück-

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Theorie von Helmholtz über den Ursprung der thierischen Wärme.
Ursprung der thierischen Wärme.

1. Die Wärme ist bekanntlich eine besondere Art von Bewegung,
die an einer unwägbaren Masse, dem sog. Lichtäther, vor sich geht.
Denn es lässt sich zum Beweis für den ersten Theil dieses Satzes unter Um-
ständen eine jede Bewegung der wägbaren Masse in Wärme und umgekehrt
die Wärme in eine Bewegung derselben umwandeln, so dass, wenn Wärme
verschwindet, dafür Geschwindigkeit einer wägbaren Masse gewonnen werden
kann, und umgekehrt, dass die Vernichtung einer Bewegung Wärme zu
erzeugen vermag. Also kann die Wärme kein Stoff, sondern sie muss
eine Bewegung sein, weil es aller Erfahrung widersprechend wäre, anzu-
nehmen, dass durch den Verlust eines Stoffes Bewegung und durch den-
jenigen einer Bewegung ein Stoff entstehen könnte. Die andere Behaup-
tung, dass die Wärme eine Bewegung der unwägbaren Masse sei, recht-
fertigt sich aber dadurch, dass sie sich durch den Raum verbreitet, der
frei von allen wägbaren Stoffen ist, und ebensosehr dadurch, dass, wenn
die Wärme durch die Bewegung der wägbaren Stoffe entsteht, diese letz-
teren nicht etwa in eine andere Art von Bewegung übergehen, sondern
dass sie in dem Maasse zur Ruhe kommen, in welchem die Menge der
gebildeten Wärme steigt.

Wenn nun die Wärme eine Bewegung ist, so kann sie, entsprechend
dem von Helmholtz entwickelten Gesetze von der Erhaltung der Kraft,
nur dann entstehen, wenn ein wägbarer oder unwägbarer Körper seine
Geschwindigkeit einbüsst, indem er sie auf den Lichtäther überträgt, oder
wenn Spannkräfte als solche zum Verschwinden kommen. Das erstere
Glied der Alternative ist an und für sich klar, das zweite wird es sein,
so wie man erfährt, dass der Physiker unter der Spannkraft die Bedin-
gungen versteht, welche, obwohl sie selbst keine Bewegung sind, dennoch
eine ruhende Masse in Bewegung versetzen können. Solche Bedingungen
sind aber dadurch charakterisirt, dass sie nur herbeigeführt werden
können durch einen vorgängigen Verlust von gerade so viel Geschwindigkeit,
als sie selbst wieder erzeugen können. Unter diese Spannkräfte zählten
wir u. A. schon früher den Druck, welchen die unteren Schichten einer
Wassersäule zu ertragen haben; unter sie gehören auch gewisse che-
mische Anordnungen, wie sie z. B. den verbrennlichen Atomen zukommen.
Wie bekannt, sind die letztern beim Uebergange in den verbrannten Zustand
befähigt, entweder ihre eigenen und auch fremde wägbare Massen zu be-
wegen (wie dieses bei der Ausdehnung der Körper, in der Dampfmaschine,
den Wurfröhren u. s. w. geschieht), oder sie vermögen sich und ihre
Umgebung zu erwärmen, zwei Leistungen, welche bekanntlich insofern
im Gegensatz stehen, dass in dem Maasse die erwärmende Kraft des
Verbrennungsprozesses abnimmt, in welchem Geschwindigkeit erzeugende
Kraft desselben in Anspruch genommen wird. Da nun die Atome des
verbrannten Körpers in den verbrennlichen Zustand nur dann zurück-

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[467/0483] Theorie von Helmholtz über den Ursprung der thierischen Wärme. Ursprung der thierischen Wärme. 1. Die Wärme ist bekanntlich eine besondere Art von Bewegung, die an einer unwägbaren Masse, dem sog. Lichtäther, vor sich geht. Denn es lässt sich zum Beweis für den ersten Theil dieses Satzes unter Um- ständen eine jede Bewegung der wägbaren Masse in Wärme und umgekehrt die Wärme in eine Bewegung derselben umwandeln, so dass, wenn Wärme verschwindet, dafür Geschwindigkeit einer wägbaren Masse gewonnen werden kann, und umgekehrt, dass die Vernichtung einer Bewegung Wärme zu erzeugen vermag. Also kann die Wärme kein Stoff, sondern sie muss eine Bewegung sein, weil es aller Erfahrung widersprechend wäre, anzu- nehmen, dass durch den Verlust eines Stoffes Bewegung und durch den- jenigen einer Bewegung ein Stoff entstehen könnte. Die andere Behaup- tung, dass die Wärme eine Bewegung der unwägbaren Masse sei, recht- fertigt sich aber dadurch, dass sie sich durch den Raum verbreitet, der frei von allen wägbaren Stoffen ist, und ebensosehr dadurch, dass, wenn die Wärme durch die Bewegung der wägbaren Stoffe entsteht, diese letz- teren nicht etwa in eine andere Art von Bewegung übergehen, sondern dass sie in dem Maasse zur Ruhe kommen, in welchem die Menge der gebildeten Wärme steigt. Wenn nun die Wärme eine Bewegung ist, so kann sie, entsprechend dem von Helmholtz entwickelten Gesetze von der Erhaltung der Kraft, nur dann entstehen, wenn ein wägbarer oder unwägbarer Körper seine Geschwindigkeit einbüsst, indem er sie auf den Lichtäther überträgt, oder wenn Spannkräfte als solche zum Verschwinden kommen. Das erstere Glied der Alternative ist an und für sich klar, das zweite wird es sein, so wie man erfährt, dass der Physiker unter der Spannkraft die Bedin- gungen versteht, welche, obwohl sie selbst keine Bewegung sind, dennoch eine ruhende Masse in Bewegung versetzen können. Solche Bedingungen sind aber dadurch charakterisirt, dass sie nur herbeigeführt werden können durch einen vorgängigen Verlust von gerade so viel Geschwindigkeit, als sie selbst wieder erzeugen können. Unter diese Spannkräfte zählten wir u. A. schon früher den Druck, welchen die unteren Schichten einer Wassersäule zu ertragen haben; unter sie gehören auch gewisse che- mische Anordnungen, wie sie z. B. den verbrennlichen Atomen zukommen. Wie bekannt, sind die letztern beim Uebergange in den verbrannten Zustand befähigt, entweder ihre eigenen und auch fremde wägbare Massen zu be- wegen (wie dieses bei der Ausdehnung der Körper, in der Dampfmaschine, den Wurfröhren u. s. w. geschieht), oder sie vermögen sich und ihre Umgebung zu erwärmen, zwei Leistungen, welche bekanntlich insofern im Gegensatz stehen, dass in dem Maasse die erwärmende Kraft des Verbrennungsprozesses abnimmt, in welchem Geschwindigkeit erzeugende Kraft desselben in Anspruch genommen wird. Da nun die Atome des verbrannten Körpers in den verbrennlichen Zustand nur dann zurück- 30*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/483>, abgerufen am 25.11.2024.