1. Zu einer und derselben Zeit sind die verschiedenen Orte des thierischen Körpers, selbst wenn sie annähernd dieselben festen und flüssigen Bestandtheile enthalten, nicht auf gleichen Grad erwärmt.
a. Blut *). Nach den Beobachtungen von Bischoff, G. Liebig, Bernard und Walferdin ist das Blut in den Hautvenen des Kopfes und der Extremitäten kälter, als das in den zuführenden Arterien, und ebenso verhält sich das Blut in den grossen aus dem Hals und den Extremitäten rückkehrenden Venenstämmen (ein Gemenge aus den tieferen und oberflächlichen Capillarnetzen) zu dem der art. carotides, crurales, subclaviae. -- Das Blut, welches dagegen aus der Niere und Leber zu- rückkehrt, ist wärmer, als das eindringende; von allen Blutarten am wärmsten ist das in der vena hepatica enthaltene. Das Blut der vena cava inferior vor dem Eintritte in das Herz ist wärmer, als das in der vena cava superior an der entsprechenden Stelle. Das Blut des rechten Herzens ist wärmer, als das des linken. Beispielsweise geben wir einige Zahlen, die G. Liebig beobachtete. An einem Hunde stand das Thermo- meter in der vena cava superior auf +35,98° C., im atrium dextrum auf 36,37° C., bei einem zweiten Hunde in der vena cruralis +37,20° C. und in der vena cava inferior +38,11° C. -- Der Inhalt des rechten Herzens war 0,05° bis 0,19° C. wärmer, als der des linken.
Diesen Beobachtungen der oben genannten Autoren ist darum der Vorzug gegeben worden vor den entgegengesetzt berichtenden anderer Physiologen (Davy, Krimer, Hering, Brechet u. A.), weil die zu den vergleichenden Untersuchungen ver- wendeten Thermometer an und für sich möglichst empfindlich und genau auf einander reduzirt waren, weil beim Ablesen der Zahlen der aus der Paralaxe fliessende Fehler vermieden war, ferner weil die Thermometerkugel in das Gefässlumen des lebenden Thieres und zwar so eingefügt war, dass sie, ohne den Blutstrom zu hemmen, nur mit dem Blute, nicht aber mit den Gefässwandungen in Berührung war. Den Resul- taten, die aus solchen Messungen hervorgegangen sind, lassen sich natürlich die nicht ebenbürtig gegenüber stellen, bei welchen man die Thermometerkugel in den Aderlass- strahl hielt, oder in Gefässe steckte, die dem Luftzutritte blossgelegt waren, und zwar zum Theil erst dann, nachdem einige Zeit vorher der Tod erfolgt und die Ath- mung und somit auch der Unterschied zwischen venösem und arteriellem Blute auf- gehoben war.
Die Unterzungengegend ist um 0,5 bis 0,25° C., die Blase, der Mastdarm und die Scheide um 0,8 bis 1,1° C. wärmer, als die Achsel- grube (Hallmann**), Bärensprung***), L. Fick+), Berger, Davy). Das Bindegewebe unter der Haut ist um 2,1° C. bis 0,9° C. niedriger temperirt als das der Skelettmuskeln (Becquerel und Bre- chet). Die Baucheingeweide sind nach den thermoelektrischen Be-
*) G. v. Liebig, Ueber die Temperaturunterschiede des venösen und arteriellen Blutes. Giessen 1853. -- J. Gavarret, De la chaleur prod. par les etres vivant. Paris 1855. p. 119.
**)Helmholtz, l. c. 530.
***)Müller's Archiv. 1851.
+) Ibid. 1853.
Ortswärme.
1. Zu einer und derselben Zeit sind die verschiedenen Orte des thierischen Körpers, selbst wenn sie annähernd dieselben festen und flüssigen Bestandtheile enthalten, nicht auf gleichen Grad erwärmt.
a. Blut *). Nach den Beobachtungen von Bischoff, G. Liebig, Bernard und Walferdin ist das Blut in den Hautvenen des Kopfes und der Extremitäten kälter, als das in den zuführenden Arterien, und ebenso verhält sich das Blut in den grossen aus dem Hals und den Extremitäten rückkehrenden Venenstämmen (ein Gemenge aus den tieferen und oberflächlichen Capillarnetzen) zu dem der art. carotides, crurales, subclaviae. — Das Blut, welches dagegen aus der Niere und Leber zu- rückkehrt, ist wärmer, als das eindringende; von allen Blutarten am wärmsten ist das in der vena hepatica enthaltene. Das Blut der vena cava inferior vor dem Eintritte in das Herz ist wärmer, als das in der vena cava superior an der entsprechenden Stelle. Das Blut des rechten Herzens ist wärmer, als das des linken. Beispielsweise geben wir einige Zahlen, die G. Liebig beobachtete. An einem Hunde stand das Thermo- meter in der vena cava superior auf +35,98° C., im atrium dextrum auf 36,37° C., bei einem zweiten Hunde in der vena cruralis +37,20° C. und in der vena cava inferior +38,11° C. — Der Inhalt des rechten Herzens war 0,05° bis 0,19° C. wärmer, als der des linken.
Diesen Beobachtungen der oben genannten Autoren ist darum der Vorzug gegeben worden vor den entgegengesetzt berichtenden anderer Physiologen (Davy, Krimer, Hering, Brechet u. A.), weil die zu den vergleichenden Untersuchungen ver- wendeten Thermometer an und für sich möglichst empfindlich und genau auf einander reduzirt waren, weil beim Ablesen der Zahlen der aus der Paralaxe fliessende Fehler vermieden war, ferner weil die Thermometerkugel in das Gefässlumen des lebenden Thieres und zwar so eingefügt war, dass sie, ohne den Blutstrom zu hemmen, nur mit dem Blute, nicht aber mit den Gefässwandungen in Berührung war. Den Resul- taten, die aus solchen Messungen hervorgegangen sind, lassen sich natürlich die nicht ebenbürtig gegenüber stellen, bei welchen man die Thermometerkugel in den Aderlass- strahl hielt, oder in Gefässe steckte, die dem Luftzutritte blossgelegt waren, und zwar zum Theil erst dann, nachdem einige Zeit vorher der Tod erfolgt und die Ath- mung und somit auch der Unterschied zwischen venösem und arteriellem Blute auf- gehoben war.
Die Unterzungengegend ist um 0,5 bis 0,25° C., die Blase, der Mastdarm und die Scheide um 0,8 bis 1,1° C. wärmer, als die Achsel- grube (Hallmann**), Bärensprung***), L. Fick†), Berger, Davy). Das Bindegewebe unter der Haut ist um 2,1° C. bis 0,9° C. niedriger temperirt als das der Skelettmuskeln (Becquerel und Bre- chet). Die Baucheingeweide sind nach den thermoelektrischen Be-
*) G. v. Liebig, Ueber die Temperaturunterschiede des venösen und arteriellen Blutes. Giessen 1853. — J. Gavarret, De la chaleur prod. par les ètres vivant. Paris 1855. p. 119.
**)Helmholtz, l. c. 530.
***)Müller’s Archiv. 1851.
†) Ibid. 1853.
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Ortswärme.
1. Zu einer und derselben Zeit sind die verschiedenen Orte des
thierischen Körpers, selbst wenn sie annähernd dieselben festen und
flüssigen Bestandtheile enthalten, nicht auf gleichen Grad erwärmt.
a. Blut *). Nach den Beobachtungen von Bischoff, G. Liebig,
Bernard und Walferdin ist das Blut in den Hautvenen des Kopfes
und der Extremitäten kälter, als das in den zuführenden Arterien, und
ebenso verhält sich das Blut in den grossen aus dem Hals und den
Extremitäten rückkehrenden Venenstämmen (ein Gemenge aus den tieferen
und oberflächlichen Capillarnetzen) zu dem der art. carotides, crurales,
subclaviae. — Das Blut, welches dagegen aus der Niere und Leber zu-
rückkehrt, ist wärmer, als das eindringende; von allen Blutarten am
wärmsten ist das in der vena hepatica enthaltene. Das Blut der vena
cava inferior vor dem Eintritte in das Herz ist wärmer, als das in der
vena cava superior an der entsprechenden Stelle. Das Blut des rechten
Herzens ist wärmer, als das des linken. Beispielsweise geben wir einige
Zahlen, die G. Liebig beobachtete. An einem Hunde stand das Thermo-
meter in der vena cava superior auf +35,98° C., im atrium dextrum auf
36,37° C., bei einem zweiten Hunde in der vena cruralis +37,20° C.
und in der vena cava inferior +38,11° C. — Der Inhalt des rechten
Herzens war 0,05° bis 0,19° C. wärmer, als der des linken.
Diesen Beobachtungen der oben genannten Autoren ist darum der Vorzug gegeben
worden vor den entgegengesetzt berichtenden anderer Physiologen (Davy, Krimer,
Hering, Brechet u. A.), weil die zu den vergleichenden Untersuchungen ver-
wendeten Thermometer an und für sich möglichst empfindlich und genau auf einander
reduzirt waren, weil beim Ablesen der Zahlen der aus der Paralaxe fliessende Fehler
vermieden war, ferner weil die Thermometerkugel in das Gefässlumen des lebenden
Thieres und zwar so eingefügt war, dass sie, ohne den Blutstrom zu hemmen, nur
mit dem Blute, nicht aber mit den Gefässwandungen in Berührung war. Den Resul-
taten, die aus solchen Messungen hervorgegangen sind, lassen sich natürlich die nicht
ebenbürtig gegenüber stellen, bei welchen man die Thermometerkugel in den Aderlass-
strahl hielt, oder in Gefässe steckte, die dem Luftzutritte blossgelegt waren, und
zwar zum Theil erst dann, nachdem einige Zeit vorher der Tod erfolgt und die Ath-
mung und somit auch der Unterschied zwischen venösem und arteriellem Blute auf-
gehoben war.
Die Unterzungengegend ist um 0,5 bis 0,25° C., die Blase, der
Mastdarm und die Scheide um 0,8 bis 1,1° C. wärmer, als die Achsel-
grube (Hallmann **), Bärensprung ***), L. Fick †), Berger,
Davy). Das Bindegewebe unter der Haut ist um 2,1° C. bis 0,9° C.
niedriger temperirt als das der Skelettmuskeln (Becquerel und Bre-
chet). Die Baucheingeweide sind nach den thermoelektrischen Be-
*) G. v. Liebig, Ueber die Temperaturunterschiede des venösen und arteriellen Blutes. Giessen
1853. — J. Gavarret, De la chaleur prod. par les ètres vivant. Paris 1855. p. 119.
**) Helmholtz, l. c. 530.
***) Müller’s Archiv. 1851.
†) Ibid. 1853.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/477>, abgerufen am 29.06.2024.
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