Darmkanale vor sich gehe; man erschliesst dieses aus der grossen Menge der Darmgase, welche mit einem sehr unangenehm riechenden Kothe entleert werden.
f. Die verwickeltste Zusammenstellung der verdauenden Flüssigkeiten endlich, die nemlich, bei welcher in zeitlicher Reihenfolge auf die Speisen wirken zuerst sämmtliche Säfte, welche in den Magen, und dann die, welche in den Dünndarm ergossen werden, erzielt rück- sichtlich der Auflösung der Speisen kein anderes Resultat, als alle vor- erwähnten einfacheren Combinationen; auch hier werden die Leimarten, die Albuminate und das Amylon zur Auflösung in Wasser geschickt ge- macht. Dünndarm- und Magenverdauung unterscheiden sich unter diesem Gesichtspunkte nur darin von einander, dass der erstere gleichzeitig jene Stoffe aufzulösen vermag, während der Magen entweder durchaus oder mindestens vorzugsweise nur die einen oder nur die anderen im Wasser verflüssigt. -- Nun widerstrebt es aber ebensowohl den chemischen Er- fahrungen als dem physiologischen Takte, anzunehmen, dass es gleich- giltig sei, ob die Auflösung jener Stoffe durch die Magen- oder die Dünn- darmsäfte zu Stande gekommen, oder mit anderen Worten, dass in ganz unnützer Weise eine Zahl ganz verschiedenartiger Mittel gehäuft sei, um zu demselben Ziele zu gelangen. Man ist darum zu jeder Zeit geneigt gewesen, noch nach bestimmten Unterschieden in den Eigenschaften der Lösung, oder anders ausgedrückt, nach Gründen für die Gegenwart der verschiedenartigen Lösungsmittel zu suchen, oder einzelnen Säften eine Betheiligung an der Verdauung im engeren Wortlaute überhaupt abzu- sprechen. Im ersteren Sinne hat man z. B. aufgestellt, dass der alkali- sche Bauchspeichel oder die neutrale Galle mit ihren schwachen Säuren die Aufgabe habe, Säuren des Magensaftes von den im Magen gelösten Eiweissstoffen abzuscheiden; oder zu verhindern, dass die von Auflösungs- mitteln des Magens beiläufig eingeführte faulige Umsetzung weiter schreite; oder dass die von dem sauren Magensafte gehemmte Amylonauflösung in dem alkalisch reagirenden Dünndarminhalte wieder beginne und Aehn- liches, was leicht aus den bekannten Eigenschaften der in Betracht kom- menden Säfte abzuleiten wäre. Befriedigender als diese Gemeinplätze würden, was bis dahin noch vermisst wird, gründliche chemische Unter- suchungen über die Eigenschaften der Lösungen sein. -- Diejenigen Phy- siologen, welche, getragen von den Erfahrungen, dass eine Entfernung des Pankreassaftes und der Galle aus dem Dünndarm die Verdauung nicht wesentlich beeinträchtigt, der Meinung sind, dass jene Flüssigkeiten, auch wenn sie anwesend wären, zur Lösung resp. Umwandelung organischer Nahrungsstoffe keinen Beitrag liefern, theilen ihnen die Aufgabe zu, die Aufsaugung des Flüssigen zu unterstützen; auf diesen Punkt werden wir alsbald zurückkommen.
Neben der Verdauung gehen nun im Dünndarme noch andere Um-
Natürliche Dünndarmverdauung.
Darmkanale vor sich gehe; man erschliesst dieses aus der grossen Menge der Darmgase, welche mit einem sehr unangenehm riechenden Kothe entleert werden.
f. Die verwickeltste Zusammenstellung der verdauenden Flüssigkeiten endlich, die nemlich, bei welcher in zeitlicher Reihenfolge auf die Speisen wirken zuerst sämmtliche Säfte, welche in den Magen, und dann die, welche in den Dünndarm ergossen werden, erzielt rück- sichtlich der Auflösung der Speisen kein anderes Resultat, als alle vor- erwähnten einfacheren Combinationen; auch hier werden die Leimarten, die Albuminate und das Amylon zur Auflösung in Wasser geschickt ge- macht. Dünndarm- und Magenverdauung unterscheiden sich unter diesem Gesichtspunkte nur darin von einander, dass der erstere gleichzeitig jene Stoffe aufzulösen vermag, während der Magen entweder durchaus oder mindestens vorzugsweise nur die einen oder nur die anderen im Wasser verflüssigt. — Nun widerstrebt es aber ebensowohl den chemischen Er- fahrungen als dem physiologischen Takte, anzunehmen, dass es gleich- giltig sei, ob die Auflösung jener Stoffe durch die Magen- oder die Dünn- darmsäfte zu Stande gekommen, oder mit anderen Worten, dass in ganz unnützer Weise eine Zahl ganz verschiedenartiger Mittel gehäuft sei, um zu demselben Ziele zu gelangen. Man ist darum zu jeder Zeit geneigt gewesen, noch nach bestimmten Unterschieden in den Eigenschaften der Lösung, oder anders ausgedrückt, nach Gründen für die Gegenwart der verschiedenartigen Lösungsmittel zu suchen, oder einzelnen Säften eine Betheiligung an der Verdauung im engeren Wortlaute überhaupt abzu- sprechen. Im ersteren Sinne hat man z. B. aufgestellt, dass der alkali- sche Bauchspeichel oder die neutrale Galle mit ihren schwachen Säuren die Aufgabe habe, Säuren des Magensaftes von den im Magen gelösten Eiweissstoffen abzuscheiden; oder zu verhindern, dass die von Auflösungs- mitteln des Magens beiläufig eingeführte faulige Umsetzung weiter schreite; oder dass die von dem sauren Magensafte gehemmte Amylonauflösung in dem alkalisch reagirenden Dünndarminhalte wieder beginne und Aehn- liches, was leicht aus den bekannten Eigenschaften der in Betracht kom- menden Säfte abzuleiten wäre. Befriedigender als diese Gemeinplätze würden, was bis dahin noch vermisst wird, gründliche chemische Unter- suchungen über die Eigenschaften der Lösungen sein. — Diejenigen Phy- siologen, welche, getragen von den Erfahrungen, dass eine Entfernung des Pankreassaftes und der Galle aus dem Dünndarm die Verdauung nicht wesentlich beeinträchtigt, der Meinung sind, dass jene Flüssigkeiten, auch wenn sie anwesend wären, zur Lösung resp. Umwandelung organischer Nahrungsstoffe keinen Beitrag liefern, theilen ihnen die Aufgabe zu, die Aufsaugung des Flüssigen zu unterstützen; auf diesen Punkt werden wir alsbald zurückkommen.
Neben der Verdauung gehen nun im Dünndarme noch andere Um-
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[314[414]/0430]
Natürliche Dünndarmverdauung.
Darmkanale vor sich gehe; man erschliesst dieses aus der grossen
Menge der Darmgase, welche mit einem sehr unangenehm riechenden
Kothe entleert werden.
f. Die verwickeltste Zusammenstellung der verdauenden Flüssigkeiten
endlich, die nemlich, bei welcher in zeitlicher Reihenfolge auf die Speisen
wirken zuerst sämmtliche Säfte, welche in den Magen, und
dann die, welche in den Dünndarm ergossen werden, erzielt rück-
sichtlich der Auflösung der Speisen kein anderes Resultat, als alle vor-
erwähnten einfacheren Combinationen; auch hier werden die Leimarten,
die Albuminate und das Amylon zur Auflösung in Wasser geschickt ge-
macht. Dünndarm- und Magenverdauung unterscheiden sich unter diesem
Gesichtspunkte nur darin von einander, dass der erstere gleichzeitig jene
Stoffe aufzulösen vermag, während der Magen entweder durchaus oder
mindestens vorzugsweise nur die einen oder nur die anderen im Wasser
verflüssigt. — Nun widerstrebt es aber ebensowohl den chemischen Er-
fahrungen als dem physiologischen Takte, anzunehmen, dass es gleich-
giltig sei, ob die Auflösung jener Stoffe durch die Magen- oder die Dünn-
darmsäfte zu Stande gekommen, oder mit anderen Worten, dass in ganz
unnützer Weise eine Zahl ganz verschiedenartiger Mittel gehäuft sei, um
zu demselben Ziele zu gelangen. Man ist darum zu jeder Zeit geneigt
gewesen, noch nach bestimmten Unterschieden in den Eigenschaften der
Lösung, oder anders ausgedrückt, nach Gründen für die Gegenwart der
verschiedenartigen Lösungsmittel zu suchen, oder einzelnen Säften eine
Betheiligung an der Verdauung im engeren Wortlaute überhaupt abzu-
sprechen. Im ersteren Sinne hat man z. B. aufgestellt, dass der alkali-
sche Bauchspeichel oder die neutrale Galle mit ihren schwachen Säuren
die Aufgabe habe, Säuren des Magensaftes von den im Magen gelösten
Eiweissstoffen abzuscheiden; oder zu verhindern, dass die von Auflösungs-
mitteln des Magens beiläufig eingeführte faulige Umsetzung weiter schreite;
oder dass die von dem sauren Magensafte gehemmte Amylonauflösung
in dem alkalisch reagirenden Dünndarminhalte wieder beginne und Aehn-
liches, was leicht aus den bekannten Eigenschaften der in Betracht kom-
menden Säfte abzuleiten wäre. Befriedigender als diese Gemeinplätze
würden, was bis dahin noch vermisst wird, gründliche chemische Unter-
suchungen über die Eigenschaften der Lösungen sein. — Diejenigen Phy-
siologen, welche, getragen von den Erfahrungen, dass eine Entfernung
des Pankreassaftes und der Galle aus dem Dünndarm die Verdauung nicht
wesentlich beeinträchtigt, der Meinung sind, dass jene Flüssigkeiten, auch
wenn sie anwesend wären, zur Lösung resp. Umwandelung organischer
Nahrungsstoffe keinen Beitrag liefern, theilen ihnen die Aufgabe zu, die
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 314[414]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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