menschlichen Magensaftes höchstens 0,4 Theile (Schröder) trockenen Eiweisses zu lösen.
Bidder und Schmidt stellten ihre quantitativen Verdauungsversuche in der Weise an, dass sie durchfeuchtete Eiweiss- und Fleischstücke von bekanntem Ge- halte an festem Rückstand bei einer Temperatur von 40°C. so lange mit verschiede- nen Proben bekannter Gewichtsmengen von Magensaft in Berührung liessen, als die- ser noch irgend etwas aus ihnen zu lösen vermochte. Darauf wurde der ungelöst gebliebene Antheil filtrirt und getrocknet. Man erhielt damit das Gewicht des Auf- gelösten. Den Säuregehalt bestimmten sie aus der Menge von Kali, welche nothwen- dig war, um den Saft vollkommen zu neutralisiren. Wenn die freie Säure, wie beim Hunde, nur aus Chlorwasserstoff besteht, so ergiebt sich allerdings die Menge dieser letzteren, wenn aber, wie beim Menschen, die freien Säuren aus verschiedenen ge- mengt sind, so genügt natürlich dieses Verfahren nicht (Schröder). Zu den oben zusammengestellten Thatsachen muss wiederholt bemerkt werden, dass selbst der Magensaft des Hundes sich nicht in direktem Verhältnisse eiweissauflösend erweist, in welchem er Kali zu seiner Neutralisation bedarf.
Natürliche Magenverdauung. Die Verdauungsresultate der Nahrungsmittel im lebenden Magen (des Hundes oder Menschen) bestä- tigen meistens die der künstlichen Verdauung. So ist es z. B. erklär- lich, dass der Magen nach dem Genusse gekochten Amylons bald Zucker enthält (Frerichs, Lehmann, Bouchardat, Sandras u. A.), bald auch, dass er ihm fehlt (Blondlot, Schmidt u. A.), weil je nach dem Ueberwiegen des Labsaftes oder Speichels die Umwandlung der Stärke geschehen oder unterbleiben muss. Aehnlich verhält es sich mit der Umwandlung des Trauben- und Rohrzuckers in Milchsäure, welche zuweilen beobachtet (Frerichs, Lehmann, Bouchardat), zuweilen vermisst ist (Frerichs, Schmidt); allerdings scheint das letztere häufiger zu sein, wie erklärlich, weil schon eine geringe Beimengung von Labsaft dem Speichel das umwandelnde Vermögen zu entziehen ver- mag. -- Sehr merkwürdig, aus den vorliegenden künstlichen Verdauungs- versuchen vollkommen unverständlich, sind die Beobachtungen von Fre- richs*) und Schmidt, wonach zuweilen Buttersäure-, zuweilen auch schleimige und Alkoholgährung im Magen vorkommen kann; das Auf- treten der beiden letzteren war aber auch immer mit Krankheitszustän- den verknüpft. -- Eiweissstoffe und insbesondere gekochtes Hühnereiweiss werden im Magen rascher aufgelöst, als ausserhalb; dieses lässt sich ab- leiten aus mancherlei Gründen, z. B. aus der stetigen Erneuerung des Magensaftes, aus der Entfernung der mit dem umgewandelten Eiweiss geschwängerten Lösung durch den Pylorus, dem Umrühren des Magen- inhaltes in Folge einer Bewegung der Wandung u. s. w. Die Beobach- tungen hierüber, welche von Bidder und Schmidt am Hunde, von Schröder am Menschen angestellt sind, lehren auch, dass Eiweiss- stücke, die in einen Magen gelegt werden, der vor 12 bis 20 Stunden
*) l. c. 803.
Natürliche Magenverdauung.
menschlichen Magensaftes höchstens 0,4 Theile (Schröder) trockenen Eiweisses zu lösen.
Bidder und Schmidt stellten ihre quantitativen Verdauungsversuche in der Weise an, dass sie durchfeuchtete Eiweiss- und Fleischstücke von bekanntem Ge- halte an festem Rückstand bei einer Temperatur von 40°C. so lange mit verschiede- nen Proben bekannter Gewichtsmengen von Magensaft in Berührung liessen, als die- ser noch irgend etwas aus ihnen zu lösen vermochte. Darauf wurde der ungelöst gebliebene Antheil filtrirt und getrocknet. Man erhielt damit das Gewicht des Auf- gelösten. Den Säuregehalt bestimmten sie aus der Menge von Kali, welche nothwen- dig war, um den Saft vollkommen zu neutralisiren. Wenn die freie Säure, wie beim Hunde, nur aus Chlorwasserstoff besteht, so ergiebt sich allerdings die Menge dieser letzteren, wenn aber, wie beim Menschen, die freien Säuren aus verschiedenen ge- mengt sind, so genügt natürlich dieses Verfahren nicht (Schröder). Zu den oben zusammengestellten Thatsachen muss wiederholt bemerkt werden, dass selbst der Magensaft des Hundes sich nicht in direktem Verhältnisse eiweissauflösend erweist, in welchem er Kali zu seiner Neutralisation bedarf.
Natürliche Magenverdauung. Die Verdauungsresultate der Nahrungsmittel im lebenden Magen (des Hundes oder Menschen) bestä- tigen meistens die der künstlichen Verdauung. So ist es z. B. erklär- lich, dass der Magen nach dem Genusse gekochten Amylons bald Zucker enthält (Frerichs, Lehmann, Bouchardat, Sandras u. A.), bald auch, dass er ihm fehlt (Blondlot, Schmidt u. A.), weil je nach dem Ueberwiegen des Labsaftes oder Speichels die Umwandlung der Stärke geschehen oder unterbleiben muss. Aehnlich verhält es sich mit der Umwandlung des Trauben- und Rohrzuckers in Milchsäure, welche zuweilen beobachtet (Frerichs, Lehmann, Bouchardat), zuweilen vermisst ist (Frerichs, Schmidt); allerdings scheint das letztere häufiger zu sein, wie erklärlich, weil schon eine geringe Beimengung von Labsaft dem Speichel das umwandelnde Vermögen zu entziehen ver- mag. — Sehr merkwürdig, aus den vorliegenden künstlichen Verdauungs- versuchen vollkommen unverständlich, sind die Beobachtungen von Fre- richs*) und Schmidt, wonach zuweilen Buttersäure-, zuweilen auch schleimige und Alkoholgährung im Magen vorkommen kann; das Auf- treten der beiden letzteren war aber auch immer mit Krankheitszustän- den verknüpft. — Eiweissstoffe und insbesondere gekochtes Hühnereiweiss werden im Magen rascher aufgelöst, als ausserhalb; dieses lässt sich ab- leiten aus mancherlei Gründen, z. B. aus der stetigen Erneuerung des Magensaftes, aus der Entfernung der mit dem umgewandelten Eiweiss geschwängerten Lösung durch den Pylorus, dem Umrühren des Magen- inhaltes in Folge einer Bewegung der Wandung u. s. w. Die Beobach- tungen hierüber, welche von Bidder und Schmidt am Hunde, von Schröder am Menschen angestellt sind, lehren auch, dass Eiweiss- stücke, die in einen Magen gelegt werden, der vor 12 bis 20 Stunden
*) l. c. 803.
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Natürliche Magenverdauung.
menschlichen Magensaftes höchstens 0,4 Theile (Schröder) trockenen
Eiweisses zu lösen.
Bidder und Schmidt stellten ihre quantitativen Verdauungsversuche in der
Weise an, dass sie durchfeuchtete Eiweiss- und Fleischstücke von bekanntem Ge-
halte an festem Rückstand bei einer Temperatur von 40°C. so lange mit verschiede-
nen Proben bekannter Gewichtsmengen von Magensaft in Berührung liessen, als die-
ser noch irgend etwas aus ihnen zu lösen vermochte. Darauf wurde der ungelöst
gebliebene Antheil filtrirt und getrocknet. Man erhielt damit das Gewicht des Auf-
gelösten. Den Säuregehalt bestimmten sie aus der Menge von Kali, welche nothwen-
dig war, um den Saft vollkommen zu neutralisiren. Wenn die freie Säure, wie beim
Hunde, nur aus Chlorwasserstoff besteht, so ergiebt sich allerdings die Menge dieser
letzteren, wenn aber, wie beim Menschen, die freien Säuren aus verschiedenen ge-
mengt sind, so genügt natürlich dieses Verfahren nicht (Schröder). Zu den oben
zusammengestellten Thatsachen muss wiederholt bemerkt werden, dass selbst der
Magensaft des Hundes sich nicht in direktem Verhältnisse eiweissauflösend erweist,
in welchem er Kali zu seiner Neutralisation bedarf.
Natürliche Magenverdauung. Die Verdauungsresultate der
Nahrungsmittel im lebenden Magen (des Hundes oder Menschen) bestä-
tigen meistens die der künstlichen Verdauung. So ist es z. B. erklär-
lich, dass der Magen nach dem Genusse gekochten Amylons bald Zucker
enthält (Frerichs, Lehmann, Bouchardat, Sandras u. A.), bald
auch, dass er ihm fehlt (Blondlot, Schmidt u. A.), weil je nach
dem Ueberwiegen des Labsaftes oder Speichels die Umwandlung der
Stärke geschehen oder unterbleiben muss. Aehnlich verhält es sich mit
der Umwandlung des Trauben- und Rohrzuckers in Milchsäure, welche
zuweilen beobachtet (Frerichs, Lehmann, Bouchardat), zuweilen
vermisst ist (Frerichs, Schmidt); allerdings scheint das letztere
häufiger zu sein, wie erklärlich, weil schon eine geringe Beimengung von
Labsaft dem Speichel das umwandelnde Vermögen zu entziehen ver-
mag. — Sehr merkwürdig, aus den vorliegenden künstlichen Verdauungs-
versuchen vollkommen unverständlich, sind die Beobachtungen von Fre-
richs *) und Schmidt, wonach zuweilen Buttersäure-, zuweilen auch
schleimige und Alkoholgährung im Magen vorkommen kann; das Auf-
treten der beiden letzteren war aber auch immer mit Krankheitszustän-
den verknüpft. — Eiweissstoffe und insbesondere gekochtes Hühnereiweiss
werden im Magen rascher aufgelöst, als ausserhalb; dieses lässt sich ab-
leiten aus mancherlei Gründen, z. B. aus der stetigen Erneuerung des
Magensaftes, aus der Entfernung der mit dem umgewandelten Eiweiss
geschwängerten Lösung durch den Pylorus, dem Umrühren des Magen-
inhaltes in Folge einer Bewegung der Wandung u. s. w. Die Beobach-
tungen hierüber, welche von Bidder und Schmidt am Hunde, von
Schröder am Menschen angestellt sind, lehren auch, dass Eiweiss-
stücke, die in einen Magen gelegt werden, der vor 12 bis 20 Stunden
*) l. c. 803.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/424>, abgerufen am 22.11.2024.
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