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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Nahrungsaequivalente.
sollen? Da die allgemeinsten Aufgaben der Nahrungsmittel darin bestehen,
dass sie entweder Wärme erzeugen oder mechanische (Muskel-) Kraft
hervorbringen oder endlich den Wiederersatz oder die Neubildung von
Geweben und Säften (Wachsthum, Mästung) bedingen sollen, so würde
zuerst die Vorfrage zu erledigen sein, ob in der That ein und dasselbe
Nahrungsmittel befähigt wäre, diesen verschiedenen Anforderungen zu ge-
nügen. Wäre nemlich, wie man zuweilen ausgesprochen, ein jedes ein-
fache Nahrungsmittel nur zu einem dieser Zwecke dienlich, so würde es
natürlich in dem oben bezeichneten Sinne keine Aequivalente geben, son-
dern es müsste entsprechend dem Verbrauche an Wärme, an Muskel-
anstrengung und an Gewebsmassen jedesmal nur ein ganz bestimmtes
Nahrungsmittel genossen werden. Mit einem Worte, die Nahrungsmittel
würden zu zerfällen sein in Wärme erzeugende oder respiratorische, in
kraftentwickelnde und in gewebsbildende oder plastische.

Da die unorganischen Nahrungsmittel ohne Ausnahme schon oxydirt
genossen werden, so können sie keinen Beitrag zur Wärmebildung liefern;
im Gegensatze hierzu verlassen alle organischen Atome der Nahrung den
thierischen Körper in höher oxydirtem Zustande, als sie in ihn einge-
treten sind; die letzteren müssen also sämmtlich zur Wärmeerzeugung
zu verwenden sein. In diesem Sinne müssten sich also die verschie-
denen Nahrungsstoffe vertreten können. Dieser Behauptung wäre jedoch
die andere entgegenzustellen, dass sich die verschiedenen Nahrungsstoffe
unterscheiden durch ihre Spaltbarkeit, indem ein Theil der Nahrungsstoffe
nur dann in oxydirbare Atomkomplexe zu zerlegen wäre, wenn er ein
Bestandtheil der kraftentwickelnden Apparate (der Muskeln und Nerven)
oder der festen Gewebe gewesen wäre, während ein anderer Theil geradezu
dem mittelbaren oder unmittelbaren Verwesungsprozesse anheimfallen
könnte. Diesen Unterschied hat man in der That behauptet und aus
dem Grunde die Amylaceen und Fette als die eigentlichen, die Eiweiss-
stoffe dagegen als die accessorischen Respirationsmittel angesprochen.
Ueberlegt man sich aber die Beweismittel dieses Satzes genauer, so schei-
nen sie eher gegen als für denselben zu sprechen. Zuerst lässt sich
geradezu zeigen, dass die Eiweissstoffe nicht vorgängig den krafterzeu-
genden Apparaten gedient haben, bevor sie dem Wärmebildungsprozesse
anheimfallen; denn es ist durch die später noch genauer zu erörternden
Beobachtungen von Frerichs, Schmidt und Bischoff erwiesen,
dass die Gewichtseinheit desselben Thieres je nach der Nahrung, die es
empfangen, bald viel und bald wenig Eiweissstoffe in der Zeiteinheit um-
setzt und oxydirt, selbst wenn es in dieser Zeit annähernd gleich viel
Muskelbewegungen ausführt; mit einem Worte, die Umsetzung des Ei-
weisses erweist sich in diesen Fällen, in welchen die Beobachtungsthiere
in Kästen eingesperrt waren, unabhängig von der Entwickelung mechani-
scher Kräfte durch die Muskeln. Der andere Theil der oben aufgestellten

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Nahrungsaequivalente.
sollen? Da die allgemeinsten Aufgaben der Nahrungsmittel darin bestehen,
dass sie entweder Wärme erzeugen oder mechanische (Muskel-) Kraft
hervorbringen oder endlich den Wiederersatz oder die Neubildung von
Geweben und Säften (Wachsthum, Mästung) bedingen sollen, so würde
zuerst die Vorfrage zu erledigen sein, ob in der That ein und dasselbe
Nahrungsmittel befähigt wäre, diesen verschiedenen Anforderungen zu ge-
nügen. Wäre nemlich, wie man zuweilen ausgesprochen, ein jedes ein-
fache Nahrungsmittel nur zu einem dieser Zwecke dienlich, so würde es
natürlich in dem oben bezeichneten Sinne keine Aequivalente geben, son-
dern es müsste entsprechend dem Verbrauche an Wärme, an Muskel-
anstrengung und an Gewebsmassen jedesmal nur ein ganz bestimmtes
Nahrungsmittel genossen werden. Mit einem Worte, die Nahrungsmittel
würden zu zerfällen sein in Wärme erzeugende oder respiratorische, in
kraftentwickelnde und in gewebsbildende oder plastische.

Da die unorganischen Nahrungsmittel ohne Ausnahme schon oxydirt
genossen werden, so können sie keinen Beitrag zur Wärmebildung liefern;
im Gegensatze hierzu verlassen alle organischen Atome der Nahrung den
thierischen Körper in höher oxydirtem Zustande, als sie in ihn einge-
treten sind; die letzteren müssen also sämmtlich zur Wärmeerzeugung
zu verwenden sein. In diesem Sinne müssten sich also die verschie-
denen Nahrungsstoffe vertreten können. Dieser Behauptung wäre jedoch
die andere entgegenzustellen, dass sich die verschiedenen Nahrungsstoffe
unterscheiden durch ihre Spaltbarkeit, indem ein Theil der Nahrungsstoffe
nur dann in oxydirbare Atomkomplexe zu zerlegen wäre, wenn er ein
Bestandtheil der kraftentwickelnden Apparate (der Muskeln und Nerven)
oder der festen Gewebe gewesen wäre, während ein anderer Theil geradezu
dem mittelbaren oder unmittelbaren Verwesungsprozesse anheimfallen
könnte. Diesen Unterschied hat man in der That behauptet und aus
dem Grunde die Amylaceen und Fette als die eigentlichen, die Eiweiss-
stoffe dagegen als die accessorischen Respirationsmittel angesprochen.
Ueberlegt man sich aber die Beweismittel dieses Satzes genauer, so schei-
nen sie eher gegen als für denselben zu sprechen. Zuerst lässt sich
geradezu zeigen, dass die Eiweissstoffe nicht vorgängig den krafterzeu-
genden Apparaten gedient haben, bevor sie dem Wärmebildungsprozesse
anheimfallen; denn es ist durch die später noch genauer zu erörternden
Beobachtungen von Frerichs, Schmidt und Bischoff erwiesen,
dass die Gewichtseinheit desselben Thieres je nach der Nahrung, die es
empfangen, bald viel und bald wenig Eiweissstoffe in der Zeiteinheit um-
setzt und oxydirt, selbst wenn es in dieser Zeit annähernd gleich viel
Muskelbewegungen ausführt; mit einem Worte, die Umsetzung des Ei-
weisses erweist sich in diesen Fällen, in welchen die Beobachtungsthiere
in Kästen eingesperrt waren, unabhängig von der Entwickelung mechani-
scher Kräfte durch die Muskeln. Der andere Theil der oben aufgestellten

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[387/0403] Nahrungsaequivalente. sollen? Da die allgemeinsten Aufgaben der Nahrungsmittel darin bestehen, dass sie entweder Wärme erzeugen oder mechanische (Muskel-) Kraft hervorbringen oder endlich den Wiederersatz oder die Neubildung von Geweben und Säften (Wachsthum, Mästung) bedingen sollen, so würde zuerst die Vorfrage zu erledigen sein, ob in der That ein und dasselbe Nahrungsmittel befähigt wäre, diesen verschiedenen Anforderungen zu ge- nügen. Wäre nemlich, wie man zuweilen ausgesprochen, ein jedes ein- fache Nahrungsmittel nur zu einem dieser Zwecke dienlich, so würde es natürlich in dem oben bezeichneten Sinne keine Aequivalente geben, son- dern es müsste entsprechend dem Verbrauche an Wärme, an Muskel- anstrengung und an Gewebsmassen jedesmal nur ein ganz bestimmtes Nahrungsmittel genossen werden. Mit einem Worte, die Nahrungsmittel würden zu zerfällen sein in Wärme erzeugende oder respiratorische, in kraftentwickelnde und in gewebsbildende oder plastische. Da die unorganischen Nahrungsmittel ohne Ausnahme schon oxydirt genossen werden, so können sie keinen Beitrag zur Wärmebildung liefern; im Gegensatze hierzu verlassen alle organischen Atome der Nahrung den thierischen Körper in höher oxydirtem Zustande, als sie in ihn einge- treten sind; die letzteren müssen also sämmtlich zur Wärmeerzeugung zu verwenden sein. In diesem Sinne müssten sich also die verschie- denen Nahrungsstoffe vertreten können. Dieser Behauptung wäre jedoch die andere entgegenzustellen, dass sich die verschiedenen Nahrungsstoffe unterscheiden durch ihre Spaltbarkeit, indem ein Theil der Nahrungsstoffe nur dann in oxydirbare Atomkomplexe zu zerlegen wäre, wenn er ein Bestandtheil der kraftentwickelnden Apparate (der Muskeln und Nerven) oder der festen Gewebe gewesen wäre, während ein anderer Theil geradezu dem mittelbaren oder unmittelbaren Verwesungsprozesse anheimfallen könnte. Diesen Unterschied hat man in der That behauptet und aus dem Grunde die Amylaceen und Fette als die eigentlichen, die Eiweiss- stoffe dagegen als die accessorischen Respirationsmittel angesprochen. Ueberlegt man sich aber die Beweismittel dieses Satzes genauer, so schei- nen sie eher gegen als für denselben zu sprechen. Zuerst lässt sich geradezu zeigen, dass die Eiweissstoffe nicht vorgängig den krafterzeu- genden Apparaten gedient haben, bevor sie dem Wärmebildungsprozesse anheimfallen; denn es ist durch die später noch genauer zu erörternden Beobachtungen von Frerichs, Schmidt und Bischoff erwiesen, dass die Gewichtseinheit desselben Thieres je nach der Nahrung, die es empfangen, bald viel und bald wenig Eiweissstoffe in der Zeiteinheit um- setzt und oxydirt, selbst wenn es in dieser Zeit annähernd gleich viel Muskelbewegungen ausführt; mit einem Worte, die Umsetzung des Ei- weisses erweist sich in diesen Fällen, in welchen die Beobachtungsthiere in Kästen eingesperrt waren, unabhängig von der Entwickelung mechani- scher Kräfte durch die Muskeln. Der andere Theil der oben aufgestellten 25*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/403>, abgerufen am 25.11.2024.