auch am todten Thiere, bevor der Inhalt der Gefässe geronnen, der Lymphstrom unterhalten werden kann, wenn man durch Einsprützung von Wasser in die Blutgefässe eine wassersüchtige Anschwellung der Gewebe bewirkt, und dass die Spannung, unter der die Lymphe strömt, sich steigert mit der zunehmenden Anfüllung des Unterhautzellgewebes (Noll).
Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.
Der Verlust, den der thierische Körper an wägbaren Atomen erlei- det durch Ausscheidung von Harn, Koth, Dunst, Epithelialzellen, Samen, Milch u. s. w., erfährt seine Ausgleichung durch eine Aufnahme von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Da wir bei der Athmung schon das Eindringen des Sauerstoffs besprochen haben, so bleibt es uns hier noch übrig, den Gewinn an festen und flüssigen Massen zu behandeln, welche durch den Darmkanal hindurch in das Blut eindringen.
A. Nahrungsbedürfniss*).
Eine Reihe von eigenthümlichen Empfindungen, die wir Hunger und Durst nennen, bestimmt den Menschen Nahrung aufzunehmen.
Der Hunger drückt sich durch eine eigenthümliche, nicht näher zu beschreibende Empfindung in der Magengegend aus; er ist meist mit einem brennenden oder drückenden Gefühle in der Herzgrube verbun- den, und es gesellt sich, wenn sie einige Zeit bestanden, zu ihr eine unbehagliche, leidenschaftliche Stimmung und der bestimmt ausgespro- chene Wunsch nach fester Nahrung.
1. Hunger erzeugende Nerven. Man ist im Unklaren darüber, wel- cher Nerv die angegebene Empfindung vermittelt, da die einzige Aus- kunft, welche man zu geben im Stande ist, nur aussagt, dass wahr- scheinlich einer der empfindlichen Magennerven die Veranlassung zum Hungergefühl gebe. Der einzige stichhaltige Grund für diese Annahme ist durch die Erfahrung gegeben, dass örtliche Einwirkungen auf den Magen den Hunger zu tilgen im Stande sind. So ist es namentlich Beobachtungsergebniss, dass unmittelbar nach der Anfüllung des Magens mit Speise und insbesondere bevor die eingeführte Nahrung verdaut oder in merklicher Menge in das Blut aufgenommen ist, der Hunger gestillt wird; und ferner, dass der Hunger, selbst wenn ausserdem noch so gute Gründe für den Eintritt desselben vorhanden sind, sich nicht einstellt, wenn die Absonderung aus der Magenschleimhaut verändert oder die An- füllung ihrer Blutgefässe jenseits eines gewissen Grades gesteigert ist.
Die scheinbare Ortsempfindung, die dem Hunger zukommt, nemlich das eigen- thümliche Gefühl in der Magengegend, würde sich dem oben gegebenen Wahr-
*)Volkmann, Handwörterbuch der Physiologie. II. p. 588. -- Longet, anatomie et physio- logie du systeme nerveux. II. p. 327. -- Moloschott, die Physiologie d. Nahrungsmittel. Darmstadt 1850. p. 77.
Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.
auch am todten Thiere, bevor der Inhalt der Gefässe geronnen, der Lymphstrom unterhalten werden kann, wenn man durch Einsprützung von Wasser in die Blutgefässe eine wassersüchtige Anschwellung der Gewebe bewirkt, und dass die Spannung, unter der die Lymphe strömt, sich steigert mit der zunehmenden Anfüllung des Unterhautzellgewebes (Noll).
Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.
Der Verlust, den der thierische Körper an wägbaren Atomen erlei- det durch Ausscheidung von Harn, Koth, Dunst, Epithelialzellen, Samen, Milch u. s. w., erfährt seine Ausgleichung durch eine Aufnahme von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Da wir bei der Athmung schon das Eindringen des Sauerstoffs besprochen haben, so bleibt es uns hier noch übrig, den Gewinn an festen und flüssigen Massen zu behandeln, welche durch den Darmkanal hindurch in das Blut eindringen.
A. Nahrungsbedürfniss*).
Eine Reihe von eigenthümlichen Empfindungen, die wir Hunger und Durst nennen, bestimmt den Menschen Nahrung aufzunehmen.
Der Hunger drückt sich durch eine eigenthümliche, nicht näher zu beschreibende Empfindung in der Magengegend aus; er ist meist mit einem brennenden oder drückenden Gefühle in der Herzgrube verbun- den, und es gesellt sich, wenn sie einige Zeit bestanden, zu ihr eine unbehagliche, leidenschaftliche Stimmung und der bestimmt ausgespro- chene Wunsch nach fester Nahrung.
1. Hunger erzeugende Nerven. Man ist im Unklaren darüber, wel- cher Nerv die angegebene Empfindung vermittelt, da die einzige Aus- kunft, welche man zu geben im Stande ist, nur aussagt, dass wahr- scheinlich einer der empfindlichen Magennerven die Veranlassung zum Hungergefühl gebe. Der einzige stichhaltige Grund für diese Annahme ist durch die Erfahrung gegeben, dass örtliche Einwirkungen auf den Magen den Hunger zu tilgen im Stande sind. So ist es namentlich Beobachtungsergebniss, dass unmittelbar nach der Anfüllung des Magens mit Speise und insbesondere bevor die eingeführte Nahrung verdaut oder in merklicher Menge in das Blut aufgenommen ist, der Hunger gestillt wird; und ferner, dass der Hunger, selbst wenn ausserdem noch so gute Gründe für den Eintritt desselben vorhanden sind, sich nicht einstellt, wenn die Absonderung aus der Magenschleimhaut verändert oder die An- füllung ihrer Blutgefässe jenseits eines gewissen Grades gesteigert ist.
Die scheinbare Ortsempfindung, die dem Hunger zukommt, nemlich das eigen- thümliche Gefühl in der Magengegend, würde sich dem oben gegebenen Wahr-
*)Volkmann, Handwörterbuch der Physiologie. II. p. 588. — Longet, anatomie et physio- logie du systeme nerveux. II. p. 327. — Moloschott, die Physiologie d. Nahrungsmittel. Darmstadt 1850. p. 77.
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Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.
auch am todten Thiere, bevor der Inhalt der Gefässe geronnen, der
Lymphstrom unterhalten werden kann, wenn man durch Einsprützung
von Wasser in die Blutgefässe eine wassersüchtige Anschwellung der
Gewebe bewirkt, und dass die Spannung, unter der die Lymphe strömt,
sich steigert mit der zunehmenden Anfüllung des Unterhautzellgewebes
(Noll).
Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.
Der Verlust, den der thierische Körper an wägbaren Atomen erlei-
det durch Ausscheidung von Harn, Koth, Dunst, Epithelialzellen, Samen,
Milch u. s. w., erfährt seine Ausgleichung durch eine Aufnahme von
festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Da wir bei der Athmung schon
das Eindringen des Sauerstoffs besprochen haben, so bleibt es uns hier
noch übrig, den Gewinn an festen und flüssigen Massen zu behandeln,
welche durch den Darmkanal hindurch in das Blut eindringen.
A. Nahrungsbedürfniss *).
Eine Reihe von eigenthümlichen Empfindungen, die wir Hunger und
Durst nennen, bestimmt den Menschen Nahrung aufzunehmen.
Der Hunger drückt sich durch eine eigenthümliche, nicht näher
zu beschreibende Empfindung in der Magengegend aus; er ist meist mit
einem brennenden oder drückenden Gefühle in der Herzgrube verbun-
den, und es gesellt sich, wenn sie einige Zeit bestanden, zu ihr eine
unbehagliche, leidenschaftliche Stimmung und der bestimmt ausgespro-
chene Wunsch nach fester Nahrung.
1. Hunger erzeugende Nerven. Man ist im Unklaren darüber, wel-
cher Nerv die angegebene Empfindung vermittelt, da die einzige Aus-
kunft, welche man zu geben im Stande ist, nur aussagt, dass wahr-
scheinlich einer der empfindlichen Magennerven die Veranlassung zum
Hungergefühl gebe. Der einzige stichhaltige Grund für diese Annahme
ist durch die Erfahrung gegeben, dass örtliche Einwirkungen auf den
Magen den Hunger zu tilgen im Stande sind. So ist es namentlich
Beobachtungsergebniss, dass unmittelbar nach der Anfüllung des Magens
mit Speise und insbesondere bevor die eingeführte Nahrung verdaut oder
in merklicher Menge in das Blut aufgenommen ist, der Hunger gestillt wird;
und ferner, dass der Hunger, selbst wenn ausserdem noch so gute
Gründe für den Eintritt desselben vorhanden sind, sich nicht einstellt,
wenn die Absonderung aus der Magenschleimhaut verändert oder die An-
füllung ihrer Blutgefässe jenseits eines gewissen Grades gesteigert ist.
Die scheinbare Ortsempfindung, die dem Hunger zukommt, nemlich das eigen-
thümliche Gefühl in der Magengegend, würde sich dem oben gegebenen Wahr-
*) Volkmann, Handwörterbuch der Physiologie. II. p. 588. — Longet, anatomie et physio-
logie du systeme nerveux. II. p. 327. — Moloschott, die Physiologie d. Nahrungsmittel.
Darmstadt 1850. p. 77.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/390>, abgerufen am 22.02.2025.
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