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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Aufsaugung durch die Lymphgefässe.
Nervenerregung, unabhängig dagegen von dem Blutdruck und innerhalb
beschränkter Grenzen unabhängig von dem Termine der Fütterung. Aus
dem Halsstamm eines und desselben Hundes erhielt er nämlich gleich
viel Lymphe, mochten die beiden Carotiden unterbunden oder durch-
gängig sein, und ebenso floss aus dem geöffneten Halsstamm nicht weniger
Lymphe nach 24stündigem Hungern, als unmittelbar oder einige Stunden
nach der reichlichsten Mahlzeit. Der Ausfluss wurde dagegen sogleich
beschleunigt, als der ram. lingual. trigemini (und n. hypoglossus?) ent-
weder an seiner peripherischen Verzweigung oder in seinem Verlaufe am
Unterkiefer durch elektrische Schläge erregt wurde; diese Steigerung des
Ausflusses hielt so lange an, als die Erregung des Nerven andauerte.
Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher die Lympherzeu-
gung vor sich geht, ist nicht bestimmbar, weil, abgesehen von allem
Uebrigen, die Ausbreitung der Flächen unbekannt ist, aus denen der
Strom gespeist wird, welcher der Messung unterworfen wurde. Keinen-
falls ist aber der Werth ein geringer. So fingen Gubler und Que-
venne
aus einer Oeffnung, die sich in einer Anschwellung eines Schen-
kellymphgefässes einer Frau fand, in der Stunde 120 Gr. auf. Da der
Strom aus der Oeffnung mit gleichförmiger Geschwindigkeit (zwei Tage
hindurch) vor sich ging, so betrug der 24stündige Verlust, den das Indi-
viduum an Lymphe erlitt, 2900 Gr., eine Zahl, die sehr gross erscheint,
wenn man bedenkt, dass ausser dem angestochenen noch viele andere
Lymphgefässe aus dem Schenkel aufsteigen. In Uebereinstimmung mit
dieser Beobachtung sind andere von Assalini und J. Müller. Aus
dem Halsgefäss des Hundes erhielt Krause in Abwesenheit der künst-
lichen Nervenerregung:

[Tabelle]

b. Entstehungsart. Die Lymphe eines jeglichen Körpertheiles bezieht
ihr Material aus zwei Orten, von denen der eine an den Wurzeln der
Lymphgefässe und der andere in den Drüsen gelegen ist; der erstere
liefert, wie wir vermuthen, alle oder mindestens den grössten Theil der
Flüssigkeit, der zweite die Körperchen. -- Die Hervorbildung der Lymphe
aus dem Blute und das Eindringen derselben in die Gefässwurzeln ist
mit dem tiefsten Dunkel umhüllt; nur negative Bestimmungen scheinen
sich rechtfertigen zu lassen, namentlich, dass die Spannung des Blutes
in seinen Gefässen nicht die wesentliche Ursache ihrer Absonderung ist,

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Aufsaugung durch die Lymphgefässe.
Nervenerregung, unabhängig dagegen von dem Blutdruck und innerhalb
beschränkter Grenzen unabhängig von dem Termine der Fütterung. Aus
dem Halsstamm eines und desselben Hundes erhielt er nämlich gleich
viel Lymphe, mochten die beiden Carotiden unterbunden oder durch-
gängig sein, und ebenso floss aus dem geöffneten Halsstamm nicht weniger
Lymphe nach 24stündigem Hungern, als unmittelbar oder einige Stunden
nach der reichlichsten Mahlzeit. Der Ausfluss wurde dagegen sogleich
beschleunigt, als der ram. lingual. trigemini (und n. hypoglossus?) ent-
weder an seiner peripherischen Verzweigung oder in seinem Verlaufe am
Unterkiefer durch elektrische Schläge erregt wurde; diese Steigerung des
Ausflusses hielt so lange an, als die Erregung des Nerven andauerte.
Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher die Lympherzeu-
gung vor sich geht, ist nicht bestimmbar, weil, abgesehen von allem
Uebrigen, die Ausbreitung der Flächen unbekannt ist, aus denen der
Strom gespeist wird, welcher der Messung unterworfen wurde. Keinen-
falls ist aber der Werth ein geringer. So fingen Gubler und Que-
venne
aus einer Oeffnung, die sich in einer Anschwellung eines Schen-
kellymphgefässes einer Frau fand, in der Stunde 120 Gr. auf. Da der
Strom aus der Oeffnung mit gleichförmiger Geschwindigkeit (zwei Tage
hindurch) vor sich ging, so betrug der 24stündige Verlust, den das Indi-
viduum an Lymphe erlitt, 2900 Gr., eine Zahl, die sehr gross erscheint,
wenn man bedenkt, dass ausser dem angestochenen noch viele andere
Lymphgefässe aus dem Schenkel aufsteigen. In Uebereinstimmung mit
dieser Beobachtung sind andere von Assalini und J. Müller. Aus
dem Halsgefäss des Hundes erhielt Krause in Abwesenheit der künst-
lichen Nervenerregung:

[Tabelle]

b. Entstehungsart. Die Lymphe eines jeglichen Körpertheiles bezieht
ihr Material aus zwei Orten, von denen der eine an den Wurzeln der
Lymphgefässe und der andere in den Drüsen gelegen ist; der erstere
liefert, wie wir vermuthen, alle oder mindestens den grössten Theil der
Flüssigkeit, der zweite die Körperchen. — Die Hervorbildung der Lymphe
aus dem Blute und das Eindringen derselben in die Gefässwurzeln ist
mit dem tiefsten Dunkel umhüllt; nur negative Bestimmungen scheinen
sich rechtfertigen zu lassen, namentlich, dass die Spannung des Blutes
in seinen Gefässen nicht die wesentliche Ursache ihrer Absonderung ist,

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[371/0387] Aufsaugung durch die Lymphgefässe. Nervenerregung, unabhängig dagegen von dem Blutdruck und innerhalb beschränkter Grenzen unabhängig von dem Termine der Fütterung. Aus dem Halsstamm eines und desselben Hundes erhielt er nämlich gleich viel Lymphe, mochten die beiden Carotiden unterbunden oder durch- gängig sein, und ebenso floss aus dem geöffneten Halsstamm nicht weniger Lymphe nach 24stündigem Hungern, als unmittelbar oder einige Stunden nach der reichlichsten Mahlzeit. Der Ausfluss wurde dagegen sogleich beschleunigt, als der ram. lingual. trigemini (und n. hypoglossus?) ent- weder an seiner peripherischen Verzweigung oder in seinem Verlaufe am Unterkiefer durch elektrische Schläge erregt wurde; diese Steigerung des Ausflusses hielt so lange an, als die Erregung des Nerven andauerte. Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher die Lympherzeu- gung vor sich geht, ist nicht bestimmbar, weil, abgesehen von allem Uebrigen, die Ausbreitung der Flächen unbekannt ist, aus denen der Strom gespeist wird, welcher der Messung unterworfen wurde. Keinen- falls ist aber der Werth ein geringer. So fingen Gubler und Que- venne aus einer Oeffnung, die sich in einer Anschwellung eines Schen- kellymphgefässes einer Frau fand, in der Stunde 120 Gr. auf. Da der Strom aus der Oeffnung mit gleichförmiger Geschwindigkeit (zwei Tage hindurch) vor sich ging, so betrug der 24stündige Verlust, den das Indi- viduum an Lymphe erlitt, 2900 Gr., eine Zahl, die sehr gross erscheint, wenn man bedenkt, dass ausser dem angestochenen noch viele andere Lymphgefässe aus dem Schenkel aufsteigen. In Uebereinstimmung mit dieser Beobachtung sind andere von Assalini und J. Müller. Aus dem Halsgefäss des Hundes erhielt Krause in Abwesenheit der künst- lichen Nervenerregung: b. Entstehungsart. Die Lymphe eines jeglichen Körpertheiles bezieht ihr Material aus zwei Orten, von denen der eine an den Wurzeln der Lymphgefässe und der andere in den Drüsen gelegen ist; der erstere liefert, wie wir vermuthen, alle oder mindestens den grössten Theil der Flüssigkeit, der zweite die Körperchen. — Die Hervorbildung der Lymphe aus dem Blute und das Eindringen derselben in die Gefässwurzeln ist mit dem tiefsten Dunkel umhüllt; nur negative Bestimmungen scheinen sich rechtfertigen zu lassen, namentlich, dass die Spannung des Blutes in seinen Gefässen nicht die wesentliche Ursache ihrer Absonderung ist, 24*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/387>, abgerufen am 22.11.2024.