Daraus folgert man nun: a) Die Entzündung entspringt aus einer Lähmung der Gefässnerven, die im n. vagus enthalten sind; es soll dieses aus Combination der Versuche 1 und 3 hervorgehen. Den Erfolg des 4. Versuchs rechtfertigt man da- durch, dass der n. vagus jeder Seite zugleich in beide Lungenhälften gehe. Bevor es der Mühe werth ist, aufmerksam zu machen auf die vielen Widersprüche, die sich aus den vorliegenden Durchschneidungsversuchen gegen diese Unterstellung er- heben, könnten wir erst abwarten, ob es gelingt, noch durch irgend welches andere Mittel die behauptete Beziehung zwischen den Muskeln der Lungengefässe und den Va- guszweigen zu erweisen. -- b) Da nach Durchschneidung der n. vagi die Stimmritze nicht mehr schliesst, so dringen bei Schlingbewegungen Speichel und Speisereste in die Lunge, welche in den Lungencapillaren durch chemische Einwirkung auf die Wan- dungen oder den Inhalt der Gefässe Stockung des Blutstroms erzeugen (Traube). Eine Bestätigung dieser Annahme findet man darin, dass der in die Lunge gesprützte Speichel dort Entzündung veranlasst, dass nach Durchschneidung der Vagi die Ent- zündung ausbleibt, wenn man die Luftröhre unterhalb des Kehlkopfs durchschnitten und ihre Mündung durch ein passendes Mittel offen erhalten hat; wenn nach dieser Modifikation der Operation noch eine Entzündung zu Stande kommt, so ist dieses davon abhängig, dass sich in den Kanälen, welche in den untern Luftröhrenabschnitt eingebunden sind, Schleim angesammelt hat (Billroth); dass nach Durchschneidung der rami recurrentes die Lungenentzündung bei allen den Thieren ausbleibt oder we- nigstens seltener eintritt, deren Stimmritze beim Schlingen noch durch den m. thyreo- pharyngei wenigstens annähernd geschlossen wird, dass sie aber nach Durchschnei- dung des u. recurrentes unfehlbar erscheint, wenn man die Speiseröhre unterbindet und damit die Entleerung des Mundspeichels hemmt. Alle diese Thatsachen scheinen nach den Untersuchungen von Billroth und Fowelin vorzugsweise ihre Anwen- dung bei Kaninchen, weniger aber bei Hunden zu finden. -- b) Nach der Durch- schneidung der Vagi werden die Athemzüge seltener und tiefer, und weil zugleich die Stimmritze beengt ist, so entstehen beträchtliche Verdünnungen der Luft in dem Brustraum, und in Folge dessen platzen die Lungengefässe (Bernard). Es fehlt bis dahin noch der genauere Nachweis der behaupteten Druckdifferenzen.
Mit dem Vorstehenden hat man nun meist die andere Frage in Verbindung ge- bracht, durch welchen Mechanismus die Durchschneidung der u. vagi den Tod ver- anlasse. Offenbar kann er nicht Folge der Lungenentzündung sein, da die Hunde auch ohne alle Anzeichen derselben sterben. Nach den Beobachtungen von Blain- ville und Fowelin ist die Lunge überhaupt so wenig beeinträchtigt, dass Vögel und Hunde nach Durschneidung der nn. vagi mehr CO2 ausathmen, als vor derselben. -- Man hat darum der Reihe nach alle Störungen, welche die Verletzung der n. vagi hervorruft, als Todesursachen betrachtet, und namentlich aber die aufgehobene oder wenigstens beeinträchtigte Verdauung und die beschleunigte Schlagfolge des Herzens. Die Beweise für diese Annahmen sind aber sehr spärlich; die Thiere sterben doch sonst nicht, wenn sie 3--4 Tage hungern oder heftig fiebern. Wollte man die Proba- bilitäten mehren, so könnte man auch auf eine Veränderung der Blutzusammensetzung hinweisen, welche aus den Störungen einiger Absonderungen resultirt. Ueber die betreffenden Streitfragen siehe die Litteratur bei Fowelin und J. Müller*).
Die chemischen Vorgänge in den Lungensäften dachte man sich früher sehr lebhaft, indem man annahm, dass dort reichliche Massen kohlen- und wasserstoffhaltiger Atome angehäuft seien (Lavoisier, La- place) aus deren Oxydation die CO2 und das HO der Ausathmungsluft
*) Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. p. 277.
Folgen der Durchschneidung beider n. vagi.
Daraus folgert man nun: a) Die Entzündung entspringt aus einer Lähmung der Gefässnerven, die im n. vagus enthalten sind; es soll dieses aus Combination der Versuche 1 und 3 hervorgehen. Den Erfolg des 4. Versuchs rechtfertigt man da- durch, dass der n. vagus jeder Seite zugleich in beide Lungenhälften gehe. Bevor es der Mühe werth ist, aufmerksam zu machen auf die vielen Widersprüche, die sich aus den vorliegenden Durchschneidungsversuchen gegen diese Unterstellung er- heben, könnten wir erst abwarten, ob es gelingt, noch durch irgend welches andere Mittel die behauptete Beziehung zwischen den Muskeln der Lungengefässe und den Va- guszweigen zu erweisen. — b) Da nach Durchschneidung der n. vagi die Stimmritze nicht mehr schliesst, so dringen bei Schlingbewegungen Speichel und Speisereste in die Lunge, welche in den Lungencapillaren durch chemische Einwirkung auf die Wan- dungen oder den Inhalt der Gefässe Stockung des Blutstroms erzeugen (Traube). Eine Bestätigung dieser Annahme findet man darin, dass der in die Lunge gesprützte Speichel dort Entzündung veranlasst, dass nach Durchschneidung der Vagi die Ent- zündung ausbleibt, wenn man die Luftröhre unterhalb des Kehlkopfs durchschnitten und ihre Mündung durch ein passendes Mittel offen erhalten hat; wenn nach dieser Modifikation der Operation noch eine Entzündung zu Stande kommt, so ist dieses davon abhängig, dass sich in den Kanälen, welche in den untern Luftröhrenabschnitt eingebunden sind, Schleim angesammelt hat (Billroth); dass nach Durchschneidung der rami recurrentes die Lungenentzündung bei allen den Thieren ausbleibt oder we- nigstens seltener eintritt, deren Stimmritze beim Schlingen noch durch den m. thyreo- pharyngei wenigstens annähernd geschlossen wird, dass sie aber nach Durchschnei- dung des u. recurrentes unfehlbar erscheint, wenn man die Speiseröhre unterbindet und damit die Entleerung des Mundspeichels hemmt. Alle diese Thatsachen scheinen nach den Untersuchungen von Billroth und Fowelin vorzugsweise ihre Anwen- dung bei Kaninchen, weniger aber bei Hunden zu finden. — b) Nach der Durch- schneidung der Vagi werden die Athemzüge seltener und tiefer, und weil zugleich die Stimmritze beengt ist, so entstehen beträchtliche Verdünnungen der Luft in dem Brustraum, und in Folge dessen platzen die Lungengefässe (Bernard). Es fehlt bis dahin noch der genauere Nachweis der behaupteten Druckdifferenzen.
Mit dem Vorstehenden hat man nun meist die andere Frage in Verbindung ge- bracht, durch welchen Mechanismus die Durchschneidung der u. vagi den Tod ver- anlasse. Offenbar kann er nicht Folge der Lungenentzündung sein, da die Hunde auch ohne alle Anzeichen derselben sterben. Nach den Beobachtungen von Blain- ville und Fowelin ist die Lunge überhaupt so wenig beeinträchtigt, dass Vögel und Hunde nach Durschneidung der nn. vagi mehr CO2 ausathmen, als vor derselben. — Man hat darum der Reihe nach alle Störungen, welche die Verletzung der n. vagi hervorruft, als Todesursachen betrachtet, und namentlich aber die aufgehobene oder wenigstens beeinträchtigte Verdauung und die beschleunigte Schlagfolge des Herzens. Die Beweise für diese Annahmen sind aber sehr spärlich; die Thiere sterben doch sonst nicht, wenn sie 3—4 Tage hungern oder heftig fiebern. Wollte man die Proba- bilitäten mehren, so könnte man auch auf eine Veränderung der Blutzusammensetzung hinweisen, welche aus den Störungen einiger Absonderungen resultirt. Ueber die betreffenden Streitfragen siehe die Litteratur bei Fowelin und J. Müller*).
Die chemischen Vorgänge in den Lungensäften dachte man sich früher sehr lebhaft, indem man annahm, dass dort reichliche Massen kohlen- und wasserstoffhaltiger Atome angehäuft seien (Lavoisier, La- place) aus deren Oxydation die CO2 und das HO der Ausathmungsluft
*) Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. p. 277.
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[351/0367]
Folgen der Durchschneidung beider n. vagi.
Daraus folgert man nun: a) Die Entzündung entspringt aus einer Lähmung der
Gefässnerven, die im n. vagus enthalten sind; es soll dieses aus Combination der
Versuche 1 und 3 hervorgehen. Den Erfolg des 4. Versuchs rechtfertigt man da-
durch, dass der n. vagus jeder Seite zugleich in beide Lungenhälften gehe. Bevor
es der Mühe werth ist, aufmerksam zu machen auf die vielen Widersprüche, die
sich aus den vorliegenden Durchschneidungsversuchen gegen diese Unterstellung er-
heben, könnten wir erst abwarten, ob es gelingt, noch durch irgend welches andere
Mittel die behauptete Beziehung zwischen den Muskeln der Lungengefässe und den Va-
guszweigen zu erweisen. — b) Da nach Durchschneidung der n. vagi die Stimmritze
nicht mehr schliesst, so dringen bei Schlingbewegungen Speichel und Speisereste in
die Lunge, welche in den Lungencapillaren durch chemische Einwirkung auf die Wan-
dungen oder den Inhalt der Gefässe Stockung des Blutstroms erzeugen (Traube).
Eine Bestätigung dieser Annahme findet man darin, dass der in die Lunge gesprützte
Speichel dort Entzündung veranlasst, dass nach Durchschneidung der Vagi die Ent-
zündung ausbleibt, wenn man die Luftröhre unterhalb des Kehlkopfs durchschnitten
und ihre Mündung durch ein passendes Mittel offen erhalten hat; wenn nach dieser
Modifikation der Operation noch eine Entzündung zu Stande kommt, so ist dieses
davon abhängig, dass sich in den Kanälen, welche in den untern Luftröhrenabschnitt
eingebunden sind, Schleim angesammelt hat (Billroth); dass nach Durchschneidung
der rami recurrentes die Lungenentzündung bei allen den Thieren ausbleibt oder we-
nigstens seltener eintritt, deren Stimmritze beim Schlingen noch durch den m. thyreo-
pharyngei wenigstens annähernd geschlossen wird, dass sie aber nach Durchschnei-
dung des u. recurrentes unfehlbar erscheint, wenn man die Speiseröhre unterbindet
und damit die Entleerung des Mundspeichels hemmt. Alle diese Thatsachen scheinen
nach den Untersuchungen von Billroth und Fowelin vorzugsweise ihre Anwen-
dung bei Kaninchen, weniger aber bei Hunden zu finden. — b) Nach der Durch-
schneidung der Vagi werden die Athemzüge seltener und tiefer, und weil zugleich
die Stimmritze beengt ist, so entstehen beträchtliche Verdünnungen der Luft in dem
Brustraum, und in Folge dessen platzen die Lungengefässe (Bernard). Es fehlt
bis dahin noch der genauere Nachweis der behaupteten Druckdifferenzen.
Mit dem Vorstehenden hat man nun meist die andere Frage in Verbindung ge-
bracht, durch welchen Mechanismus die Durchschneidung der u. vagi den Tod ver-
anlasse. Offenbar kann er nicht Folge der Lungenentzündung sein, da die Hunde
auch ohne alle Anzeichen derselben sterben. Nach den Beobachtungen von Blain-
ville und Fowelin ist die Lunge überhaupt so wenig beeinträchtigt, dass Vögel und
Hunde nach Durschneidung der nn. vagi mehr CO2 ausathmen, als vor derselben. —
Man hat darum der Reihe nach alle Störungen, welche die Verletzung der n. vagi
hervorruft, als Todesursachen betrachtet, und namentlich aber die aufgehobene oder
wenigstens beeinträchtigte Verdauung und die beschleunigte Schlagfolge des Herzens.
Die Beweise für diese Annahmen sind aber sehr spärlich; die Thiere sterben doch
sonst nicht, wenn sie 3—4 Tage hungern oder heftig fiebern. Wollte man die Proba-
bilitäten mehren, so könnte man auch auf eine Veränderung der Blutzusammensetzung
hinweisen, welche aus den Störungen einiger Absonderungen resultirt. Ueber die
betreffenden Streitfragen siehe die Litteratur bei Fowelin und J. Müller *).
Die chemischen Vorgänge in den Lungensäften dachte man sich
früher sehr lebhaft, indem man annahm, dass dort reichliche Massen
kohlen- und wasserstoffhaltiger Atome angehäuft seien (Lavoisier, La-
place) aus deren Oxydation die CO2 und das HO der Ausathmungsluft
*) Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. p. 277.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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