Der Mechanismus einiger besonderer Arten unwillkührlicher Athembewegungen: das Niessen, Husten, Gähnen, Lachen, Seufzen, Schluchzen, kann bei einigem Nach- denken leicht abgeleitet werden.
4. Geschwindigkeit der Athemfolge. Die Zahl der Athemzüge in der Zeiteinheit (wir wollen die Minute setzen) ist veränderlich: a) Mit den Seelenzuständen. So kann der Wille die Zugfolge beschleunigen und verlang- samen, aber doch nur in wohlbestimmten Grenzen, denn er kann sie für die Dauer die Athemmuskeln weder erschlafft noch zusammengezogen erhalten. Die Zeit, während welcher der Wille den Luftwechsel unterbrechen kann, ist veränderlich mit gewissen gleich zu erwähnenden Anregungen (dem sog. Athembedürfniss), welche entweder geradezu von Seiten des Bluts oder durch die Nerven der Lungenoberfläche auf die automatische Hirnstelle ausgeübt werden. Beim steigenden Athembedürfniss sinkt die Macht des Willens. -- Leidenschaften sind im Stande, die Athemfolge unwillkührlich zu beschleunigen und zu verlangsamen. -- b) Reflektorische Erregun- gen, insbesondere von der Haut und Lungenoberfläche (durch die n. vagi), vermehren die Zahl der Athemzüge. Den Einfluss der nervi vagi hat Traube durch scharfe Versuche dargelegt; die Durchschneidung eines und noch mehr die der beiden Vagusstämme mindert die Zahl der Athem- züge beträchtlich (Emmert), und eine Erregung des mit dem Hirn in Verbindung stehenden Stumpfs beschleunigt entweder die Zugfolge oder vermag sogar eine dauernde Zusammenziehung des Zwergfells zu ver- anlassen (Traube). -- c) Die chemische Zusammensetzung des Bluts und namentlich der O- und CO2 gehalt desselben bestimmen die Zahlen der Athemzüge. Alles, was die CO2 in dem Blute mehrt und den O desselben mindert, beschleunigt auch die Athemzüge, so z. B. gehemmter Luftwechsel, Vermehrung der CO2 bildenden Stoffe des Bluts: nach Muskel- bewegungen, nach dem Genuss von Nahrung; jenseits gewisser Grenzen sind aber beide Einflüsse ohnmächtig. Leitet man bei einem Kaninchen, dessen Grosshirn ausgeschnitten, künstliche Respiration ein, so kann man durch eine Beschleunigung des Luftwechsels die Zahl der Athemzüge sehr mindern, aber nicht vollkommen aufheben, und umgekehrt, wenn die Ver- mehrung der CO2 und die Minderung des O über gewisse, nur nicht schärfer bekannte Punkte schreitet, so verlangsamt sich der Athem bis zum Aufhören desselben.
Die Uebereinstimmung, welche zwischen den beschleunigenden Umstän- den der Zug- und Schlagfolge der Brust und des Herzens besteht, ist in die Augen fallend. Quetelet*) und Guy**) geben nun auch an, dass im Allgemeinen die Zahl der Herzschläge 4mal so gross bleibe, als die der Athemzüge. Von einer solchen Regel giebt es natürlich Ausnahmen, aber sie dient doch, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Athem-
*) Der Mensch, übers. von Riecke. 1838. 394.
**)Donders und Bauduin, Handleiding. II. Bd. 372.
Geschwindigkeit der Athemfolge.
Der Mechanismus einiger besonderer Arten unwillkührlicher Athembewegungen: das Niessen, Husten, Gähnen, Lachen, Seufzen, Schluchzen, kann bei einigem Nach- denken leicht abgeleitet werden.
4. Geschwindigkeit der Athemfolge. Die Zahl der Athemzüge in der Zeiteinheit (wir wollen die Minute setzen) ist veränderlich: a) Mit den Seelenzuständen. So kann der Wille die Zugfolge beschleunigen und verlang- samen, aber doch nur in wohlbestimmten Grenzen, denn er kann sie für die Dauer die Athemmuskeln weder erschlafft noch zusammengezogen erhalten. Die Zeit, während welcher der Wille den Luftwechsel unterbrechen kann, ist veränderlich mit gewissen gleich zu erwähnenden Anregungen (dem sog. Athembedürfniss), welche entweder geradezu von Seiten des Bluts oder durch die Nerven der Lungenoberfläche auf die automatische Hirnstelle ausgeübt werden. Beim steigenden Athembedürfniss sinkt die Macht des Willens. — Leidenschaften sind im Stande, die Athemfolge unwillkührlich zu beschleunigen und zu verlangsamen. — b) Reflektorische Erregun- gen, insbesondere von der Haut und Lungenoberfläche (durch die n. vagi), vermehren die Zahl der Athemzüge. Den Einfluss der nervi vagi hat Traube durch scharfe Versuche dargelegt; die Durchschneidung eines und noch mehr die der beiden Vagusstämme mindert die Zahl der Athem- züge beträchtlich (Emmert), und eine Erregung des mit dem Hirn in Verbindung stehenden Stumpfs beschleunigt entweder die Zugfolge oder vermag sogar eine dauernde Zusammenziehung des Zwergfells zu ver- anlassen (Traube). — c) Die chemische Zusammensetzung des Bluts und namentlich der O- und CO2 gehalt desselben bestimmen die Zahlen der Athemzüge. Alles, was die CO2 in dem Blute mehrt und den O desselben mindert, beschleunigt auch die Athemzüge, so z. B. gehemmter Luftwechsel, Vermehrung der CO2 bildenden Stoffe des Bluts: nach Muskel- bewegungen, nach dem Genuss von Nahrung; jenseits gewisser Grenzen sind aber beide Einflüsse ohnmächtig. Leitet man bei einem Kaninchen, dessen Grosshirn ausgeschnitten, künstliche Respiration ein, so kann man durch eine Beschleunigung des Luftwechsels die Zahl der Athemzüge sehr mindern, aber nicht vollkommen aufheben, und umgekehrt, wenn die Ver- mehrung der CO2 und die Minderung des O über gewisse, nur nicht schärfer bekannte Punkte schreitet, so verlangsamt sich der Athem bis zum Aufhören desselben.
Die Uebereinstimmung, welche zwischen den beschleunigenden Umstän- den der Zug- und Schlagfolge der Brust und des Herzens besteht, ist in die Augen fallend. Quetelet*) und Guy**) geben nun auch an, dass im Allgemeinen die Zahl der Herzschläge 4mal so gross bleibe, als die der Athemzüge. Von einer solchen Regel giebt es natürlich Ausnahmen, aber sie dient doch, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Athem-
*) Der Mensch, übers. von Riecke. 1838. 394.
**)Donders und Bauduin, Handleiding. II. Bd. 372.
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Geschwindigkeit der Athemfolge.
Der Mechanismus einiger besonderer Arten unwillkührlicher Athembewegungen:
das Niessen, Husten, Gähnen, Lachen, Seufzen, Schluchzen, kann bei einigem Nach-
denken leicht abgeleitet werden.
4. Geschwindigkeit der Athemfolge. Die Zahl der Athemzüge in der
Zeiteinheit (wir wollen die Minute setzen) ist veränderlich: a) Mit den
Seelenzuständen. So kann der Wille die Zugfolge beschleunigen und verlang-
samen, aber doch nur in wohlbestimmten Grenzen, denn er kann sie für die
Dauer die Athemmuskeln weder erschlafft noch zusammengezogen erhalten.
Die Zeit, während welcher der Wille den Luftwechsel unterbrechen kann, ist
veränderlich mit gewissen gleich zu erwähnenden Anregungen (dem sog.
Athembedürfniss), welche entweder geradezu von Seiten des Bluts oder
durch die Nerven der Lungenoberfläche auf die automatische Hirnstelle
ausgeübt werden. Beim steigenden Athembedürfniss sinkt die Macht des
Willens. — Leidenschaften sind im Stande, die Athemfolge unwillkührlich
zu beschleunigen und zu verlangsamen. — b) Reflektorische Erregun-
gen, insbesondere von der Haut und Lungenoberfläche (durch die n. vagi),
vermehren die Zahl der Athemzüge. Den Einfluss der nervi vagi hat
Traube durch scharfe Versuche dargelegt; die Durchschneidung eines
und noch mehr die der beiden Vagusstämme mindert die Zahl der Athem-
züge beträchtlich (Emmert), und eine Erregung des mit dem Hirn in
Verbindung stehenden Stumpfs beschleunigt entweder die Zugfolge oder
vermag sogar eine dauernde Zusammenziehung des Zwergfells zu ver-
anlassen (Traube). — c) Die chemische Zusammensetzung des Bluts
und namentlich der O- und CO2 gehalt desselben bestimmen die Zahlen
der Athemzüge. Alles, was die CO2 in dem Blute mehrt und den O
desselben mindert, beschleunigt auch die Athemzüge, so z. B. gehemmter
Luftwechsel, Vermehrung der CO2 bildenden Stoffe des Bluts: nach Muskel-
bewegungen, nach dem Genuss von Nahrung; jenseits gewisser Grenzen
sind aber beide Einflüsse ohnmächtig. Leitet man bei einem Kaninchen,
dessen Grosshirn ausgeschnitten, künstliche Respiration ein, so kann man
durch eine Beschleunigung des Luftwechsels die Zahl der Athemzüge sehr
mindern, aber nicht vollkommen aufheben, und umgekehrt, wenn die Ver-
mehrung der CO2 und die Minderung des O über gewisse, nur nicht
schärfer bekannte Punkte schreitet, so verlangsamt sich der Athem bis
zum Aufhören desselben.
Die Uebereinstimmung, welche zwischen den beschleunigenden Umstän-
den der Zug- und Schlagfolge der Brust und des Herzens besteht, ist in die
Augen fallend. Quetelet *) und Guy **) geben nun auch an, dass im
Allgemeinen die Zahl der Herzschläge 4mal so gross bleibe, als die der
Athemzüge. Von einer solchen Regel giebt es natürlich Ausnahmen, aber
sie dient doch, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Athem-
*) Der Mensch, übers. von Riecke. 1838. 394.
**) Donders und Bauduin, Handleiding. II. Bd. 372.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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