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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Athmungsflächen; Luftkreis.
oder flüssige Umgebung auszuüben vermag, so drückt man die vorgeführte Erfahrung
gemeiniglich dahin aus, dass die Spannkräfte (Tensionen) des Wasserdampfs durch
die Wärme vermehrt werden. Zieht man nun den andern bekannten Satz zu
Hilfe, dass von mehreren in einem beliebigen Raume zerstreuten Gasarten nur
die gleichartigen Theilchen einen Druck auf einander ausüben, so kommt man
sogleich zu der Ableitung, dass mit der Temperatur (oder den Spannkräften), die in
der Raumeinheit enthaltene Dampfmenge (die Dichtigkeit des Dampfs) steigen müsse.
Denn in dem Luftraum sind ja keine andern zusammenpressenden Kräfte zur Um-
wandelung des Dampfs in Wasser vorhanden, als diejenigen, welche durch die an-
wesenden Wasserdünste eingeführt wurden.

Demnach würde man mit Hilfe der in den Lehrbüchern der Physik
gegebenen Spannungstabellen des Wasserdampfs *) für jede beliebige
Temperatur der Luft den Dampfgehalt der letztern anzugeben im Stande
sein, wenn in der That die Luft immer mit Wasser gesättigt wäre.
Dieses ist aber nicht der Fall, theils weil die Verdunstung des Wassers
langsam vor sich geht, und theils weil Winde häufig die feuchte Luft
wegführen (z. B. in die höhern Regionen) und durch trockene ersetzen.
Aus diesem Grunde müssen wir auch rücksichtlich des Dampfgehaltes der
Luft unterscheiden die absolute und die relative Dampfmenge. Unter
der letztern verstehen wir nemlich das Verhältniss zwischen dem wirklich
vorhandenen Dunst und demjenigen, welchen die Luft bei der gegebenen
Temperatur zu fassen vermöchte.

a) Die absolute Menge des atmosphärischen Wasserdampfs wechselt mit der
Meeresnähe, der Bodenerhebung, der Tages- und Jahreszeit und den Winden. 1) Am
Meeresufer steigt dieselbe von der kältesten Stunde des Tags allmählig bis zu der
wärmsten Stunde und senkt sich von da an wieder ab (Dove). -- 2) Im ebenen
Binnenland steigt sie dagegen von Sonnenaufgang an bis gegen Mittag, dann nimmt
sie bis zum Abend hin ab, steigt abermals im Beginn der Nacht und sinkt dann bis
zu Sonnenaufgang. Der Grund der Verschiedenheit beider Lokalitäten ist darin zu
suchen, dass, wenn am Mittag die erwärmten untern Luftschichten aufsteigen, in
der Meeresnähe die weggehenden feuchten Luftmassen ersetzt werden durch andere
feuchte, welche vom Meere her eindringen, während in den Binnenländern statt ihrer
trockene Luft eingeschoben wird. Darum kann am Nachmittag der Wasserdampf erst
wieder zunehmen, wenn der aufsteigende Luftstrom an Mächtigkeit verloren hat. --
3) Auf hohen Bergen fehlt darum ebenfalls wieder das Sinken um Mittag, weil zu
dieser Zeit der aufsteigende Strom die Feuchtigkeit aus der Ebene emporführt
(Kämtz, Saussure). -- 4) Im Juli ist die mittlere tägliche Dampfmenge während
des Jahres am höchsten, im Januar am niedrigsten. Dieser Unterschied ist in der
Nähe der Küsten hervortretender, als im Innern der Continente. -- 5) Bei Ostwinden
im Winter ist die Dampfmenge am niedrigsten, bei Südwestwinden im Sommer am
höchsten. Die Unterschiede, die der Nord- und Südwestwind herbeiführen, sind im
Winter weniger bedeutend gefunden worden, als im Sommer (Daniell).

b) Die relative Menge des Dampfs. 1) Das stündliche Mittel der relativen
Menge des Wasserdampfs in der Ebene ist Mittags am geringsten, bei Sonnenaufgang
am grössten; diese Unterschiede treten weniger im Winter als im Sommer hervor. --
2) Die relative Dunstmenge ist auf hohen Bergen meist geringer als in der Ebene
(Kämtz). -- 3) Im Juli und August ist die Luft relativ trockener, als im Ja-

*) J. Müller, Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. II. Bd. p. 490 u. f.

Athmungsflächen; Luftkreis.
oder flüssige Umgebung auszuüben vermag, so drückt man die vorgeführte Erfahrung
gemeiniglich dahin aus, dass die Spannkräfte (Tensionen) des Wasserdampfs durch
die Wärme vermehrt werden. Zieht man nun den andern bekannten Satz zu
Hilfe, dass von mehreren in einem beliebigen Raume zerstreuten Gasarten nur
die gleichartigen Theilchen einen Druck auf einander ausüben, so kommt man
sogleich zu der Ableitung, dass mit der Temperatur (oder den Spannkräften), die in
der Raumeinheit enthaltene Dampfmenge (die Dichtigkeit des Dampfs) steigen müsse.
Denn in dem Luftraum sind ja keine andern zusammenpressenden Kräfte zur Um-
wandelung des Dampfs in Wasser vorhanden, als diejenigen, welche durch die an-
wesenden Wasserdünste eingeführt wurden.

Demnach würde man mit Hilfe der in den Lehrbüchern der Physik
gegebenen Spannungstabellen des Wasserdampfs *) für jede beliebige
Temperatur der Luft den Dampfgehalt der letztern anzugeben im Stande
sein, wenn in der That die Luft immer mit Wasser gesättigt wäre.
Dieses ist aber nicht der Fall, theils weil die Verdunstung des Wassers
langsam vor sich geht, und theils weil Winde häufig die feuchte Luft
wegführen (z. B. in die höhern Regionen) und durch trockene ersetzen.
Aus diesem Grunde müssen wir auch rücksichtlich des Dampfgehaltes der
Luft unterscheiden die absolute und die relative Dampfmenge. Unter
der letztern verstehen wir nemlich das Verhältniss zwischen dem wirklich
vorhandenen Dunst und demjenigen, welchen die Luft bei der gegebenen
Temperatur zu fassen vermöchte.

a) Die absolute Menge des atmosphärischen Wasserdampfs wechselt mit der
Meeresnähe, der Bodenerhebung, der Tages- und Jahreszeit und den Winden. 1) Am
Meeresufer steigt dieselbe von der kältesten Stunde des Tags allmählig bis zu der
wärmsten Stunde und senkt sich von da an wieder ab (Dove). — 2) Im ebenen
Binnenland steigt sie dagegen von Sonnenaufgang an bis gegen Mittag, dann nimmt
sie bis zum Abend hin ab, steigt abermals im Beginn der Nacht und sinkt dann bis
zu Sonnenaufgang. Der Grund der Verschiedenheit beider Lokalitäten ist darin zu
suchen, dass, wenn am Mittag die erwärmten untern Luftschichten aufsteigen, in
der Meeresnähe die weggehenden feuchten Luftmassen ersetzt werden durch andere
feuchte, welche vom Meere her eindringen, während in den Binnenländern statt ihrer
trockene Luft eingeschoben wird. Darum kann am Nachmittag der Wasserdampf erst
wieder zunehmen, wenn der aufsteigende Luftstrom an Mächtigkeit verloren hat. —
3) Auf hohen Bergen fehlt darum ebenfalls wieder das Sinken um Mittag, weil zu
dieser Zeit der aufsteigende Strom die Feuchtigkeit aus der Ebene emporführt
(Kämtz, Saussure). — 4) Im Juli ist die mittlere tägliche Dampfmenge während
des Jahres am höchsten, im Januar am niedrigsten. Dieser Unterschied ist in der
Nähe der Küsten hervortretender, als im Innern der Continente. — 5) Bei Ostwinden
im Winter ist die Dampfmenge am niedrigsten, bei Südwestwinden im Sommer am
höchsten. Die Unterschiede, die der Nord- und Südwestwind herbeiführen, sind im
Winter weniger bedeutend gefunden worden, als im Sommer (Daniell).

b) Die relative Menge des Dampfs. 1) Das stündliche Mittel der relativen
Menge des Wasserdampfs in der Ebene ist Mittags am geringsten, bei Sonnenaufgang
am grössten; diese Unterschiede treten weniger im Winter als im Sommer hervor. —
2) Die relative Dunstmenge ist auf hohen Bergen meist geringer als in der Ebene
(Kämtz). — 3) Im Juli und August ist die Luft relativ trockener, als im Ja-

*) J. Müller, Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. II. Bd. p. 490 u. f.
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[301/0317] Athmungsflächen; Luftkreis. oder flüssige Umgebung auszuüben vermag, so drückt man die vorgeführte Erfahrung gemeiniglich dahin aus, dass die Spannkräfte (Tensionen) des Wasserdampfs durch die Wärme vermehrt werden. Zieht man nun den andern bekannten Satz zu Hilfe, dass von mehreren in einem beliebigen Raume zerstreuten Gasarten nur die gleichartigen Theilchen einen Druck auf einander ausüben, so kommt man sogleich zu der Ableitung, dass mit der Temperatur (oder den Spannkräften), die in der Raumeinheit enthaltene Dampfmenge (die Dichtigkeit des Dampfs) steigen müsse. Denn in dem Luftraum sind ja keine andern zusammenpressenden Kräfte zur Um- wandelung des Dampfs in Wasser vorhanden, als diejenigen, welche durch die an- wesenden Wasserdünste eingeführt wurden. Demnach würde man mit Hilfe der in den Lehrbüchern der Physik gegebenen Spannungstabellen des Wasserdampfs *) für jede beliebige Temperatur der Luft den Dampfgehalt der letztern anzugeben im Stande sein, wenn in der That die Luft immer mit Wasser gesättigt wäre. Dieses ist aber nicht der Fall, theils weil die Verdunstung des Wassers langsam vor sich geht, und theils weil Winde häufig die feuchte Luft wegführen (z. B. in die höhern Regionen) und durch trockene ersetzen. Aus diesem Grunde müssen wir auch rücksichtlich des Dampfgehaltes der Luft unterscheiden die absolute und die relative Dampfmenge. Unter der letztern verstehen wir nemlich das Verhältniss zwischen dem wirklich vorhandenen Dunst und demjenigen, welchen die Luft bei der gegebenen Temperatur zu fassen vermöchte. a) Die absolute Menge des atmosphärischen Wasserdampfs wechselt mit der Meeresnähe, der Bodenerhebung, der Tages- und Jahreszeit und den Winden. 1) Am Meeresufer steigt dieselbe von der kältesten Stunde des Tags allmählig bis zu der wärmsten Stunde und senkt sich von da an wieder ab (Dove). — 2) Im ebenen Binnenland steigt sie dagegen von Sonnenaufgang an bis gegen Mittag, dann nimmt sie bis zum Abend hin ab, steigt abermals im Beginn der Nacht und sinkt dann bis zu Sonnenaufgang. Der Grund der Verschiedenheit beider Lokalitäten ist darin zu suchen, dass, wenn am Mittag die erwärmten untern Luftschichten aufsteigen, in der Meeresnähe die weggehenden feuchten Luftmassen ersetzt werden durch andere feuchte, welche vom Meere her eindringen, während in den Binnenländern statt ihrer trockene Luft eingeschoben wird. Darum kann am Nachmittag der Wasserdampf erst wieder zunehmen, wenn der aufsteigende Luftstrom an Mächtigkeit verloren hat. — 3) Auf hohen Bergen fehlt darum ebenfalls wieder das Sinken um Mittag, weil zu dieser Zeit der aufsteigende Strom die Feuchtigkeit aus der Ebene emporführt (Kämtz, Saussure). — 4) Im Juli ist die mittlere tägliche Dampfmenge während des Jahres am höchsten, im Januar am niedrigsten. Dieser Unterschied ist in der Nähe der Küsten hervortretender, als im Innern der Continente. — 5) Bei Ostwinden im Winter ist die Dampfmenge am niedrigsten, bei Südwestwinden im Sommer am höchsten. Die Unterschiede, die der Nord- und Südwestwind herbeiführen, sind im Winter weniger bedeutend gefunden worden, als im Sommer (Daniell). b) Die relative Menge des Dampfs. 1) Das stündliche Mittel der relativen Menge des Wasserdampfs in der Ebene ist Mittags am geringsten, bei Sonnenaufgang am grössten; diese Unterschiede treten weniger im Winter als im Sommer hervor. — 2) Die relative Dunstmenge ist auf hohen Bergen meist geringer als in der Ebene (Kämtz). — 3) Im Juli und August ist die Luft relativ trockener, als im Ja- *) J. Müller, Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. II. Bd. p. 490 u. f.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/317>, abgerufen am 22.11.2024.