4. Milchbereitung. Ueber die Formfolge *) bei der Entwickelung der Milchkügelchen ist uns Einiges durch Henle, Nasse, Will, H. Meyer, van Bueren und Reinhardt bekannt geworden. Macht man die Voraussetzung, dass die Bildung aller geformten Massen nur von der Drüsenwand ausgeht, so ist als feststehend anzusehen, dass die Colostrumkörperchen aus dem umgewandelten Inhalt der Deckzel- len des Drüsenbläschens hervorgehen. Denn an der strukturlosen Wand derselben liegen zur Zeit der Colostrumabscheidung zunächst kleine Zel- len an, welche nach der Terminologie der Cysoblastenhypothese als Kerne bezeichnet werden; auf diesen ruhen grössere kernhaltige Zellen auf, deren Binnenraum zum Theil mit durchsichtigen, zum Theil mit Fetttröpfchen gefüllt ist; diese letzteren sind in eine körnige Zwischen- substanz eingebettet und um den Kern herum gruppirt. Noch weiter gegen das Centrum des Drüsenbläschens liegen Häufchen von Fetttröpf- chen, welche, zusammengehalten durch eine körnige Zwischensubstanz und von keiner gemeinsamen Zellenhaut mehr umgeben, ganz das An- sehen der Colostrumkörperchen tragen. Zuweilen soll sich in der Mitte eines solchen Häufchens noch ein Gebilde mit den optischen Eigenschaften des Zellenkerns vorfinden; in den grösseren Gängen endlich, wohin die Drüsenbläschen ihren Inhalt entleert haben, sind die Häufchen zerfallen, und es liegen die einzelnen Fetttröpfchen oder Milchkügelchen frei in der Flüssigkeit. Diese Reihenfolge von Formen findet sich aber nur zur Zeit der Colostrumabsonderung und in den Brüsten der Neugeborenen, keineswegs aber in der milchgebenden Frauenbrust (Reinhardt) **), so dass es daraus wahrscheinlich wird, es möchten die Milchkügelchen auch noch unter einer andern Formfolge entstehen.
Eine Vergleichung der Blut- und Milchstoffe zeigt sogleich, dass der Milchzucker in der Drüse entstanden sein muss, weil er selbst dann noch in der Milch und zwar reichlich beobachtet wird, wenn sich die Säugenden jeder Art von Zucker und Mehlnahrung enthalten, und weil auch in den an andern Orten des Thierleibes (Leber, Muskeln) bereiteten Zucker- arten kein Milchzucker vorhanden ist. -- Ob das Casein und die Fette aus dem Blut abgesetzt oder in den Drüsen entstanden sind, muss einstwei- len dahin gestellt bleiben. Geschähe das erstere, so würden in der Drüse jedenfalls auch noch andere chemische Produkte bei der Um- setzung der Blutbestandtheile in Fette u. s. w. abfallen, die dann in das Blut zurückkehrten. -- Für einen innigeren Zusammenhang zwischen der Fettbildung im Gesammtkörper und der Butterausscheidung spricht die den Landwirthen bekannte Thatsache, dass Kühe, welche eine butter-
*) H. Meyer, Züricher Mittheilungen. 1849. I. Bd. 2. Heft. p. 70. -- Will, Ueber Milchabsonde- rung. Erlangen 1850. -- Van Bueren, l. c. -- Reinhardt, Virchow's Archiv. I. Bd. p. 52 u. f.
**) l. c. p. 61.
Brustdrüse; Milchbereitung.
4. Milchbereitung. Ueber die Formfolge *) bei der Entwickelung der Milchkügelchen ist uns Einiges durch Henle, Nasse, Will, H. Meyer, van Bueren und Reinhardt bekannt geworden. Macht man die Voraussetzung, dass die Bildung aller geformten Massen nur von der Drüsenwand ausgeht, so ist als feststehend anzusehen, dass die Colostrumkörperchen aus dem umgewandelten Inhalt der Deckzel- len des Drüsenbläschens hervorgehen. Denn an der strukturlosen Wand derselben liegen zur Zeit der Colostrumabscheidung zunächst kleine Zel- len an, welche nach der Terminologie der Cysoblastenhypothese als Kerne bezeichnet werden; auf diesen ruhen grössere kernhaltige Zellen auf, deren Binnenraum zum Theil mit durchsichtigen, zum Theil mit Fetttröpfchen gefüllt ist; diese letzteren sind in eine körnige Zwischen- substanz eingebettet und um den Kern herum gruppirt. Noch weiter gegen das Centrum des Drüsenbläschens liegen Häufchen von Fetttröpf- chen, welche, zusammengehalten durch eine körnige Zwischensubstanz und von keiner gemeinsamen Zellenhaut mehr umgeben, ganz das An- sehen der Colostrumkörperchen tragen. Zuweilen soll sich in der Mitte eines solchen Häufchens noch ein Gebilde mit den optischen Eigenschaften des Zellenkerns vorfinden; in den grösseren Gängen endlich, wohin die Drüsenbläschen ihren Inhalt entleert haben, sind die Häufchen zerfallen, und es liegen die einzelnen Fetttröpfchen oder Milchkügelchen frei in der Flüssigkeit. Diese Reihenfolge von Formen findet sich aber nur zur Zeit der Colostrumabsonderung und in den Brüsten der Neugeborenen, keineswegs aber in der milchgebenden Frauenbrust (Reinhardt) **), so dass es daraus wahrscheinlich wird, es möchten die Milchkügelchen auch noch unter einer andern Formfolge entstehen.
Eine Vergleichung der Blut- und Milchstoffe zeigt sogleich, dass der Milchzucker in der Drüse entstanden sein muss, weil er selbst dann noch in der Milch und zwar reichlich beobachtet wird, wenn sich die Säugenden jeder Art von Zucker und Mehlnahrung enthalten, und weil auch in den an andern Orten des Thierleibes (Leber, Muskeln) bereiteten Zucker- arten kein Milchzucker vorhanden ist. — Ob das Casein und die Fette aus dem Blut abgesetzt oder in den Drüsen entstanden sind, muss einstwei- len dahin gestellt bleiben. Geschähe das erstere, so würden in der Drüse jedenfalls auch noch andere chemische Produkte bei der Um- setzung der Blutbestandtheile in Fette u. s. w. abfallen, die dann in das Blut zurückkehrten. — Für einen innigeren Zusammenhang zwischen der Fettbildung im Gesammtkörper und der Butterausscheidung spricht die den Landwirthen bekannte Thatsache, dass Kühe, welche eine butter-
*) H. Meyer, Züricher Mittheilungen. 1849. I. Bd. 2. Heft. p. 70. — Will, Ueber Milchabsonde- rung. Erlangen 1850. — Van Bueren, l. c. — Reinhardt, Virchow’s Archiv. I. Bd. p. 52 u. f.
**) l. c. p. 61.
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Brustdrüse; Milchbereitung.
4. Milchbereitung. Ueber die Formfolge *) bei der Entwickelung
der Milchkügelchen ist uns Einiges durch Henle, Nasse, Will,
H. Meyer, van Bueren und Reinhardt bekannt geworden. Macht
man die Voraussetzung, dass die Bildung aller geformten Massen nur
von der Drüsenwand ausgeht, so ist als feststehend anzusehen, dass die
Colostrumkörperchen aus dem umgewandelten Inhalt der Deckzel-
len des Drüsenbläschens hervorgehen. Denn an der strukturlosen Wand
derselben liegen zur Zeit der Colostrumabscheidung zunächst kleine Zel-
len an, welche nach der Terminologie der Cysoblastenhypothese als
Kerne bezeichnet werden; auf diesen ruhen grössere kernhaltige Zellen
auf, deren Binnenraum zum Theil mit durchsichtigen, zum Theil mit
Fetttröpfchen gefüllt ist; diese letzteren sind in eine körnige Zwischen-
substanz eingebettet und um den Kern herum gruppirt. Noch weiter
gegen das Centrum des Drüsenbläschens liegen Häufchen von Fetttröpf-
chen, welche, zusammengehalten durch eine körnige Zwischensubstanz
und von keiner gemeinsamen Zellenhaut mehr umgeben, ganz das An-
sehen der Colostrumkörperchen tragen. Zuweilen soll sich in der Mitte
eines solchen Häufchens noch ein Gebilde mit den optischen Eigenschaften
des Zellenkerns vorfinden; in den grösseren Gängen endlich, wohin die
Drüsenbläschen ihren Inhalt entleert haben, sind die Häufchen zerfallen,
und es liegen die einzelnen Fetttröpfchen oder Milchkügelchen frei in
der Flüssigkeit. Diese Reihenfolge von Formen findet sich aber nur zur
Zeit der Colostrumabsonderung und in den Brüsten der Neugeborenen,
keineswegs aber in der milchgebenden Frauenbrust (Reinhardt) **),
so dass es daraus wahrscheinlich wird, es möchten die Milchkügelchen
auch noch unter einer andern Formfolge entstehen.
Eine Vergleichung der Blut- und Milchstoffe zeigt sogleich, dass der
Milchzucker in der Drüse entstanden sein muss, weil er selbst dann
noch in der Milch und zwar reichlich beobachtet wird, wenn sich die
Säugenden jeder Art von Zucker und Mehlnahrung enthalten, und weil auch
in den an andern Orten des Thierleibes (Leber, Muskeln) bereiteten Zucker-
arten kein Milchzucker vorhanden ist. — Ob das Casein und die Fette aus
dem Blut abgesetzt oder in den Drüsen entstanden sind, muss einstwei-
len dahin gestellt bleiben. Geschähe das erstere, so würden in der
Drüse jedenfalls auch noch andere chemische Produkte bei der Um-
setzung der Blutbestandtheile in Fette u. s. w. abfallen, die dann in das
Blut zurückkehrten. — Für einen innigeren Zusammenhang zwischen der
Fettbildung im Gesammtkörper und der Butterausscheidung spricht die
den Landwirthen bekannte Thatsache, dass Kühe, welche eine butter-
*) H. Meyer, Züricher Mittheilungen. 1849. I. Bd. 2. Heft. p. 70. — Will, Ueber Milchabsonde-
rung. Erlangen 1850. — Van Bueren, l. c. — Reinhardt, Virchow’s Archiv. I. Bd.
p. 52 u. f.
**) l. c. p. 61.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/312>, abgerufen am 24.11.2024.
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