Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Niere; Harnbereitung.
eintreiben. Die hier angelangte Flüssigkeit würde allmählig durch die Haarkanäl-
chen treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen zu dem con-
zentrirten Blut, welches in den Capillaren läuft, die jenseits der Glomeruli die Harn-
kanälchen umspinnen (C. Ludwig). Im Einklang zu dieser Hypothese ist zuerst die
Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbezweifelbaren
Beziehung zur Spannung des arteriellen Blutstroms steht (Goll) *), da die von demselben
Thier in der Zeiteinheit gelieferte Harnmenge steigt, wenn die Blutmasse des Thiers
(durch Einsprützung eines gleichartigen Bluts) vermehrt, oder die n. vagi durch-
schnitten, oder endlich mehrere grosse Arterienstämme (crurales, carotides, subclaviae)
gleichzeitig unterbunden werden, und weil sie umgekehrt fällt nach einem Aderlass
oder Erregung der n. vagi. -- Diese Annahme empfiehlt sich ferner durch eine Reihe
von Thatsachen, welche das Eingreifen eines Diffusionsstroms in den Gang der Harn-
absonderung mehr oder weniger darthun So wird u. A. nach der Abscheidung von
so viel Harnsäure, dass sie in den Harnkanälchen schon krystallinisch niederfällt, ver-
bunden mit gleichzeitigem Mangel an Harnstoff, ein sehr wasserarmer Harn abgeson-
dert. Da die Harnsäure, um aus dem Blute in die Harnkanälchen überzugehen, sehr
viel Wasser braucht, so ist die Abwesenheit dieses Wassers in den spätern Harn-
wegen nur erklärlich, wenn man annimmt, dass dieses durch den rückgängigen Diffu-
sionsstrom wieder in das Blut eingekehrt ist, eine Vorraussetzung, der nichts im Wege
steht, weil nach der Ausfällung der Harnsäurekrystalle eine destillirtem Wasser sich
annähernde Flüssigkeit in den Harnkanälchen übrig bleibt. Nächstdem wird daraus
erklärlich, warum die Conzentration des Harns eine gewisse obere Grenze, die von
der des Bluts bestimmt wird, nicht übersteigen kann; ferner, dass bei einer raschen
Entleerung des Harns aus den Kanälchen dieser weniger feste Stoffe in Lösung hält,
als nach einem längern Aufenthalt in denselben; ferner, warum die prozentische
Menge der wesentlichen Harnbestandtheile in dem Urin zurücktritt, wenn andere ab-
norme in ihm reichlich auftreten (Zucker, Eiweiss); ferner endlich, warum die Stoffe
des Harns reichlicher in ihm enthalten sind, wenn sie in reichem Maasse im Blut vor-
kommen. -- Die Hypothese verschliesst uns mindestens auch nicht die Erklärung der
Erscheinung, dass die in den Harn übergehenden Blutbestandtheile in diesem nicht in
demselben Verhältniss auftreten, in welchem sie in dem Blute vorkommen. Denn
einmal könnte schon die aus dem Glomerulus hervorkommende Flüssigkeit Na Cl,
KO SO3, 2NaO PO5, HO, Harnstoff u. s. w. in einer andern Relation enthalten, als
sie im Blutserum vorkommen, weil nemlich der eine oder andere Stoff grosse Ver-
wandtschaften zu den in dem Gefässlumen zurückbleibenden Eiweisskörpern besässe,
oder es wäre auch denkbar, dass durch den Diffusionsstrom, der in den gewundenen
Haarkanälchen auftritt, aus dem vorhin schon erwähnten Grunde mehr des einen als
des andern Stoffs in das Blut zurückkehrt. -- Diesen empfehlenswerthen Eigenschaf-
ten der vorliegenden Hypothese stehen aber andere, nicht zu vernachlässigende ent-
gegen. Dahin wäre sogleich zu rechnen, dass nicht momentan mit einer prozentischen
Vermehrung des Blutwassers die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, oder allgemein
ausgedrückt, dass trotz gleicher Spannung und gleicher Zusammensetzung des Bluts
in den Arterien die Menge des in der Zeiteinheit erscheinenden Harns so verschieden
ausfallen kann. Dieser Einwurf wäre allerdings noch zu beseitigen, wenn es gelänge,
nachzuweisen, dass sich die muskulösen Wandungen an den vasa afferentia oder effe-
rentia der Glomeruli zeitweise beträchtlich genug zusammenziehen könnten, um den
Blutstrom durch die letztern wesentlich zu verlangsamen. Schwieriger dagegen dürfte
es sein, Rechenschaft davon zu geben, wie mit Hilfe eines Filtrationsdruckes von
der Gefässhaut der Glomeruli eine chemische Scheidung erzielt werden kann (vid.

*) Henle's und Pfeufer's Zeitschrift. N. F. III. Bd.

Niere; Harnbereitung.
eintreiben. Die hier angelangte Flüssigkeit würde allmählig durch die Haarkanäl-
chen treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen zu dem con-
zentrirten Blut, welches in den Capillaren läuft, die jenseits der Glomeruli die Harn-
kanälchen umspinnen (C. Ludwig). Im Einklang zu dieser Hypothese ist zuerst die
Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbezweifelbaren
Beziehung zur Spannung des arteriellen Blutstroms steht (Goll) *), da die von demselben
Thier in der Zeiteinheit gelieferte Harnmenge steigt, wenn die Blutmasse des Thiers
(durch Einsprützung eines gleichartigen Bluts) vermehrt, oder die n. vagi durch-
schnitten, oder endlich mehrere grosse Arterienstämme (crurales, carotides, subclaviae)
gleichzeitig unterbunden werden, und weil sie umgekehrt fällt nach einem Aderlass
oder Erregung der n. vagi. — Diese Annahme empfiehlt sich ferner durch eine Reihe
von Thatsachen, welche das Eingreifen eines Diffusionsstroms in den Gang der Harn-
absonderung mehr oder weniger darthun So wird u. A. nach der Abscheidung von
so viel Harnsäure, dass sie in den Harnkanälchen schon krystallinisch niederfällt, ver-
bunden mit gleichzeitigem Mangel an Harnstoff, ein sehr wasserarmer Harn abgeson-
dert. Da die Harnsäure, um aus dem Blute in die Harnkanälchen überzugehen, sehr
viel Wasser braucht, so ist die Abwesenheit dieses Wassers in den spätern Harn-
wegen nur erklärlich, wenn man annimmt, dass dieses durch den rückgängigen Diffu-
sionsstrom wieder in das Blut eingekehrt ist, eine Vorraussetzung, der nichts im Wege
steht, weil nach der Ausfällung der Harnsäurekrystalle eine destillirtem Wasser sich
annähernde Flüssigkeit in den Harnkanälchen übrig bleibt. Nächstdem wird daraus
erklärlich, warum die Conzentration des Harns eine gewisse obere Grenze, die von
der des Bluts bestimmt wird, nicht übersteigen kann; ferner, dass bei einer raschen
Entleerung des Harns aus den Kanälchen dieser weniger feste Stoffe in Lösung hält,
als nach einem längern Aufenthalt in denselben; ferner, warum die prozentische
Menge der wesentlichen Harnbestandtheile in dem Urin zurücktritt, wenn andere ab-
norme in ihm reichlich auftreten (Zucker, Eiweiss); ferner endlich, warum die Stoffe
des Harns reichlicher in ihm enthalten sind, wenn sie in reichem Maasse im Blut vor-
kommen. — Die Hypothese verschliesst uns mindestens auch nicht die Erklärung der
Erscheinung, dass die in den Harn übergehenden Blutbestandtheile in diesem nicht in
demselben Verhältniss auftreten, in welchem sie in dem Blute vorkommen. Denn
einmal könnte schon die aus dem Glomerulus hervorkommende Flüssigkeit Na Cl,
KO SO3, 2NaO PO5, HO, Harnstoff u. s. w. in einer andern Relation enthalten, als
sie im Blutserum vorkommen, weil nemlich der eine oder andere Stoff grosse Ver-
wandtschaften zu den in dem Gefässlumen zurückbleibenden Eiweisskörpern besässe,
oder es wäre auch denkbar, dass durch den Diffusionsstrom, der in den gewundenen
Haarkanälchen auftritt, aus dem vorhin schon erwähnten Grunde mehr des einen als
des andern Stoffs in das Blut zurückkehrt. — Diesen empfehlenswerthen Eigenschaf-
ten der vorliegenden Hypothese stehen aber andere, nicht zu vernachlässigende ent-
gegen. Dahin wäre sogleich zu rechnen, dass nicht momentan mit einer prozentischen
Vermehrung des Blutwassers die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, oder allgemein
ausgedrückt, dass trotz gleicher Spannung und gleicher Zusammensetzung des Bluts
in den Arterien die Menge des in der Zeiteinheit erscheinenden Harns so verschieden
ausfallen kann. Dieser Einwurf wäre allerdings noch zu beseitigen, wenn es gelänge,
nachzuweisen, dass sich die muskulösen Wandungen an den vasa afferentia oder effe-
rentia der Glomeruli zeitweise beträchtlich genug zusammenziehen könnten, um den
Blutstrom durch die letztern wesentlich zu verlangsamen. Schwieriger dagegen dürfte
es sein, Rechenschaft davon zu geben, wie mit Hilfe eines Filtrationsdruckes von
der Gefässhaut der Glomeruli eine chemische Scheidung erzielt werden kann (vid.

*) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. Bd.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0290" n="274"/><fw place="top" type="header">Niere; Harnbereitung.</fw><lb/>
eintreiben. Die hier angelangte Flüssigkeit würde allmählig durch die Haarkanäl-<lb/>
chen treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen zu dem con-<lb/>
zentrirten Blut, welches in den Capillaren läuft, die jenseits der Glomeruli die Harn-<lb/>
kanälchen umspinnen (C. <hi rendition="#g">Ludwig</hi>). Im Einklang zu dieser Hypothese ist zuerst die<lb/>
Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbezweifelbaren<lb/>
Beziehung zur Spannung des arteriellen Blutstroms steht (<hi rendition="#g">Goll</hi>) <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Henle</hi>&#x2019;s und <hi rendition="#g">Pfeufer</hi>&#x2019;s Zeitschrift. N. F. III. Bd.</note>, da die von demselben<lb/>
Thier in der Zeiteinheit gelieferte Harnmenge steigt, wenn die Blutmasse des Thiers<lb/>
(durch Einsprützung eines gleichartigen Bluts) vermehrt, oder die n. vagi durch-<lb/>
schnitten, oder endlich mehrere grosse Arterienstämme (crurales, carotides, subclaviae)<lb/>
gleichzeitig unterbunden werden, und weil sie umgekehrt fällt nach einem Aderlass<lb/>
oder Erregung der n. vagi. &#x2014; Diese Annahme empfiehlt sich ferner durch eine Reihe<lb/>
von Thatsachen, welche das Eingreifen eines Diffusionsstroms in den Gang der Harn-<lb/>
absonderung mehr oder weniger darthun So wird u. A. nach der Abscheidung von<lb/>
so viel Harnsäure, dass sie in den Harnkanälchen schon krystallinisch niederfällt, ver-<lb/>
bunden mit gleichzeitigem Mangel an Harnstoff, ein sehr wasserarmer Harn abgeson-<lb/>
dert. Da die Harnsäure, um aus dem Blute in die Harnkanälchen überzugehen, sehr<lb/>
viel Wasser braucht, so ist die Abwesenheit dieses Wassers in den spätern Harn-<lb/>
wegen nur erklärlich, wenn man annimmt, dass dieses durch den rückgängigen Diffu-<lb/>
sionsstrom wieder in das Blut eingekehrt ist, eine Vorraussetzung, der nichts im Wege<lb/>
steht, weil nach der Ausfällung der Harnsäurekrystalle eine destillirtem Wasser sich<lb/>
annähernde Flüssigkeit in den Harnkanälchen übrig bleibt. Nächstdem wird daraus<lb/>
erklärlich, warum die Conzentration des Harns eine gewisse obere Grenze, die von<lb/>
der des Bluts bestimmt wird, nicht übersteigen kann; ferner, dass bei einer raschen<lb/>
Entleerung des Harns aus den Kanälchen dieser weniger feste Stoffe in Lösung hält,<lb/>
als nach einem längern Aufenthalt in denselben; ferner, warum die prozentische<lb/>
Menge der wesentlichen Harnbestandtheile in dem Urin zurücktritt, wenn andere ab-<lb/>
norme in ihm reichlich auftreten (Zucker, Eiweiss); ferner endlich, warum die Stoffe<lb/>
des Harns reichlicher in ihm enthalten sind, wenn sie in reichem Maasse im Blut vor-<lb/>
kommen. &#x2014; Die Hypothese verschliesst uns mindestens auch nicht die Erklärung der<lb/>
Erscheinung, dass die in den Harn übergehenden Blutbestandtheile in diesem nicht in<lb/>
demselben Verhältniss auftreten, in welchem sie in dem Blute vorkommen. Denn<lb/>
einmal könnte schon die aus dem Glomerulus hervorkommende Flüssigkeit Na Cl,<lb/>
KO SO<hi rendition="#sub">3</hi>, 2NaO PO<hi rendition="#sub">5</hi>, HO, Harnstoff u. s. w. in einer andern Relation enthalten, als<lb/>
sie im Blutserum vorkommen, weil nemlich der eine oder andere Stoff grosse Ver-<lb/>
wandtschaften zu den in dem Gefässlumen zurückbleibenden Eiweisskörpern besässe,<lb/>
oder es wäre auch denkbar, dass durch den Diffusionsstrom, der in den gewundenen<lb/>
Haarkanälchen auftritt, aus dem vorhin schon erwähnten Grunde mehr des einen als<lb/>
des andern Stoffs in das Blut zurückkehrt. &#x2014; Diesen empfehlenswerthen Eigenschaf-<lb/>
ten der vorliegenden Hypothese stehen aber andere, nicht zu vernachlässigende ent-<lb/>
gegen. Dahin wäre sogleich zu rechnen, dass nicht momentan mit einer prozentischen<lb/>
Vermehrung des Blutwassers die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, oder allgemein<lb/>
ausgedrückt, dass trotz gleicher Spannung und gleicher Zusammensetzung des Bluts<lb/>
in den Arterien die Menge des in der Zeiteinheit erscheinenden Harns so verschieden<lb/>
ausfallen kann. Dieser Einwurf wäre allerdings noch zu beseitigen, wenn es gelänge,<lb/>
nachzuweisen, dass sich die muskulösen Wandungen an den vasa afferentia oder effe-<lb/>
rentia der Glomeruli zeitweise beträchtlich genug zusammenziehen könnten, um den<lb/>
Blutstrom durch die letztern wesentlich zu verlangsamen. Schwieriger dagegen dürfte<lb/>
es sein, Rechenschaft davon zu geben, wie mit Hilfe eines Filtrationsdruckes von<lb/>
der Gefässhaut der Glomeruli eine chemische Scheidung erzielt werden kann (vid.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0290] Niere; Harnbereitung. eintreiben. Die hier angelangte Flüssigkeit würde allmählig durch die Haarkanäl- chen treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen zu dem con- zentrirten Blut, welches in den Capillaren läuft, die jenseits der Glomeruli die Harn- kanälchen umspinnen (C. Ludwig). Im Einklang zu dieser Hypothese ist zuerst die Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbezweifelbaren Beziehung zur Spannung des arteriellen Blutstroms steht (Goll) *), da die von demselben Thier in der Zeiteinheit gelieferte Harnmenge steigt, wenn die Blutmasse des Thiers (durch Einsprützung eines gleichartigen Bluts) vermehrt, oder die n. vagi durch- schnitten, oder endlich mehrere grosse Arterienstämme (crurales, carotides, subclaviae) gleichzeitig unterbunden werden, und weil sie umgekehrt fällt nach einem Aderlass oder Erregung der n. vagi. — Diese Annahme empfiehlt sich ferner durch eine Reihe von Thatsachen, welche das Eingreifen eines Diffusionsstroms in den Gang der Harn- absonderung mehr oder weniger darthun So wird u. A. nach der Abscheidung von so viel Harnsäure, dass sie in den Harnkanälchen schon krystallinisch niederfällt, ver- bunden mit gleichzeitigem Mangel an Harnstoff, ein sehr wasserarmer Harn abgeson- dert. Da die Harnsäure, um aus dem Blute in die Harnkanälchen überzugehen, sehr viel Wasser braucht, so ist die Abwesenheit dieses Wassers in den spätern Harn- wegen nur erklärlich, wenn man annimmt, dass dieses durch den rückgängigen Diffu- sionsstrom wieder in das Blut eingekehrt ist, eine Vorraussetzung, der nichts im Wege steht, weil nach der Ausfällung der Harnsäurekrystalle eine destillirtem Wasser sich annähernde Flüssigkeit in den Harnkanälchen übrig bleibt. Nächstdem wird daraus erklärlich, warum die Conzentration des Harns eine gewisse obere Grenze, die von der des Bluts bestimmt wird, nicht übersteigen kann; ferner, dass bei einer raschen Entleerung des Harns aus den Kanälchen dieser weniger feste Stoffe in Lösung hält, als nach einem längern Aufenthalt in denselben; ferner, warum die prozentische Menge der wesentlichen Harnbestandtheile in dem Urin zurücktritt, wenn andere ab- norme in ihm reichlich auftreten (Zucker, Eiweiss); ferner endlich, warum die Stoffe des Harns reichlicher in ihm enthalten sind, wenn sie in reichem Maasse im Blut vor- kommen. — Die Hypothese verschliesst uns mindestens auch nicht die Erklärung der Erscheinung, dass die in den Harn übergehenden Blutbestandtheile in diesem nicht in demselben Verhältniss auftreten, in welchem sie in dem Blute vorkommen. Denn einmal könnte schon die aus dem Glomerulus hervorkommende Flüssigkeit Na Cl, KO SO3, 2NaO PO5, HO, Harnstoff u. s. w. in einer andern Relation enthalten, als sie im Blutserum vorkommen, weil nemlich der eine oder andere Stoff grosse Ver- wandtschaften zu den in dem Gefässlumen zurückbleibenden Eiweisskörpern besässe, oder es wäre auch denkbar, dass durch den Diffusionsstrom, der in den gewundenen Haarkanälchen auftritt, aus dem vorhin schon erwähnten Grunde mehr des einen als des andern Stoffs in das Blut zurückkehrt. — Diesen empfehlenswerthen Eigenschaf- ten der vorliegenden Hypothese stehen aber andere, nicht zu vernachlässigende ent- gegen. Dahin wäre sogleich zu rechnen, dass nicht momentan mit einer prozentischen Vermehrung des Blutwassers die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, oder allgemein ausgedrückt, dass trotz gleicher Spannung und gleicher Zusammensetzung des Bluts in den Arterien die Menge des in der Zeiteinheit erscheinenden Harns so verschieden ausfallen kann. Dieser Einwurf wäre allerdings noch zu beseitigen, wenn es gelänge, nachzuweisen, dass sich die muskulösen Wandungen an den vasa afferentia oder effe- rentia der Glomeruli zeitweise beträchtlich genug zusammenziehen könnten, um den Blutstrom durch die letztern wesentlich zu verlangsamen. Schwieriger dagegen dürfte es sein, Rechenschaft davon zu geben, wie mit Hilfe eines Filtrationsdruckes von der Gefässhaut der Glomeruli eine chemische Scheidung erzielt werden kann (vid. *) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. Bd.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/290
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/290>, abgerufen am 25.11.2024.