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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Labdrüsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes.
butter- oder milchsaure Salze zerlegt habe, die in dem Mageninhalt ge-
löst gewesen sind. Diese Unterstellung wird gestützt durch die Erfah-
rung, dass die zuletzt erwähnten Salze wirklich Bestandtheile des Magen-
inhalts sind, wenn vorher eine gewöhnliche Fütterung statt fand, und
ferner dadurch, dass Schmidt in dem Magen der von ihm beobachte-
ten Frau freie Salzsäure fand, wenn der Saft aus dem nüchternen, da-
gegen Milch- oder Buttersäure, wenn er aus dem speisehaltigen Magen
entzogen wurde.

Das Pepsin ist geradezu in dem Inhalt der Labzellen aufgefunden worden (Fre-
richs
. Ueber die häufige Anwesenheit der Salzsäure in dem Labsaft der Menschen
und Thiere kann nach den tadelfreien Versuchen von C. Schmidt kein Zweifel mehr
bestehen; er bestimmte nämlich aus der frischen Flüssigkeit die Menge des Chlors
und Ammoniaks und aus der Asche des eingetrockneten Saftes die Menge der Basen.
In dem ersten Falle reichte der Gehalt an Ammoniak und fixen Basen hin, um das
ganze Gewicht des Chlors zu sättigen; er zeigt zugleich, dass gewöhnlich keine an-
dere freie Säure vorhanden gewesen sein konnte, indem zur Neutralisation des fri-
schen sauren Saftes gerade so viel Basis nöthig war, als die freie Salzsäure zur Dar-
stellung eines neutralen Salzes bedurfte. -- Lehmann dagegen fand Milchsäure im
Magen von Hunden, die er nach vorgängigem Hungern mit entfetteten Knochen ge-
füttert und 10 bis 15 Minuten danach getödtet hatte. Ueber die Natur der von ihm
gefundenen Säure kann kein Zweifel bestehen, weil sie durch die Elementaranalyse
festgestellt wurde. Ebenso traf Heintz in einer erbrochenen Flüssigkeit Milchsäure
an, und Schmidt selbst konnte in den mit Zucker, Eiweiss u. s. w. verunreinigten
Magensaft, welcher aus der von ihm beobachteten Magenfistel des Menschen genommen
war, keine freie Salzsäure, wohl aber Butter- und Milchsäure auffinden.

Ob und wie die Zusammensetzung des Labsaftes veränderlich ist,
muss dahingestellt bleiben; die Thatsache, dass der Mageninhalt bald
sauer und bald alkalisch reagirt, kann ihren Grund begreiflich eben so
gut finden in einer veränderlichen Zusammensetzung des Labsaftes, als
auch in einer ungleich reichlichen Absonderung der verschiedenen (alka-
lischen und sauren) Säfte, welche in den Magen entleert werden.

3. Die Absonderungsgeschwindigkeit scheint für die einzelnen Be-
standtheile des Labsaftes nicht dieselbe zu sein, da man zu allen Zei-
ten in dem Magen Pepsin und nur zeitweise eine freie Säure antrifft. --
Die Menge von saurer und pepsinhaltiger Flüssigkeit, welche in der Zeit-
einheit, und zwar sichtlich aus den zu Tage gelegten innern Wandflächen
des Magens ausgestossen wird, ist sehr veränderlich. Zur Zeit, in wel-
cher der Magen leer oder nur mit verschlucktem Speichel gefüllt ist,
wird gar kein Saft aus den Drüsenmündungen geliefert. Dieses geschieht
aber sogleich, wenn in den leeren Magen beliebige feste oder flüssige
nervenerregende Stoffe (Speisen, Steine, Pfeffer, Kochsalz u. s. w.) ein-
gebracht werden, ja nach Bidder und Schmidt*) selbst dann, wenn
man hungrigen Thieren (deren Speichelgänge unterbunden waren) Nah-
rungsmittel vorhält, ohne sie ihnen zum Fressen zu geben. Daraus

*) l, c. p. 32.

Labdrüsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes.
butter- oder milchsaure Salze zerlegt habe, die in dem Mageninhalt ge-
löst gewesen sind. Diese Unterstellung wird gestützt durch die Erfah-
rung, dass die zuletzt erwähnten Salze wirklich Bestandtheile des Magen-
inhalts sind, wenn vorher eine gewöhnliche Fütterung statt fand, und
ferner dadurch, dass Schmidt in dem Magen der von ihm beobachte-
ten Frau freie Salzsäure fand, wenn der Saft aus dem nüchternen, da-
gegen Milch- oder Buttersäure, wenn er aus dem speisehaltigen Magen
entzogen wurde.

Das Pepsin ist geradezu in dem Inhalt der Labzellen aufgefunden worden (Fre-
richs
. Ueber die häufige Anwesenheit der Salzsäure in dem Labsaft der Menschen
und Thiere kann nach den tadelfreien Versuchen von C. Schmidt kein Zweifel mehr
bestehen; er bestimmte nämlich aus der frischen Flüssigkeit die Menge des Chlors
und Ammoniaks und aus der Asche des eingetrockneten Saftes die Menge der Basen.
In dem ersten Falle reichte der Gehalt an Ammoniak und fixen Basen hin, um das
ganze Gewicht des Chlors zu sättigen; er zeigt zugleich, dass gewöhnlich keine an-
dere freie Säure vorhanden gewesen sein konnte, indem zur Neutralisation des fri-
schen sauren Saftes gerade so viel Basis nöthig war, als die freie Salzsäure zur Dar-
stellung eines neutralen Salzes bedurfte. — Lehmann dagegen fand Milchsäure im
Magen von Hunden, die er nach vorgängigem Hungern mit entfetteten Knochen ge-
füttert und 10 bis 15 Minuten danach getödtet hatte. Ueber die Natur der von ihm
gefundenen Säure kann kein Zweifel bestehen, weil sie durch die Elementaranalyse
festgestellt wurde. Ebenso traf Heintz in einer erbrochenen Flüssigkeit Milchsäure
an, und Schmidt selbst konnte in den mit Zucker, Eiweiss u. s. w. verunreinigten
Magensaft, welcher aus der von ihm beobachteten Magenfistel des Menschen genommen
war, keine freie Salzsäure, wohl aber Butter- und Milchsäure auffinden.

Ob und wie die Zusammensetzung des Labsaftes veränderlich ist,
muss dahingestellt bleiben; die Thatsache, dass der Mageninhalt bald
sauer und bald alkalisch reagirt, kann ihren Grund begreiflich eben so
gut finden in einer veränderlichen Zusammensetzung des Labsaftes, als
auch in einer ungleich reichlichen Absonderung der verschiedenen (alka-
lischen und sauren) Säfte, welche in den Magen entleert werden.

3. Die Absonderungsgeschwindigkeit scheint für die einzelnen Be-
standtheile des Labsaftes nicht dieselbe zu sein, da man zu allen Zei-
ten in dem Magen Pepsin und nur zeitweise eine freie Säure antrifft. —
Die Menge von saurer und pepsinhaltiger Flüssigkeit, welche in der Zeit-
einheit, und zwar sichtlich aus den zu Tage gelegten innern Wandflächen
des Magens ausgestossen wird, ist sehr veränderlich. Zur Zeit, in wel-
cher der Magen leer oder nur mit verschlucktem Speichel gefüllt ist,
wird gar kein Saft aus den Drüsenmündungen geliefert. Dieses geschieht
aber sogleich, wenn in den leeren Magen beliebige feste oder flüssige
nervenerregende Stoffe (Speisen, Steine, Pfeffer, Kochsalz u. s. w.) ein-
gebracht werden, ja nach Bidder und Schmidt*) selbst dann, wenn
man hungrigen Thieren (deren Speichelgänge unterbunden waren) Nah-
rungsmittel vorhält, ohne sie ihnen zum Fressen zu geben. Daraus

*) l, c. p. 32.
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[247/0263] Labdrüsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes. butter- oder milchsaure Salze zerlegt habe, die in dem Mageninhalt ge- löst gewesen sind. Diese Unterstellung wird gestützt durch die Erfah- rung, dass die zuletzt erwähnten Salze wirklich Bestandtheile des Magen- inhalts sind, wenn vorher eine gewöhnliche Fütterung statt fand, und ferner dadurch, dass Schmidt in dem Magen der von ihm beobachte- ten Frau freie Salzsäure fand, wenn der Saft aus dem nüchternen, da- gegen Milch- oder Buttersäure, wenn er aus dem speisehaltigen Magen entzogen wurde. Das Pepsin ist geradezu in dem Inhalt der Labzellen aufgefunden worden (Fre- richs. Ueber die häufige Anwesenheit der Salzsäure in dem Labsaft der Menschen und Thiere kann nach den tadelfreien Versuchen von C. Schmidt kein Zweifel mehr bestehen; er bestimmte nämlich aus der frischen Flüssigkeit die Menge des Chlors und Ammoniaks und aus der Asche des eingetrockneten Saftes die Menge der Basen. In dem ersten Falle reichte der Gehalt an Ammoniak und fixen Basen hin, um das ganze Gewicht des Chlors zu sättigen; er zeigt zugleich, dass gewöhnlich keine an- dere freie Säure vorhanden gewesen sein konnte, indem zur Neutralisation des fri- schen sauren Saftes gerade so viel Basis nöthig war, als die freie Salzsäure zur Dar- stellung eines neutralen Salzes bedurfte. — Lehmann dagegen fand Milchsäure im Magen von Hunden, die er nach vorgängigem Hungern mit entfetteten Knochen ge- füttert und 10 bis 15 Minuten danach getödtet hatte. Ueber die Natur der von ihm gefundenen Säure kann kein Zweifel bestehen, weil sie durch die Elementaranalyse festgestellt wurde. Ebenso traf Heintz in einer erbrochenen Flüssigkeit Milchsäure an, und Schmidt selbst konnte in den mit Zucker, Eiweiss u. s. w. verunreinigten Magensaft, welcher aus der von ihm beobachteten Magenfistel des Menschen genommen war, keine freie Salzsäure, wohl aber Butter- und Milchsäure auffinden. Ob und wie die Zusammensetzung des Labsaftes veränderlich ist, muss dahingestellt bleiben; die Thatsache, dass der Mageninhalt bald sauer und bald alkalisch reagirt, kann ihren Grund begreiflich eben so gut finden in einer veränderlichen Zusammensetzung des Labsaftes, als auch in einer ungleich reichlichen Absonderung der verschiedenen (alka- lischen und sauren) Säfte, welche in den Magen entleert werden. 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit scheint für die einzelnen Be- standtheile des Labsaftes nicht dieselbe zu sein, da man zu allen Zei- ten in dem Magen Pepsin und nur zeitweise eine freie Säure antrifft. — Die Menge von saurer und pepsinhaltiger Flüssigkeit, welche in der Zeit- einheit, und zwar sichtlich aus den zu Tage gelegten innern Wandflächen des Magens ausgestossen wird, ist sehr veränderlich. Zur Zeit, in wel- cher der Magen leer oder nur mit verschlucktem Speichel gefüllt ist, wird gar kein Saft aus den Drüsenmündungen geliefert. Dieses geschieht aber sogleich, wenn in den leeren Magen beliebige feste oder flüssige nervenerregende Stoffe (Speisen, Steine, Pfeffer, Kochsalz u. s. w.) ein- gebracht werden, ja nach Bidder und Schmidt *) selbst dann, wenn man hungrigen Thieren (deren Speichelgänge unterbunden waren) Nah- rungsmittel vorhält, ohne sie ihnen zum Fressen zu geben. Daraus *) l, c. p. 32.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/263>, abgerufen am 22.11.2024.