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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Speicheldrüsen; Speichelbereitung.
Speichelmenge (das Produkt aus der Absonderungsgeschwindigkeit
in das Drüsengewicht) kann demgemäss ebenfalls nicht angegeben werden.

Mitscherlich konnte aus einer Fistel des duct. stenonianus eines
kränklichen, sehr mässig lebenden Mannes täglich ungefähr 100 Gr. auf-
fangen. Bidder und Schmidt waren im Stande, in einer Stunde,
während welcher sie weder schmeckten, noch kauten, 100--120 Gr. aus
dem Munde zu entleeren. Wenn während der ganzen Zeit des Wachens
(17 Stunden) ihre Speichelabsonderung mit derselben Geschwindigkeit
vor sich geht, so würden sie täglich mindestens 1700 bis 2000 Gr. Spei-
chel abgesondert haben. Inwiefern die Bewegungen der Kiefer-, Zungen-
und Lippenmuskeln erhöhend auf die Absonderung wirkten, wie sich die
Absonderung während des Essens steigert, ist nicht zu ermitteln. Die
gegebenen Zahlen können darum auf keine allgemeine Giltigkeit für die
Speichelmenge der beobachteten Individuen Anspruch machen.

4. Speichelbereitung. Die organischen Bestandtheile und insbeson-
dere das Mucin des Speichels sind nicht im Blute vorgebildet, man muss
sie darum als eine Neubildung im Innern des Drüsenraums ansehen.
Da man nun das Mucin in den Epithelialzellen der Drüsenbläschen auf-
gefunden hat, so ist Donders *) geneigt, anzunehmen, dass sich das
Mucin durch Auflösung der Zellenwandung in dem alkalisch reagirenden
Speichel bilde; er stützt seine Meinung durch eine Beobachtung von
Frerichs, wonach verdünnte alkalische Lösungen im Stande sind, die
Epithelien zu einer schleimigen Flüssigkeit zu lösen; ferner, dass frischer
Speichel bei 37° C. in 24 Stunden die in ihn gebrachten Epithelialzellen
aus den Bläschen der Speicheldrüsen vollständig löse, während mit Essig-
säure neutralisirter Speichel sie unberührt lasse. Hiergegen wäre das
Bedenken zu erheben, dass die Parotis kein Mucin liefert, obwohl die
Wandung ihrer Epithelialzellen und die aus ihr hervortretende Salzlösung,
so weit wir wissen, nicht abweicht von der Mucin liefernden Submaxil-
laris. -- Die alkalisch reagirende Salzlösung des Speichels wird offenbar
direkt aus dem Blute bezogen. Das Uebertreiben derselben aus den Blut-
gefässen in die Drüsenräume wird besorgt durch die Nerven, und zwar
durch eine solche Veränderung der Drüsensubstanz, welche einen Flüs-
sigkeitsstrom aus dem Blut in den Drüsenanfang zu bewerkstelligen ver-
mag. Diese Behauptung gründet sich darauf, dass bei anhaltender Ner-
venerregung aus den Ausführungsgängen in ununterbrochenem Strom ein
die Drüse weit übertreffendes Volum von Speichel ausfliesst (E. Becher,
C. Ludwig
), also kann der etwa in der Drüse enthaltene Saft nicht
ausgedrückt worden sein. Und ferner ist auch der Druck, unter dem
die Flüssigkeit in die Drüse geliefert wird, oft sehr viel höher, als der-
jenige, welcher zur Zeit in der a. carotis besteht, und noch mehr, es kann

*) l. c. p. 67.

Speicheldrüsen; Speichelbereitung.
Speichelmenge (das Produkt aus der Absonderungsgeschwindigkeit
in das Drüsengewicht) kann demgemäss ebenfalls nicht angegeben werden.

Mitscherlich konnte aus einer Fistel des duct. stenonianus eines
kränklichen, sehr mässig lebenden Mannes täglich ungefähr 100 Gr. auf-
fangen. Bidder und Schmidt waren im Stande, in einer Stunde,
während welcher sie weder schmeckten, noch kauten, 100—120 Gr. aus
dem Munde zu entleeren. Wenn während der ganzen Zeit des Wachens
(17 Stunden) ihre Speichelabsonderung mit derselben Geschwindigkeit
vor sich geht, so würden sie täglich mindestens 1700 bis 2000 Gr. Spei-
chel abgesondert haben. Inwiefern die Bewegungen der Kiefer-, Zungen-
und Lippenmuskeln erhöhend auf die Absonderung wirkten, wie sich die
Absonderung während des Essens steigert, ist nicht zu ermitteln. Die
gegebenen Zahlen können darum auf keine allgemeine Giltigkeit für die
Speichelmenge der beobachteten Individuen Anspruch machen.

4. Speichelbereitung. Die organischen Bestandtheile und insbeson-
dere das Mucin des Speichels sind nicht im Blute vorgebildet, man muss
sie darum als eine Neubildung im Innern des Drüsenraums ansehen.
Da man nun das Mucin in den Epithelialzellen der Drüsenbläschen auf-
gefunden hat, so ist Donders *) geneigt, anzunehmen, dass sich das
Mucin durch Auflösung der Zellenwandung in dem alkalisch reagirenden
Speichel bilde; er stützt seine Meinung durch eine Beobachtung von
Frerichs, wonach verdünnte alkalische Lösungen im Stande sind, die
Epithelien zu einer schleimigen Flüssigkeit zu lösen; ferner, dass frischer
Speichel bei 37° C. in 24 Stunden die in ihn gebrachten Epithelialzellen
aus den Bläschen der Speicheldrüsen vollständig löse, während mit Essig-
säure neutralisirter Speichel sie unberührt lasse. Hiergegen wäre das
Bedenken zu erheben, dass die Parotis kein Mucin liefert, obwohl die
Wandung ihrer Epithelialzellen und die aus ihr hervortretende Salzlösung,
so weit wir wissen, nicht abweicht von der Mucin liefernden Submaxil-
laris. — Die alkalisch reagirende Salzlösung des Speichels wird offenbar
direkt aus dem Blute bezogen. Das Uebertreiben derselben aus den Blut-
gefässen in die Drüsenräume wird besorgt durch die Nerven, und zwar
durch eine solche Veränderung der Drüsensubstanz, welche einen Flüs-
sigkeitsstrom aus dem Blut in den Drüsenanfang zu bewerkstelligen ver-
mag. Diese Behauptung gründet sich darauf, dass bei anhaltender Ner-
venerregung aus den Ausführungsgängen in ununterbrochenem Strom ein
die Drüse weit übertreffendes Volum von Speichel ausfliesst (E. Becher,
C. Ludwig
), also kann der etwa in der Drüse enthaltene Saft nicht
ausgedrückt worden sein. Und ferner ist auch der Druck, unter dem
die Flüssigkeit in die Drüse geliefert wird, oft sehr viel höher, als der-
jenige, welcher zur Zeit in der a. carotis besteht, und noch mehr, es kann

*) l. c. p. 67.
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[238/0254] Speicheldrüsen; Speichelbereitung. Speichelmenge (das Produkt aus der Absonderungsgeschwindigkeit in das Drüsengewicht) kann demgemäss ebenfalls nicht angegeben werden. Mitscherlich konnte aus einer Fistel des duct. stenonianus eines kränklichen, sehr mässig lebenden Mannes täglich ungefähr 100 Gr. auf- fangen. Bidder und Schmidt waren im Stande, in einer Stunde, während welcher sie weder schmeckten, noch kauten, 100—120 Gr. aus dem Munde zu entleeren. Wenn während der ganzen Zeit des Wachens (17 Stunden) ihre Speichelabsonderung mit derselben Geschwindigkeit vor sich geht, so würden sie täglich mindestens 1700 bis 2000 Gr. Spei- chel abgesondert haben. Inwiefern die Bewegungen der Kiefer-, Zungen- und Lippenmuskeln erhöhend auf die Absonderung wirkten, wie sich die Absonderung während des Essens steigert, ist nicht zu ermitteln. Die gegebenen Zahlen können darum auf keine allgemeine Giltigkeit für die Speichelmenge der beobachteten Individuen Anspruch machen. 4. Speichelbereitung. Die organischen Bestandtheile und insbeson- dere das Mucin des Speichels sind nicht im Blute vorgebildet, man muss sie darum als eine Neubildung im Innern des Drüsenraums ansehen. Da man nun das Mucin in den Epithelialzellen der Drüsenbläschen auf- gefunden hat, so ist Donders *) geneigt, anzunehmen, dass sich das Mucin durch Auflösung der Zellenwandung in dem alkalisch reagirenden Speichel bilde; er stützt seine Meinung durch eine Beobachtung von Frerichs, wonach verdünnte alkalische Lösungen im Stande sind, die Epithelien zu einer schleimigen Flüssigkeit zu lösen; ferner, dass frischer Speichel bei 37° C. in 24 Stunden die in ihn gebrachten Epithelialzellen aus den Bläschen der Speicheldrüsen vollständig löse, während mit Essig- säure neutralisirter Speichel sie unberührt lasse. Hiergegen wäre das Bedenken zu erheben, dass die Parotis kein Mucin liefert, obwohl die Wandung ihrer Epithelialzellen und die aus ihr hervortretende Salzlösung, so weit wir wissen, nicht abweicht von der Mucin liefernden Submaxil- laris. — Die alkalisch reagirende Salzlösung des Speichels wird offenbar direkt aus dem Blute bezogen. Das Uebertreiben derselben aus den Blut- gefässen in die Drüsenräume wird besorgt durch die Nerven, und zwar durch eine solche Veränderung der Drüsensubstanz, welche einen Flüs- sigkeitsstrom aus dem Blut in den Drüsenanfang zu bewerkstelligen ver- mag. Diese Behauptung gründet sich darauf, dass bei anhaltender Ner- venerregung aus den Ausführungsgängen in ununterbrochenem Strom ein die Drüse weit übertreffendes Volum von Speichel ausfliesst (E. Becher, C. Ludwig), also kann der etwa in der Drüse enthaltene Saft nicht ausgedrückt worden sein. Und ferner ist auch der Druck, unter dem die Flüssigkeit in die Drüse geliefert wird, oft sehr viel höher, als der- jenige, welcher zur Zeit in der a. carotis besteht, und noch mehr, es kann *) l. c. p. 67.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/254>, abgerufen am 22.11.2024.