Die anatomischen Eigenschaften der ausgebildeten Gefässwandungen sind auf Seite 75 u. f. dieses Bandes beschrieben.
2. Die chemische Zusammensetzung *) der Gefässhaut wechselt mit ihrer anatomischen Struktur; je nach dieser bietet sie bald die Eigen- thümlichkeiten des elastischen oder eines Gemenges aus elastischem Muskel- und Bindegewebe dar. Die Flüssigkeit, welche die grossen Ar- terien durchtränkt, reagirt alkalisch und enthält ausser den Bestandthei- len der Fleischflüssigkeit einen eiweissartigen Körper, welcher seiner Reaktionen wegen für Casein angesprochen wird (Schulze, Lehmann).
3. Ernährungserscheinungen. Die ersten Anlagen der Gefässe **) be- stehen nach Kölliker und Remak aus trüben Strängen, welche sich aus Zellen zusammensetzen, von denen jedesmal mindestens zwei auf dem Querschnitt eines Stranges liegen. Die auf der Aussenfläche des Stranges gelegenen Zellen verwachsen, die gegen das Centrum liegenden werden aufgelöst. Die primitive Röhrenwand ist also immer nur aus Zellen zusammengesetzt; ihren spätern Platten, Fasern, Zellen sollen zellige Auflagerungen auf die äussere Fläche der primitiven Wand vor- ausgehen. Beim Auftreten aller spätern Gefässe im Fötus und Gebornen und namentlich auch derjenigen, welche sich bei der Vernarbung von Wunden u. dgl. bilden, zeigt sich dagegen eine ganz andere Formfolge. Die fertigen Gefässröhren werden nach Remak und J. Meyer da, wo eine Neubildung im Werke ist, verbunden durch sehr feine und so- lide Faden, welche von einem stumpfen Ende eines bestehenden Ge- fässes ihren Anfang nehmen; der Faden wird breiter und zugleich er- weicht sich sein Inhalt, so dass eine Höhle in ihm entsteht, welche sich in die anfänglich noch viel weiteren Gefässröhren öffnet, und dann sich bis dahin ausweitet, dass ihr Binnenraum Blutkörperchen aufnehmen kann. Schwann und nach ihm Kölliker u. A. beschreiben im Ge- gensatz zu diesen Erfahrungen an den Orten, wo neue Gefässe auftre- ten, sternförmig verästelte Zellen; die benachbarten Aeste der Zellen er- reichen sich zum Theil und verschmelzen vollkommen, so dass die Höhlun- gen derselben sich einander öffnen; andere Ausläufer treffen dagegen auf die Wandungen schon fertiger Capillargefässe, mit den sie verwach- sen; an diesen Verwachsungsstellen verschwindet endlich auch die Scheide- wand zwischen Zellen und Gefässhöhlen, so dass nun die Blutflüssigkeit aus der letztern in die erstere eindringt und den Binnenraum derselben erweitern kann. -- Die fertigen Capillaren wandeln sich nun unter ge- wissen Bedingungen in Gefässe höherer Ordnung um, indem sich ihre
**)Kölliker, mikroskopische Anatomie. II. 2. Abthlg. -- Remak, Untersuchungen über Ent- wickelung der Wirbelthiere. Berlin 1851. 13. -- Jos. Meyer, Annalen der Berliner Charite. IV. Bd. p. 41.
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Blutgefässwände.
Blutgefässwandungen.
Die anatomischen Eigenschaften der ausgebildeten Gefässwandungen sind auf Seite 75 u. f. dieses Bandes beschrieben.
2. Die chemische Zusammensetzung *) der Gefässhaut wechselt mit ihrer anatomischen Struktur; je nach dieser bietet sie bald die Eigen- thümlichkeiten des elastischen oder eines Gemenges aus elastischem Muskel- und Bindegewebe dar. Die Flüssigkeit, welche die grossen Ar- terien durchtränkt, reagirt alkalisch und enthält ausser den Bestandthei- len der Fleischflüssigkeit einen eiweissartigen Körper, welcher seiner Reaktionen wegen für Casein angesprochen wird (Schulze, Lehmann).
3. Ernährungserscheinungen. Die ersten Anlagen der Gefässe **) be- stehen nach Kölliker und Remak aus trüben Strängen, welche sich aus Zellen zusammensetzen, von denen jedesmal mindestens zwei auf dem Querschnitt eines Stranges liegen. Die auf der Aussenfläche des Stranges gelegenen Zellen verwachsen, die gegen das Centrum liegenden werden aufgelöst. Die primitive Röhrenwand ist also immer nur aus Zellen zusammengesetzt; ihren spätern Platten, Fasern, Zellen sollen zellige Auflagerungen auf die äussere Fläche der primitiven Wand vor- ausgehen. Beim Auftreten aller spätern Gefässe im Fötus und Gebornen und namentlich auch derjenigen, welche sich bei der Vernarbung von Wunden u. dgl. bilden, zeigt sich dagegen eine ganz andere Formfolge. Die fertigen Gefässröhren werden nach Remak und J. Meyer da, wo eine Neubildung im Werke ist, verbunden durch sehr feine und so- lide Faden, welche von einem stumpfen Ende eines bestehenden Ge- fässes ihren Anfang nehmen; der Faden wird breiter und zugleich er- weicht sich sein Inhalt, so dass eine Höhle in ihm entsteht, welche sich in die anfänglich noch viel weiteren Gefässröhren öffnet, und dann sich bis dahin ausweitet, dass ihr Binnenraum Blutkörperchen aufnehmen kann. Schwann und nach ihm Kölliker u. A. beschreiben im Ge- gensatz zu diesen Erfahrungen an den Orten, wo neue Gefässe auftre- ten, sternförmig verästelte Zellen; die benachbarten Aeste der Zellen er- reichen sich zum Theil und verschmelzen vollkommen, so dass die Höhlun- gen derselben sich einander öffnen; andere Ausläufer treffen dagegen auf die Wandungen schon fertiger Capillargefässe, mit den sie verwach- sen; an diesen Verwachsungsstellen verschwindet endlich auch die Scheide- wand zwischen Zellen und Gefässhöhlen, so dass nun die Blutflüssigkeit aus der letztern in die erstere eindringt und den Binnenraum derselben erweitern kann. — Die fertigen Capillaren wandeln sich nun unter ge- wissen Bedingungen in Gefässe höherer Ordnung um, indem sich ihre
**)Kölliker, mikroskopische Anatomie. II. 2. Abthlg. — Remak, Untersuchungen über Ent- wickelung der Wirbelthiere. Berlin 1851. 13. — Jos. Meyer, Annalen der Berliner Charité. IV. Bd. p. 41.
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Blutgefässwände.
Blutgefässwandungen.
Die anatomischen Eigenschaften der ausgebildeten Gefässwandungen
sind auf Seite 75 u. f. dieses Bandes beschrieben.
2. Die chemische Zusammensetzung *) der Gefässhaut wechselt mit
ihrer anatomischen Struktur; je nach dieser bietet sie bald die Eigen-
thümlichkeiten des elastischen oder eines Gemenges aus elastischem
Muskel- und Bindegewebe dar. Die Flüssigkeit, welche die grossen Ar-
terien durchtränkt, reagirt alkalisch und enthält ausser den Bestandthei-
len der Fleischflüssigkeit einen eiweissartigen Körper, welcher seiner
Reaktionen wegen für Casein angesprochen wird (Schulze, Lehmann).
3. Ernährungserscheinungen. Die ersten Anlagen der Gefässe **) be-
stehen nach Kölliker und Remak aus trüben Strängen, welche sich
aus Zellen zusammensetzen, von denen jedesmal mindestens zwei auf
dem Querschnitt eines Stranges liegen. Die auf der Aussenfläche des
Stranges gelegenen Zellen verwachsen, die gegen das Centrum liegenden
werden aufgelöst. Die primitive Röhrenwand ist also immer nur aus
Zellen zusammengesetzt; ihren spätern Platten, Fasern, Zellen sollen
zellige Auflagerungen auf die äussere Fläche der primitiven Wand vor-
ausgehen. Beim Auftreten aller spätern Gefässe im Fötus und Gebornen
und namentlich auch derjenigen, welche sich bei der Vernarbung von
Wunden u. dgl. bilden, zeigt sich dagegen eine ganz andere Formfolge.
Die fertigen Gefässröhren werden nach Remak und J. Meyer da,
wo eine Neubildung im Werke ist, verbunden durch sehr feine und so-
lide Faden, welche von einem stumpfen Ende eines bestehenden Ge-
fässes ihren Anfang nehmen; der Faden wird breiter und zugleich er-
weicht sich sein Inhalt, so dass eine Höhle in ihm entsteht, welche sich
in die anfänglich noch viel weiteren Gefässröhren öffnet, und dann sich
bis dahin ausweitet, dass ihr Binnenraum Blutkörperchen aufnehmen
kann. Schwann und nach ihm Kölliker u. A. beschreiben im Ge-
gensatz zu diesen Erfahrungen an den Orten, wo neue Gefässe auftre-
ten, sternförmig verästelte Zellen; die benachbarten Aeste der Zellen er-
reichen sich zum Theil und verschmelzen vollkommen, so dass die Höhlun-
gen derselben sich einander öffnen; andere Ausläufer treffen dagegen
auf die Wandungen schon fertiger Capillargefässe, mit den sie verwach-
sen; an diesen Verwachsungsstellen verschwindet endlich auch die Scheide-
wand zwischen Zellen und Gefässhöhlen, so dass nun die Blutflüssigkeit
aus der letztern in die erstere eindringt und den Binnenraum derselben
erweitern kann. — Die fertigen Capillaren wandeln sich nun unter ge-
wissen Bedingungen in Gefässe höherer Ordnung um, indem sich ihre
*) Schultze, Liebig’s Annalen. 71. Bd. 277. — Lehmann, physiolog. Chemie. 3. Bd. p. 64.
**) Kölliker, mikroskopische Anatomie. II. 2. Abthlg. — Remak, Untersuchungen über Ent-
wickelung der Wirbelthiere. Berlin 1851. 13. — Jos. Meyer, Annalen der Berliner Charité.
IV. Bd. p. 41.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/227>, abgerufen am 16.07.2024.
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