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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Bindegewebe.
nicht im Widerspruch, dass die sog. Granulationsgebilde, welche im Be-
griff stehen, zu Bindegeweben zu werden, und ebensowenig das in der
Bildung begriffene Bindegewebe des Fötus beim Kochen keinen Leim lie-
fern (Güterbock, Schwann)*). Wie diese Umwandlung des Eiweisses
in Leim vor sich geht, kann so lange nicht einmal vermuthungsweise
ausgesprochen werden, als man die Atomzahl beider Stoffe nicht kennt;
der gewöhnliche Ausdruck, dass dieser Vorgang zu den Oxydationspro-
zessen zähle, ist zwar begründet, denn es enthält in 100 Thln. der Leim
mehr Sauerstoff, als das Eiweiss, aber er ist in dieser Unbestimmtheit
wenig befriedigend.

Das Bindegewebe**) gehört zu den festen Bestandtheilen des Thier-
körpers, welche sich während des Wachsthums und auch in erwachsenem
Zustande sehr leicht neu bilden. Die Formen, welche man an den Orten
findet, an welchen neues Bindegewebe entsteht, sind mannigfache, und
zwar: 1) eine gedrängte Masse von rundlichen Kernzellen; 2) dieselben
Zellen in einer gallertartigen oder zähen formlosen Substanz eingebettet;
3) eine homogene zähe Masse, in der einzelne Zellen liegen, deren Wan-
dungen mit jener Masse verschmolzen sind; 4) kernhaltige Zellen, von
deren Wand Ausläufer abgehen, die mit den entsprechenden Verlängerun-
gen der benachbarten Zellen verschmelzen und somit Zellennetze dar-
stellen; in dem Raum, den diese Netze umschliessen, ist eine formlose
Masse eingebettet; 5) eine gedrängte Masse von platten, oblongen oder
aber von spindelförmigen Körperchen, die einen sog. Zellenkern enthalten.
Die schmalen Enden dieses Gebildes sind öfter mit den entsprechenden
Rändern der anstossenden verwachsen.

Je nachdem man diese Thatsachen verknüpft, lassen sich daraus
verschiedene Vorstellungen bilden über die Formenfolge des entste-
henden Bindegewebes. Man hat u. A. nachstehende Zusammenstellun-
gen versucht: 1) Das Bindegewebe geht hervor aus den vergrösserten
und verschmolzenen Zellenhäuten. 2) Die freien Kerne, welche in der
formlosen Grundmasse liegen, bestimmen ihre nächste Umgebung dahin,
sich loszureissen von den Nachbarorten, so dass damit die Grundmasse
in einzelne Plättchen oder Fasern zerfällt. 3) Die verästelten Zellenhäute
verwandeln sich in Bindegewebe. 4) Die ursprünglich strukturlose gallert-
artige Masse wird zähe, faltet oder fasert sich aus, die eingesprengten
Kerne verschmelzen mit derselben. 5) Die strukturlose Masse verändert
sich, wie unter 4 angegeben wurde, und die verästelten Zellen stellen
die Virchow'schen Bindegewebskörper dar. 6) Aus den Zellen gehen
Formen hervor, welche mit dem Bindegewebe im engern Wortsinn nichts

*) J. Vogel, Pathol. Anatomie. p. 143.
**) Henle, Rationelle Pathologie. II. 1. Abth. p. 716 u. f. u. 821. -- Reichert, Bemerkungen
zur vergl. Naturforschung. 1845. p. 106. -- Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage.
p. 71. -- Henle's Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1852. p. 20. -- Remak, Müller's
Archiv. 1852. p. 63. -- Thierfelder, De regene ratione tendinum. Misenae 1852. -- J. Meyer,
Annalen der Charite. IV. Bd.

Bindegewebe.
nicht im Widerspruch, dass die sog. Granulationsgebilde, welche im Be-
griff stehen, zu Bindegeweben zu werden, und ebensowenig das in der
Bildung begriffene Bindegewebe des Fötus beim Kochen keinen Leim lie-
fern (Güterbock, Schwann)*). Wie diese Umwandlung des Eiweisses
in Leim vor sich geht, kann so lange nicht einmal vermuthungsweise
ausgesprochen werden, als man die Atomzahl beider Stoffe nicht kennt;
der gewöhnliche Ausdruck, dass dieser Vorgang zu den Oxydationspro-
zessen zähle, ist zwar begründet, denn es enthält in 100 Thln. der Leim
mehr Sauerstoff, als das Eiweiss, aber er ist in dieser Unbestimmtheit
wenig befriedigend.

Das Bindegewebe**) gehört zu den festen Bestandtheilen des Thier-
körpers, welche sich während des Wachsthums und auch in erwachsenem
Zustande sehr leicht neu bilden. Die Formen, welche man an den Orten
findet, an welchen neues Bindegewebe entsteht, sind mannigfache, und
zwar: 1) eine gedrängte Masse von rundlichen Kernzellen; 2) dieselben
Zellen in einer gallertartigen oder zähen formlosen Substanz eingebettet;
3) eine homogene zähe Masse, in der einzelne Zellen liegen, deren Wan-
dungen mit jener Masse verschmolzen sind; 4) kernhaltige Zellen, von
deren Wand Ausläufer abgehen, die mit den entsprechenden Verlängerun-
gen der benachbarten Zellen verschmelzen und somit Zellennetze dar-
stellen; in dem Raum, den diese Netze umschliessen, ist eine formlose
Masse eingebettet; 5) eine gedrängte Masse von platten, oblongen oder
aber von spindelförmigen Körperchen, die einen sog. Zellenkern enthalten.
Die schmalen Enden dieses Gebildes sind öfter mit den entsprechenden
Rändern der anstossenden verwachsen.

Je nachdem man diese Thatsachen verknüpft, lassen sich daraus
verschiedene Vorstellungen bilden über die Formenfolge des entste-
henden Bindegewebes. Man hat u. A. nachstehende Zusammenstellun-
gen versucht: 1) Das Bindegewebe geht hervor aus den vergrösserten
und verschmolzenen Zellenhäuten. 2) Die freien Kerne, welche in der
formlosen Grundmasse liegen, bestimmen ihre nächste Umgebung dahin,
sich loszureissen von den Nachbarorten, so dass damit die Grundmasse
in einzelne Plättchen oder Fasern zerfällt. 3) Die verästelten Zellenhäute
verwandeln sich in Bindegewebe. 4) Die ursprünglich strukturlose gallert-
artige Masse wird zähe, faltet oder fasert sich aus, die eingesprengten
Kerne verschmelzen mit derselben. 5) Die strukturlose Masse verändert
sich, wie unter 4 angegeben wurde, und die verästelten Zellen stellen
die Virchow’schen Bindegewebskörper dar. 6) Aus den Zellen gehen
Formen hervor, welche mit dem Bindegewebe im engern Wortsinn nichts

*) J. Vogel, Pathol. Anatomie. p. 143.
**) Henle, Rationelle Pathologie. II. 1. Abth. p. 716 u. f. u. 821. — Reichert, Bemerkungen
zur vergl. Naturforschung. 1845. p. 106. — Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage.
p. 71. — Henle’s Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1852. p. 20. — Remak, Müller’s
Archiv. 1852. p. 63. — Thierfelder, De regene ratione tendinum. Misenae 1852. — J. Meyer,
Annalen der Charité. IV. Bd.
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[180/0196] Bindegewebe. nicht im Widerspruch, dass die sog. Granulationsgebilde, welche im Be- griff stehen, zu Bindegeweben zu werden, und ebensowenig das in der Bildung begriffene Bindegewebe des Fötus beim Kochen keinen Leim lie- fern (Güterbock, Schwann) *). Wie diese Umwandlung des Eiweisses in Leim vor sich geht, kann so lange nicht einmal vermuthungsweise ausgesprochen werden, als man die Atomzahl beider Stoffe nicht kennt; der gewöhnliche Ausdruck, dass dieser Vorgang zu den Oxydationspro- zessen zähle, ist zwar begründet, denn es enthält in 100 Thln. der Leim mehr Sauerstoff, als das Eiweiss, aber er ist in dieser Unbestimmtheit wenig befriedigend. Das Bindegewebe **) gehört zu den festen Bestandtheilen des Thier- körpers, welche sich während des Wachsthums und auch in erwachsenem Zustande sehr leicht neu bilden. Die Formen, welche man an den Orten findet, an welchen neues Bindegewebe entsteht, sind mannigfache, und zwar: 1) eine gedrängte Masse von rundlichen Kernzellen; 2) dieselben Zellen in einer gallertartigen oder zähen formlosen Substanz eingebettet; 3) eine homogene zähe Masse, in der einzelne Zellen liegen, deren Wan- dungen mit jener Masse verschmolzen sind; 4) kernhaltige Zellen, von deren Wand Ausläufer abgehen, die mit den entsprechenden Verlängerun- gen der benachbarten Zellen verschmelzen und somit Zellennetze dar- stellen; in dem Raum, den diese Netze umschliessen, ist eine formlose Masse eingebettet; 5) eine gedrängte Masse von platten, oblongen oder aber von spindelförmigen Körperchen, die einen sog. Zellenkern enthalten. Die schmalen Enden dieses Gebildes sind öfter mit den entsprechenden Rändern der anstossenden verwachsen. Je nachdem man diese Thatsachen verknüpft, lassen sich daraus verschiedene Vorstellungen bilden über die Formenfolge des entste- henden Bindegewebes. Man hat u. A. nachstehende Zusammenstellun- gen versucht: 1) Das Bindegewebe geht hervor aus den vergrösserten und verschmolzenen Zellenhäuten. 2) Die freien Kerne, welche in der formlosen Grundmasse liegen, bestimmen ihre nächste Umgebung dahin, sich loszureissen von den Nachbarorten, so dass damit die Grundmasse in einzelne Plättchen oder Fasern zerfällt. 3) Die verästelten Zellenhäute verwandeln sich in Bindegewebe. 4) Die ursprünglich strukturlose gallert- artige Masse wird zähe, faltet oder fasert sich aus, die eingesprengten Kerne verschmelzen mit derselben. 5) Die strukturlose Masse verändert sich, wie unter 4 angegeben wurde, und die verästelten Zellen stellen die Virchow’schen Bindegewebskörper dar. 6) Aus den Zellen gehen Formen hervor, welche mit dem Bindegewebe im engern Wortsinn nichts *) J. Vogel, Pathol. Anatomie. p. 143. **) Henle, Rationelle Pathologie. II. 1. Abth. p. 716 u. f. u. 821. — Reichert, Bemerkungen zur vergl. Naturforschung. 1845. p. 106. — Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. p. 71. — Henle’s Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1852. p. 20. — Remak, Müller’s Archiv. 1852. p. 63. — Thierfelder, De regene ratione tendinum. Misenae 1852. — J. Meyer, Annalen der Charité. IV. Bd.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/196>, abgerufen am 21.11.2024.