allein von der chemischen Zusammensetzung der Wand, sondern auch von der Natur der Flüssigkeiten abhängig waren, welche den Porenkanal erfüllten.
2. Die Kräfte, welche die Flüssigkeiten und Gase des Bluts durch die Poren treiben, bestehen nachweislich in Spannungsunterschieden der Flüssigkeit auf den beiden Seiten der Gefässhaut (Filtration und Gas- diffusion), in Anziehungen zwischen den Stoffen, die ausserhalb und inner- halb der Gefässe liegen (Hydrodiffusion), und endlich in eigenthümlichen Wirkungen der erregten Nerven auf den Gefässinhalt.
Daraus, dass uns keine weiteren Absonderungskräfte bekannt sind, schliessen wir natürlich nicht, dass ihre Aufzählung mit diesen dreien erschöpft sei.
a. Filtration. Da die Gefässwand von feinen Oeffnungen durch- brochen ist, so muss auch sogleich Flüssigkeit durch dieselben sickern, wenn die Spannung der Säfte, welche sie innen und aussen umspülen, eine ungleiche ist. Denn es wird sich diese ungleiche Spannung durch die Oeffnungen, mittelst der die beiden Flüssigkeiten in Verbindung stehen, aus- zugleichen streben. Die Geschwindigkeit eines solchen Stromes muss aber abhängig sein: a. von dem Spannungsunterschied der beiden durch den Porus verbundenen Flüssigkeiten, oder anders ausgedrückt, von der Kraft, mit der an dem einen Porenende die Flüssigkeit getrieben wird, und dem Widerstand, den an dem andern Ende die dort liegende Flüs- sigkeit entgegengesetzt. Die gesetzlichen Beziehungen zwischen den zur Bewegung verwendbaren Drücke und der im Porus bestehenden Geschwin- digkeit, werden sich auf dem Wege der Erfahrung schwerlich ermitteln lassen, da sich nothwendig mit einer Steigerung des einseitigen Druckes auch die Poreneigenschaften ändern. -- In den normalen Verhältnissen des Blutstroms überwiegt nun gewöhnlich der Druck auf der innern Ge- fässfläche denjenigen auf der äusseren; somit ist also eine aus dem Ge- fässlumen in die Gewebe wirkende Triebkraft vorhanden. Diese letztere wird nun nicht allein gesteigert mit dem Wachsthum des Blutdruckes, sondern auch bei gleichem Blutdruck mit einer Erniedrigung der Span- nung in den Gewebssäften. Demgemäss sehen wir, wenn nicht be- sondere Vorrichtungen vorhanden sind, dass der Strom aus den Blut- gefässen den umgekehrt gerichteten überwiegt. Und nächstdem ist die Absonderung im Steigen begriffen, wenn der Blutdruck zunimmt, sei es, dass die Blutmenge sich gemehrt, oder einzelne Abtheilungen des arteriellen Systems verengert oder gar zugeschnürt sind, oder den secernirenden Gefässabtheilungen eine relativ niedrigere Lage zugetheilt ist u. s. w. Zugleich steigert sich aber auch die Sekretion bei un- geändertem Blutdruck, wenn Umstände in die secernirenden Organe eingeführt werden, durch welche der dem Blut geleistete Gegendruck ge- mindert wird, z. B. nach der Entleerung gespannter Flüssigkeiten (der
Die absondernden Kräfte. Filtration.
allein von der chemischen Zusammensetzung der Wand, sondern auch von der Natur der Flüssigkeiten abhängig waren, welche den Porenkanal erfüllten.
2. Die Kräfte, welche die Flüssigkeiten und Gase des Bluts durch die Poren treiben, bestehen nachweislich in Spannungsunterschieden der Flüssigkeit auf den beiden Seiten der Gefässhaut (Filtration und Gas- diffusion), in Anziehungen zwischen den Stoffen, die ausserhalb und inner- halb der Gefässe liegen (Hydrodiffusion), und endlich in eigenthümlichen Wirkungen der erregten Nerven auf den Gefässinhalt.
Daraus, dass uns keine weiteren Absonderungskräfte bekannt sind, schliessen wir natürlich nicht, dass ihre Aufzählung mit diesen dreien erschöpft sei.
a. Filtration. Da die Gefässwand von feinen Oeffnungen durch- brochen ist, so muss auch sogleich Flüssigkeit durch dieselben sickern, wenn die Spannung der Säfte, welche sie innen und aussen umspülen, eine ungleiche ist. Denn es wird sich diese ungleiche Spannung durch die Oeffnungen, mittelst der die beiden Flüssigkeiten in Verbindung stehen, aus- zugleichen streben. Die Geschwindigkeit eines solchen Stromes muss aber abhängig sein: α. von dem Spannungsunterschied der beiden durch den Porus verbundenen Flüssigkeiten, oder anders ausgedrückt, von der Kraft, mit der an dem einen Porenende die Flüssigkeit getrieben wird, und dem Widerstand, den an dem andern Ende die dort liegende Flüs- sigkeit entgegengesetzt. Die gesetzlichen Beziehungen zwischen den zur Bewegung verwendbaren Drücke und der im Porus bestehenden Geschwin- digkeit, werden sich auf dem Wege der Erfahrung schwerlich ermitteln lassen, da sich nothwendig mit einer Steigerung des einseitigen Druckes auch die Poreneigenschaften ändern. — In den normalen Verhältnissen des Blutstroms überwiegt nun gewöhnlich der Druck auf der innern Ge- fässfläche denjenigen auf der äusseren; somit ist also eine aus dem Ge- fässlumen in die Gewebe wirkende Triebkraft vorhanden. Diese letztere wird nun nicht allein gesteigert mit dem Wachsthum des Blutdruckes, sondern auch bei gleichem Blutdruck mit einer Erniedrigung der Span- nung in den Gewebssäften. Demgemäss sehen wir, wenn nicht be- sondere Vorrichtungen vorhanden sind, dass der Strom aus den Blut- gefässen den umgekehrt gerichteten überwiegt. Und nächstdem ist die Absonderung im Steigen begriffen, wenn der Blutdruck zunimmt, sei es, dass die Blutmenge sich gemehrt, oder einzelne Abtheilungen des arteriellen Systems verengert oder gar zugeschnürt sind, oder den secernirenden Gefässabtheilungen eine relativ niedrigere Lage zugetheilt ist u. s. w. Zugleich steigert sich aber auch die Sekretion bei un- geändertem Blutdruck, wenn Umstände in die secernirenden Organe eingeführt werden, durch welche der dem Blut geleistete Gegendruck ge- mindert wird, z. B. nach der Entleerung gespannter Flüssigkeiten (der
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Die absondernden Kräfte. Filtration.
allein von der chemischen Zusammensetzung der Wand, sondern auch
von der Natur der Flüssigkeiten abhängig waren, welche den Porenkanal
erfüllten.
2. Die Kräfte, welche die Flüssigkeiten und Gase des Bluts durch
die Poren treiben, bestehen nachweislich in Spannungsunterschieden der
Flüssigkeit auf den beiden Seiten der Gefässhaut (Filtration und Gas-
diffusion), in Anziehungen zwischen den Stoffen, die ausserhalb und inner-
halb der Gefässe liegen (Hydrodiffusion), und endlich in eigenthümlichen
Wirkungen der erregten Nerven auf den Gefässinhalt.
Daraus, dass uns keine weiteren Absonderungskräfte bekannt sind,
schliessen wir natürlich nicht, dass ihre Aufzählung mit diesen dreien
erschöpft sei.
a. Filtration. Da die Gefässwand von feinen Oeffnungen durch-
brochen ist, so muss auch sogleich Flüssigkeit durch dieselben sickern,
wenn die Spannung der Säfte, welche sie innen und aussen umspülen, eine
ungleiche ist. Denn es wird sich diese ungleiche Spannung durch die
Oeffnungen, mittelst der die beiden Flüssigkeiten in Verbindung stehen, aus-
zugleichen streben. Die Geschwindigkeit eines solchen Stromes muss
aber abhängig sein: α. von dem Spannungsunterschied der beiden durch
den Porus verbundenen Flüssigkeiten, oder anders ausgedrückt, von der
Kraft, mit der an dem einen Porenende die Flüssigkeit getrieben wird,
und dem Widerstand, den an dem andern Ende die dort liegende Flüs-
sigkeit entgegengesetzt. Die gesetzlichen Beziehungen zwischen den zur
Bewegung verwendbaren Drücke und der im Porus bestehenden Geschwin-
digkeit, werden sich auf dem Wege der Erfahrung schwerlich ermitteln
lassen, da sich nothwendig mit einer Steigerung des einseitigen Druckes
auch die Poreneigenschaften ändern. — In den normalen Verhältnissen
des Blutstroms überwiegt nun gewöhnlich der Druck auf der innern Ge-
fässfläche denjenigen auf der äusseren; somit ist also eine aus dem Ge-
fässlumen in die Gewebe wirkende Triebkraft vorhanden. Diese letztere
wird nun nicht allein gesteigert mit dem Wachsthum des Blutdruckes,
sondern auch bei gleichem Blutdruck mit einer Erniedrigung der Span-
nung in den Gewebssäften. Demgemäss sehen wir, wenn nicht be-
sondere Vorrichtungen vorhanden sind, dass der Strom aus den Blut-
gefässen den umgekehrt gerichteten überwiegt. Und nächstdem ist
die Absonderung im Steigen begriffen, wenn der Blutdruck zunimmt,
sei es, dass die Blutmenge sich gemehrt, oder einzelne Abtheilungen
des arteriellen Systems verengert oder gar zugeschnürt sind, oder den
secernirenden Gefässabtheilungen eine relativ niedrigere Lage zugetheilt
ist u. s. w. Zugleich steigert sich aber auch die Sekretion bei un-
geändertem Blutdruck, wenn Umstände in die secernirenden Organe
eingeführt werden, durch welche der dem Blut geleistete Gegendruck ge-
mindert wird, z. B. nach der Entleerung gespannter Flüssigkeiten (der
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/160>, abgerufen am 24.11.2024.
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