Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Quellung.
schliessen dürfen, dass hier wie dort die Erscheinung durch eine An-
einanderlagerung der unveränderten Theilchen des festen und flüssi-
gen Stoffes geschehe. So sehr wir uns nun auch über die beson-
dere Art der Zusammenlagerung im Unklaren befinden, so dürfen
wir doch behaupten, dass in den meisten der aufgequollenen Stoffe
die eingesogene Flüssigkeit zum Theil in weiteren Poren, welche
zwischen mehr oder weniger grossen Haufen von Molekeln vorhan-
den sind, sich eingelagert finde, zum Theil aber zwischen den Mole-
keln selbst gebettet sei. Diese Annahme einer solchen Lagenver-
schiedenheit gründet sich ebensowohl auf die Struktur der festen
Stoffe als auf die Quellungserscheinungen selbst. Was ersteren Punkt,
die Struktur der quellenden Stoffe, anlangt, so wissen wir, dass viele
derselben sich aus Massen von gegenseitig mehr oder weniger inniger
Cohäsion zusammensetzen; wir erinnern hier nur an die Gewebe
des thierischen Körpers, welche eine Zusammenhäufung gleicharti-
ger oder ungleichartiger Formelemente darstellen; die Verbindung
der einzelnen Formelemente miteinander ist eine so lockere, dass man
an die Gegenwart gröblicher sogenannter physikalischer Poren zwi-
schen ihnen denken darf, während die zu einem der Formelemente
zusammengeordneten Molekeln sich so innig verbinden, dass, wenn
man hier überhaupt Poren statuiren will, sie nur als intermoleküläre
bestehen können. Die Flüssigkeit dringt nun aber thatsächlich sowohl
in den Raum zwischen die Formelemente als auch in diese selbst.
In Uebereinstimmung mit dieser Betrachtung finden wir nun, dass
die eingedrungene Flüssigkeit theilweise mit Leichtigkeit durch Zu-
sammenpressen des gequollenen Stoffes zum Ausfliessen gebracht
werden kann, während ein anderer Theil derselben den kräftigsten
Druckwirkungen widersteht; ferner dass bei dem normalen Siede-
punkt der Flüssigkeit ein Theil mit Leichtigkeit in Dampf verwan-
delt werden kann, während ein anderer erst bei höheren Temperaturen
Dampfform annimmt.

Die Umstände, welche überhaupt Einfluss auf die Quellung üben,
sind: a) die Verwandtschaft der Flüssigkeit zu den festen Stoffen;
diese sehen wir ausgeprägt durch die Fähigkeit der trockenen Stoffe,
die Dämpfe der Flüssigkeiten, von welchen sie imbibirt werden, in
flüssiger Form in sich niederzuschlagen; oder mit einem Wort durch
die hygroskopischen Eigenschaften der quellungsfähigen Stoffe, und
weiter durch die Steigerung des Siedepunktes der aufgenommenen
Flüssigkeiten (?).

Diese Eigenschaften hat man noch nicht als Maass zur Feststellung einer Ver-
wandtschaftsscala angewendet. Ein anderes Maass, welches Liebig hierzu benutzt
hat, ist das Quellungsmaximum und die Quecksilberhöhen, welche nöthig sind, um
die Filtration der Flüssigkeit durch dünne Stücke von bekannter Dicke einzuleiten.
Inwiefern hieraus ein solches gewonnen werden kann, ist aber vollkommen unklar
und es dürften darum, so lange die Beziehung des Filtrationsdruckes und des Quel-

Quellung.
schliessen dürfen, dass hier wie dort die Erscheinung durch eine An-
einanderlagerung der unveränderten Theilchen des festen und flüssi-
gen Stoffes geschehe. So sehr wir uns nun auch über die beson-
dere Art der Zusammenlagerung im Unklaren befinden, so dürfen
wir doch behaupten, dass in den meisten der aufgequollenen Stoffe
die eingesogene Flüssigkeit zum Theil in weiteren Poren, welche
zwischen mehr oder weniger grossen Haufen von Molekeln vorhan-
den sind, sich eingelagert finde, zum Theil aber zwischen den Mole-
keln selbst gebettet sei. Diese Annahme einer solchen Lagenver-
schiedenheit gründet sich ebensowohl auf die Struktur der festen
Stoffe als auf die Quellungserscheinungen selbst. Was ersteren Punkt,
die Struktur der quellenden Stoffe, anlangt, so wissen wir, dass viele
derselben sich aus Massen von gegenseitig mehr oder weniger inniger
Cohäsion zusammensetzen; wir erinnern hier nur an die Gewebe
des thierischen Körpers, welche eine Zusammenhäufung gleicharti-
ger oder ungleichartiger Formelemente darstellen; die Verbindung
der einzelnen Formelemente miteinander ist eine so lockere, dass man
an die Gegenwart gröblicher sogenannter physikalischer Poren zwi-
schen ihnen denken darf, während die zu einem der Formelemente
zusammengeordneten Molekeln sich so innig verbinden, dass, wenn
man hier überhaupt Poren statuiren will, sie nur als intermoleküläre
bestehen können. Die Flüssigkeit dringt nun aber thatsächlich sowohl
in den Raum zwischen die Formelemente als auch in diese selbst.
In Uebereinstimmung mit dieser Betrachtung finden wir nun, dass
die eingedrungene Flüssigkeit theilweise mit Leichtigkeit durch Zu-
sammenpressen des gequollenen Stoffes zum Ausfliessen gebracht
werden kann, während ein anderer Theil derselben den kräftigsten
Druckwirkungen widersteht; ferner dass bei dem normalen Siede-
punkt der Flüssigkeit ein Theil mit Leichtigkeit in Dampf verwan-
delt werden kann, während ein anderer erst bei höheren Temperaturen
Dampfform annimmt.

Die Umstände, welche überhaupt Einfluss auf die Quellung üben,
sind: a) die Verwandtschaft der Flüssigkeit zu den festen Stoffen;
diese sehen wir ausgeprägt durch die Fähigkeit der trockenen Stoffe,
die Dämpfe der Flüssigkeiten, von welchen sie imbibirt werden, in
flüssiger Form in sich niederzuschlagen; oder mit einem Wort durch
die hygroskopischen Eigenschaften der quellungsfähigen Stoffe, und
weiter durch die Steigerung des Siedepunktes der aufgenommenen
Flüssigkeiten (?).

Diese Eigenschaften hat man noch nicht als Maass zur Feststellung einer Ver-
wandtschaftsscala angewendet. Ein anderes Maass, welches Liebig hierzu benutzt
hat, ist das Quellungsmaximum und die Quecksilberhöhen, welche nöthig sind, um
die Filtration der Flüssigkeit durch dünne Stücke von bekannter Dicke einzuleiten.
Inwiefern hieraus ein solches gewonnen werden kann, ist aber vollkommen unklar
und es dürften darum, so lange die Beziehung des Filtrationsdruckes und des Quel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="60"/><fw place="top" type="header">Quellung.</fw><lb/>
schliessen dürfen, dass hier wie dort die Erscheinung durch eine An-<lb/>
einanderlagerung der unveränderten Theilchen des festen und flüssi-<lb/>
gen Stoffes geschehe. So sehr wir uns nun auch über die beson-<lb/>
dere Art der Zusammenlagerung im Unklaren befinden, so dürfen<lb/>
wir doch behaupten, dass in den meisten der aufgequollenen Stoffe<lb/>
die eingesogene Flüssigkeit zum Theil in weiteren Poren, welche<lb/>
zwischen mehr oder weniger grossen Haufen von Molekeln vorhan-<lb/>
den sind, sich eingelagert finde, zum Theil aber zwischen den Mole-<lb/>
keln selbst gebettet sei. Diese Annahme einer solchen Lagenver-<lb/>
schiedenheit gründet sich ebensowohl auf die Struktur der festen<lb/>
Stoffe als auf die Quellungserscheinungen selbst. Was ersteren Punkt,<lb/>
die Struktur der quellenden Stoffe, anlangt, so wissen wir, dass viele<lb/>
derselben sich aus Massen von gegenseitig mehr oder weniger inniger<lb/>
Cohäsion zusammensetzen; wir erinnern hier nur an die Gewebe<lb/>
des thierischen Körpers, welche eine Zusammenhäufung gleicharti-<lb/>
ger oder ungleichartiger Formelemente darstellen; die Verbindung<lb/>
der einzelnen Formelemente miteinander ist eine so lockere, dass man<lb/>
an die Gegenwart gröblicher sogenannter physikalischer Poren zwi-<lb/>
schen ihnen denken darf, während die zu einem der Formelemente<lb/>
zusammengeordneten Molekeln sich so innig verbinden, dass, wenn<lb/>
man hier überhaupt Poren statuiren will, sie nur als intermoleküläre<lb/>
bestehen können. Die Flüssigkeit dringt nun aber thatsächlich sowohl<lb/>
in den Raum zwischen die Formelemente als auch in diese selbst.<lb/>
In Uebereinstimmung mit dieser Betrachtung finden wir nun, dass<lb/>
die eingedrungene Flüssigkeit theilweise mit Leichtigkeit durch Zu-<lb/>
sammenpressen des gequollenen Stoffes zum Ausfliessen gebracht<lb/>
werden kann, während ein anderer Theil derselben den kräftigsten<lb/>
Druckwirkungen widersteht; ferner dass bei dem normalen Siede-<lb/>
punkt der Flüssigkeit ein Theil mit Leichtigkeit in Dampf verwan-<lb/>
delt werden kann, während ein anderer erst bei höheren Temperaturen<lb/>
Dampfform annimmt.</p><lb/>
        <p>Die Umstände, welche überhaupt Einfluss auf die Quellung üben,<lb/>
sind: a) die Verwandtschaft der Flüssigkeit zu den festen Stoffen;<lb/>
diese sehen wir ausgeprägt durch die Fähigkeit der trockenen Stoffe,<lb/>
die Dämpfe der Flüssigkeiten, von welchen sie imbibirt werden, in<lb/>
flüssiger Form in sich niederzuschlagen; oder mit einem Wort durch<lb/>
die hygroskopischen Eigenschaften der quellungsfähigen Stoffe, und<lb/>
weiter durch die Steigerung des Siedepunktes der aufgenommenen<lb/>
Flüssigkeiten (?).</p><lb/>
        <p>Diese Eigenschaften hat man noch nicht als Maass zur Feststellung einer Ver-<lb/>
wandtschaftsscala angewendet. Ein anderes Maass, welches <hi rendition="#g">Liebig</hi> hierzu benutzt<lb/>
hat, ist das Quellungsmaximum und die Quecksilberhöhen, welche nöthig sind, um<lb/>
die Filtration der Flüssigkeit durch dünne Stücke von bekannter Dicke einzuleiten.<lb/>
Inwiefern hieraus ein solches gewonnen werden kann, ist aber vollkommen unklar<lb/>
und es dürften darum, so lange die Beziehung des Filtrationsdruckes und des Quel-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0074] Quellung. schliessen dürfen, dass hier wie dort die Erscheinung durch eine An- einanderlagerung der unveränderten Theilchen des festen und flüssi- gen Stoffes geschehe. So sehr wir uns nun auch über die beson- dere Art der Zusammenlagerung im Unklaren befinden, so dürfen wir doch behaupten, dass in den meisten der aufgequollenen Stoffe die eingesogene Flüssigkeit zum Theil in weiteren Poren, welche zwischen mehr oder weniger grossen Haufen von Molekeln vorhan- den sind, sich eingelagert finde, zum Theil aber zwischen den Mole- keln selbst gebettet sei. Diese Annahme einer solchen Lagenver- schiedenheit gründet sich ebensowohl auf die Struktur der festen Stoffe als auf die Quellungserscheinungen selbst. Was ersteren Punkt, die Struktur der quellenden Stoffe, anlangt, so wissen wir, dass viele derselben sich aus Massen von gegenseitig mehr oder weniger inniger Cohäsion zusammensetzen; wir erinnern hier nur an die Gewebe des thierischen Körpers, welche eine Zusammenhäufung gleicharti- ger oder ungleichartiger Formelemente darstellen; die Verbindung der einzelnen Formelemente miteinander ist eine so lockere, dass man an die Gegenwart gröblicher sogenannter physikalischer Poren zwi- schen ihnen denken darf, während die zu einem der Formelemente zusammengeordneten Molekeln sich so innig verbinden, dass, wenn man hier überhaupt Poren statuiren will, sie nur als intermoleküläre bestehen können. Die Flüssigkeit dringt nun aber thatsächlich sowohl in den Raum zwischen die Formelemente als auch in diese selbst. In Uebereinstimmung mit dieser Betrachtung finden wir nun, dass die eingedrungene Flüssigkeit theilweise mit Leichtigkeit durch Zu- sammenpressen des gequollenen Stoffes zum Ausfliessen gebracht werden kann, während ein anderer Theil derselben den kräftigsten Druckwirkungen widersteht; ferner dass bei dem normalen Siede- punkt der Flüssigkeit ein Theil mit Leichtigkeit in Dampf verwan- delt werden kann, während ein anderer erst bei höheren Temperaturen Dampfform annimmt. Die Umstände, welche überhaupt Einfluss auf die Quellung üben, sind: a) die Verwandtschaft der Flüssigkeit zu den festen Stoffen; diese sehen wir ausgeprägt durch die Fähigkeit der trockenen Stoffe, die Dämpfe der Flüssigkeiten, von welchen sie imbibirt werden, in flüssiger Form in sich niederzuschlagen; oder mit einem Wort durch die hygroskopischen Eigenschaften der quellungsfähigen Stoffe, und weiter durch die Steigerung des Siedepunktes der aufgenommenen Flüssigkeiten (?). Diese Eigenschaften hat man noch nicht als Maass zur Feststellung einer Ver- wandtschaftsscala angewendet. Ein anderes Maass, welches Liebig hierzu benutzt hat, ist das Quellungsmaximum und die Quecksilberhöhen, welche nöthig sind, um die Filtration der Flüssigkeit durch dünne Stücke von bekannter Dicke einzuleiten. Inwiefern hieraus ein solches gewonnen werden kann, ist aber vollkommen unklar und es dürften darum, so lange die Beziehung des Filtrationsdruckes und des Quel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/74
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/74>, abgerufen am 23.11.2024.