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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Motorische Nerven der Stimmwerkzeuge.
folgende bemerkenswerthe Eigenschaften vor den gewöhnlichen Zun-
genpfeifen aus. -- a. Die schwingende Platte ist keine metallene, son-
dern eine elastische Membran; weil diese im normalen (ungespann-
ten) Zustand einen niedrigen Elastizitätscoeffizienten besitzt, bei Aus-
dehnungen aber die Spannungen zwischen den Molekeln der Membran
sehr rasch wachsen, so ist es möglich Schwingungen von sehr ver-
schiedener Dauer in ihr zu erregen, ohne dass die Länge der Membran
beträchtlichen Wechsel bedürfte. -- b. Das Stimmorgan besitzt verschie-
dene Mittel zur Veränderung der Tonhöhe, wodurch ihm ein akustisches
Ausgleichungsvermögen in einem Grade und einer Ausdehnung zu-
kommt, wie es keinem andern Zungeninstrumente eigen ist. Viele In-
strumente zeigen bekanntlich die Eigenthümlichkeit beim starken An-
spruch (heftigem Blasen oder Streichen) einen Ton von grösserer
Höhe zu geben, als bei schwachem Anspruche. Dieser Uebelstand der
das Anschwellen eines und desselben Tones vom piano zum forte un-
möglich macht, kann durch verschiedene Mittel ausgeglichen (compen-
sirt) werden. -- In der That gelingt nach W. Webers Vorschriften auch
die Compensation an Zungenpfeifen aber nur dann, wenn man die Zun-
genpfeife für einen einzigen Ton einrichtet; hieraus folgt aber die wei-
tere Störung, dass ein Instrument aus gerade so viel Röhren zusammen-
gesetzt sein muss, als es Töne erzeugen soll *). -- Einer viel grösseren
Vollkommenheit der Compensation erfreut sich nun das Stimmorgan,
indem es innerhalb weiter Grenzen durch stetige Correktur zweier
spannender Einflüsse jede Tonhöhe bei jeder Luftstärke erzeugt. Die
Einflüsse, welche hier compensirend auftreten sind die Stärke des
Luftstosses und die Grösse der Muskelcontraktion, in der Art, dass
wenn ein Ton allmälig stärker oder allmalig schwächer angegeben wer-
den soll, die Muskeln in ihrer Contraktion allmälig steigen oder nachlas-
sen, so dass in diesem Fall durch die Muskeln und durch Anblasen
gleichzeitig eine Spannungsänderung erwirkt wird, die von gleichem
Werth ist, aber im umgekehrten Sinn liegt. -- Alle Töne mit Ausnahme
der tiefsten und höchsten können unter den Einflüssen dieser compen-
sirenden Mittel ab- und anschwellen.

10. Motorische Nerven der Stimmwerkzeuge, Reflexe auf die-
selben **).

Die Muskeln des Stimmapparats sind, wie aus dem Vorhergehen-
den erhellt, sehr zahlreich und auf mannigfache Weise an unserem
Körper vertheilt. Ein grosser Theil derselben, wenn nicht alle, sind

*) Bindseil. l c. p. 222 u. 481.
**) Th. Bischoff; commentatio de nervi accessor. Willisii etc. Darmstadt 1832. -- Volkmann,
Artikel Nervenphysiologie. Wagners Handwörterbuch II. Bd. p. 585 u. 589. -- Donders u.
Moleschott
in Henles Zeitschrift f. rat. Med. IV. Bd. 219. -- Bernard, Archiv general. 1844
und im ausführlichen Auszug in Valentins Jahresbericht Jahrg. 1845. 217. -- Longet,
Recherches experim. sur les fonct. etc. Gazette med. 1841 und in dessen Traite de physiol.
l. c. 147.

Motorische Nerven der Stimmwerkzeuge.
folgende bemerkenswerthe Eigenschaften vor den gewöhnlichen Zun-
genpfeifen aus. — a. Die schwingende Platte ist keine metallene, son-
dern eine elastische Membran; weil diese im normalen (ungespann-
ten) Zustand einen niedrigen Elastizitätscoeffizienten besitzt, bei Aus-
dehnungen aber die Spannungen zwischen den Molekeln der Membran
sehr rasch wachsen, so ist es möglich Schwingungen von sehr ver-
schiedener Dauer in ihr zu erregen, ohne dass die Länge der Membran
beträchtlichen Wechsel bedürfte. — b. Das Stimmorgan besitzt verschie-
dene Mittel zur Veränderung der Tonhöhe, wodurch ihm ein akustisches
Ausgleichungsvermögen in einem Grade und einer Ausdehnung zu-
kommt, wie es keinem andern Zungeninstrumente eigen ist. Viele In-
strumente zeigen bekanntlich die Eigenthümlichkeit beim starken An-
spruch (heftigem Blasen oder Streichen) einen Ton von grösserer
Höhe zu geben, als bei schwachem Anspruche. Dieser Uebelstand der
das Anschwellen eines und desselben Tones vom piano zum forte un-
möglich macht, kann durch verschiedene Mittel ausgeglichen (compen-
sirt) werden. — In der That gelingt nach W. Webers Vorschriften auch
die Compensation an Zungenpfeifen aber nur dann, wenn man die Zun-
genpfeife für einen einzigen Ton einrichtet; hieraus folgt aber die wei-
tere Störung, dass ein Instrument aus gerade so viel Röhren zusammen-
gesetzt sein muss, als es Töne erzeugen soll *). — Einer viel grösseren
Vollkommenheit der Compensation erfreut sich nun das Stimmorgan,
indem es innerhalb weiter Grenzen durch stetige Correktur zweier
spannender Einflüsse jede Tonhöhe bei jeder Luftstärke erzeugt. Die
Einflüsse, welche hier compensirend auftreten sind die Stärke des
Luftstosses und die Grösse der Muskelcontraktion, in der Art, dass
wenn ein Ton allmälig stärker oder allmalig schwächer angegeben wer-
den soll, die Muskeln in ihrer Contraktion allmälig steigen oder nachlas-
sen, so dass in diesem Fall durch die Muskeln und durch Anblasen
gleichzeitig eine Spannungsänderung erwirkt wird, die von gleichem
Werth ist, aber im umgekehrten Sinn liegt. — Alle Töne mit Ausnahme
der tiefsten und höchsten können unter den Einflüssen dieser compen-
sirenden Mittel ab- und anschwellen.

10. Motorische Nerven der Stimmwerkzeuge, Reflexe auf die-
selben **).

Die Muskeln des Stimmapparats sind, wie aus dem Vorhergehen-
den erhellt, sehr zahlreich und auf mannigfache Weise an unserem
Körper vertheilt. Ein grosser Theil derselben, wenn nicht alle, sind

*) Bindseil. l c. p. 222 u. 481.
**) Th. Bischoff; commentatio de nervi accessor. Willisii etc. Darmstadt 1832. — Volkmann,
Artikel Nervenphysiologie. Wagners Handwörterbuch II. Bd. p. 585 u. 589. — Donders u.
Moleschott
in Henles Zeitschrift f. rat. Med. IV. Bd. 219. — Bernard, Archiv general. 1844
und im ausführlichen Auszug in Valentins Jahresbericht Jahrg. 1845. 217. — Longet,
Recherches experim. sur les fonct. etc. Gazette med. 1841 und in dessen Traité de physiol.
l. c. 147.
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[432/0446] Motorische Nerven der Stimmwerkzeuge. folgende bemerkenswerthe Eigenschaften vor den gewöhnlichen Zun- genpfeifen aus. — a. Die schwingende Platte ist keine metallene, son- dern eine elastische Membran; weil diese im normalen (ungespann- ten) Zustand einen niedrigen Elastizitätscoeffizienten besitzt, bei Aus- dehnungen aber die Spannungen zwischen den Molekeln der Membran sehr rasch wachsen, so ist es möglich Schwingungen von sehr ver- schiedener Dauer in ihr zu erregen, ohne dass die Länge der Membran beträchtlichen Wechsel bedürfte. — b. Das Stimmorgan besitzt verschie- dene Mittel zur Veränderung der Tonhöhe, wodurch ihm ein akustisches Ausgleichungsvermögen in einem Grade und einer Ausdehnung zu- kommt, wie es keinem andern Zungeninstrumente eigen ist. Viele In- strumente zeigen bekanntlich die Eigenthümlichkeit beim starken An- spruch (heftigem Blasen oder Streichen) einen Ton von grösserer Höhe zu geben, als bei schwachem Anspruche. Dieser Uebelstand der das Anschwellen eines und desselben Tones vom piano zum forte un- möglich macht, kann durch verschiedene Mittel ausgeglichen (compen- sirt) werden. — In der That gelingt nach W. Webers Vorschriften auch die Compensation an Zungenpfeifen aber nur dann, wenn man die Zun- genpfeife für einen einzigen Ton einrichtet; hieraus folgt aber die wei- tere Störung, dass ein Instrument aus gerade so viel Röhren zusammen- gesetzt sein muss, als es Töne erzeugen soll *). — Einer viel grösseren Vollkommenheit der Compensation erfreut sich nun das Stimmorgan, indem es innerhalb weiter Grenzen durch stetige Correktur zweier spannender Einflüsse jede Tonhöhe bei jeder Luftstärke erzeugt. Die Einflüsse, welche hier compensirend auftreten sind die Stärke des Luftstosses und die Grösse der Muskelcontraktion, in der Art, dass wenn ein Ton allmälig stärker oder allmalig schwächer angegeben wer- den soll, die Muskeln in ihrer Contraktion allmälig steigen oder nachlas- sen, so dass in diesem Fall durch die Muskeln und durch Anblasen gleichzeitig eine Spannungsänderung erwirkt wird, die von gleichem Werth ist, aber im umgekehrten Sinn liegt. — Alle Töne mit Ausnahme der tiefsten und höchsten können unter den Einflüssen dieser compen- sirenden Mittel ab- und anschwellen. 10. Motorische Nerven der Stimmwerkzeuge, Reflexe auf die- selben **). Die Muskeln des Stimmapparats sind, wie aus dem Vorhergehen- den erhellt, sehr zahlreich und auf mannigfache Weise an unserem Körper vertheilt. Ein grosser Theil derselben, wenn nicht alle, sind *) Bindseil. l c. p. 222 u. 481. **) Th. Bischoff; commentatio de nervi accessor. Willisii etc. Darmstadt 1832. — Volkmann, Artikel Nervenphysiologie. Wagners Handwörterbuch II. Bd. p. 585 u. 589. — Donders u. Moleschott in Henles Zeitschrift f. rat. Med. IV. Bd. 219. — Bernard, Archiv general. 1844 und im ausführlichen Auszug in Valentins Jahresbericht Jahrg. 1845. 217. — Longet, Recherches experim. sur les fonct. etc. Gazette med. 1841 und in dessen Traité de physiol. l. c. 147.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/446>, abgerufen am 25.11.2024.