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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Theorie der Stimme.
der Stosskraft vermindert, da in der bezeichneten Stellung sich die
Oeffnung der Stimmritze vergrösserte, womit sich auch die Span-
nung der Luft, in Folge des erleichterten Ausströmens verringert. Die
gespannte Stimmhaut wird demnach keinen entsprechenden Widerhalt
mehr von Seiten des Luftstroms finden und in Folge dessen sich wie-
der zurück gegen ihre ursprüngliche Lage hin bewegen; je mehr sie
sich aber derselben nähert, um so günstiger wird sie sich wieder für
den Empfang des Stosses stellen und um so mehr wird sie auch wie-
der die strömende Luft hemmen und spannen, so dass endlich wie-
der die sich entgegenwirkenden Stösse der Elastizität und des Luft-
druckes das Gleichgewicht halten; da nun aber in dieser neuen
Lage die Stimmhaut keine elastische Spannung mehr besitzt, so wird
sie von Neuem durch den Luftstrom gegen den ventric. Morgagni ge-
führt werden u. s. w. -- Diese schwingende Bewegung der Stimm-
bänder führt nun eine abwechselnde Hemmung und Beschleunigung
in den Luftstrom, der aus der Trachea in den ventriculus Morgagni
dringt. Da aber dieser Luftstrom innerhalb des Kehlkopfs und ebenso
über und unter ihm von mannigfach vorspringenden Wandungen um-
schlossen ist, so theilt er seine Stösse letztern mit, und da die Wan-
dungen aus elastischen Stoffen gebildet sind, so werden sie durch
diese Stösse in Schwingungen gerathen, welche die Periode der
schwingenden Stimmritzenbänder einhalten. Die Bewegung, die im
ersten Moment die Stimmritzenbänder allein ausführten, verbreitet sich
somit alsbald auf den gesammten Kehlkopf, Luftröhre und Lungen-
wandung und dann wird auf gleichmässige Weise der ganze Luftinhalt
dieser Gebilde erschüttert. Somit wird also im Allgemeinen nicht allein
ersichtlich, dass der aus der Trachea dringende Luftstrom, eine be-
stimmte Stellung der Stimmritzenbänder vorausgesetzt, tönen muss,
sondern dass er wegen vielfacher Resonnanz auch kräftig tönen muss.

Aber nur bis zu diesen Ableitungen, und nicht weiter führen uns
die Thatsachen mit Sicherheit, und darum beginnt auch jenseits der-
selben sogleich die Controverse. -- Diese erstreckt sich zunächst
darauf, von welchen besondern Bedingungen die Tonhöhe oder die
Zahl der Schwingungen in der Zeiteinheit abhängig sei. Eine An-
nahme, welche Joh. Müller vertritt, behauptet, dass sich der Luft-
strom den Stimmbändern gegenüber verhalte, wie der Bogen gegen-
über den Saiten eines Streichinstruments. Nach ihm ist nämlich die
Zahl der Schwingungen einzig abhängig von dem Spannungsgrade der
Bänder, so dass wenn dieser letztere unverändert bliebe, sich auch
der Ton gleichbleiben würde, möchte die Stärke des Luftstroms auch
noch so grossen Schwankungen unterworfen sein. -- Dieser Behaup-
tung traten früher Liscovius, bevor er sich zu der Müller'schen
Ansicht bekehrte und neuerlichst Longet und Masson mit einer an-
dern entgegen; den wesentlichen Bestimmungsgrund der Tonhöhe

Theorie der Stimme.
der Stosskraft vermindert, da in der bezeichneten Stellung sich die
Oeffnung der Stimmritze vergrösserte, womit sich auch die Span-
nung der Luft, in Folge des erleichterten Ausströmens verringert. Die
gespannte Stimmhaut wird demnach keinen entsprechenden Widerhalt
mehr von Seiten des Luftstroms finden und in Folge dessen sich wie-
der zurück gegen ihre ursprüngliche Lage hin bewegen; je mehr sie
sich aber derselben nähert, um so günstiger wird sie sich wieder für
den Empfang des Stosses stellen und um so mehr wird sie auch wie-
der die strömende Luft hemmen und spannen, so dass endlich wie-
der die sich entgegenwirkenden Stösse der Elastizität und des Luft-
druckes das Gleichgewicht halten; da nun aber in dieser neuen
Lage die Stimmhaut keine elastische Spannung mehr besitzt, so wird
sie von Neuem durch den Luftstrom gegen den ventric. Morgagni ge-
führt werden u. s. w. — Diese schwingende Bewegung der Stimm-
bänder führt nun eine abwechselnde Hemmung und Beschleunigung
in den Luftstrom, der aus der Trachea in den ventriculus Morgagni
dringt. Da aber dieser Luftstrom innerhalb des Kehlkopfs und ebenso
über und unter ihm von mannigfach vorspringenden Wandungen um-
schlossen ist, so theilt er seine Stösse letztern mit, und da die Wan-
dungen aus elastischen Stoffen gebildet sind, so werden sie durch
diese Stösse in Schwingungen gerathen, welche die Periode der
schwingenden Stimmritzenbänder einhalten. Die Bewegung, die im
ersten Moment die Stimmritzenbänder allein ausführten, verbreitet sich
somit alsbald auf den gesammten Kehlkopf, Luftröhre und Lungen-
wandung und dann wird auf gleichmässige Weise der ganze Luftinhalt
dieser Gebilde erschüttert. Somit wird also im Allgemeinen nicht allein
ersichtlich, dass der aus der Trachea dringende Luftstrom, eine be-
stimmte Stellung der Stimmritzenbänder vorausgesetzt, tönen muss,
sondern dass er wegen vielfacher Resonnanz auch kräftig tönen muss.

Aber nur bis zu diesen Ableitungen, und nicht weiter führen uns
die Thatsachen mit Sicherheit, und darum beginnt auch jenseits der-
selben sogleich die Controverse. — Diese erstreckt sich zunächst
darauf, von welchen besondern Bedingungen die Tonhöhe oder die
Zahl der Schwingungen in der Zeiteinheit abhängig sei. Eine An-
nahme, welche Joh. Müller vertritt, behauptet, dass sich der Luft-
strom den Stimmbändern gegenüber verhalte, wie der Bogen gegen-
über den Saiten eines Streichinstruments. Nach ihm ist nämlich die
Zahl der Schwingungen einzig abhängig von dem Spannungsgrade der
Bänder, so dass wenn dieser letztere unverändert bliebe, sich auch
der Ton gleichbleiben würde, möchte die Stärke des Luftstroms auch
noch so grossen Schwankungen unterworfen sein. — Dieser Behaup-
tung traten früher Liscovius, bevor er sich zu der Müller’schen
Ansicht bekehrte und neuerlichst Longet und Masson mit einer an-
dern entgegen; den wesentlichen Bestimmungsgrund der Tonhöhe

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[427/0441] Theorie der Stimme. der Stosskraft vermindert, da in der bezeichneten Stellung sich die Oeffnung der Stimmritze vergrösserte, womit sich auch die Span- nung der Luft, in Folge des erleichterten Ausströmens verringert. Die gespannte Stimmhaut wird demnach keinen entsprechenden Widerhalt mehr von Seiten des Luftstroms finden und in Folge dessen sich wie- der zurück gegen ihre ursprüngliche Lage hin bewegen; je mehr sie sich aber derselben nähert, um so günstiger wird sie sich wieder für den Empfang des Stosses stellen und um so mehr wird sie auch wie- der die strömende Luft hemmen und spannen, so dass endlich wie- der die sich entgegenwirkenden Stösse der Elastizität und des Luft- druckes das Gleichgewicht halten; da nun aber in dieser neuen Lage die Stimmhaut keine elastische Spannung mehr besitzt, so wird sie von Neuem durch den Luftstrom gegen den ventric. Morgagni ge- führt werden u. s. w. — Diese schwingende Bewegung der Stimm- bänder führt nun eine abwechselnde Hemmung und Beschleunigung in den Luftstrom, der aus der Trachea in den ventriculus Morgagni dringt. Da aber dieser Luftstrom innerhalb des Kehlkopfs und ebenso über und unter ihm von mannigfach vorspringenden Wandungen um- schlossen ist, so theilt er seine Stösse letztern mit, und da die Wan- dungen aus elastischen Stoffen gebildet sind, so werden sie durch diese Stösse in Schwingungen gerathen, welche die Periode der schwingenden Stimmritzenbänder einhalten. Die Bewegung, die im ersten Moment die Stimmritzenbänder allein ausführten, verbreitet sich somit alsbald auf den gesammten Kehlkopf, Luftröhre und Lungen- wandung und dann wird auf gleichmässige Weise der ganze Luftinhalt dieser Gebilde erschüttert. Somit wird also im Allgemeinen nicht allein ersichtlich, dass der aus der Trachea dringende Luftstrom, eine be- stimmte Stellung der Stimmritzenbänder vorausgesetzt, tönen muss, sondern dass er wegen vielfacher Resonnanz auch kräftig tönen muss. Aber nur bis zu diesen Ableitungen, und nicht weiter führen uns die Thatsachen mit Sicherheit, und darum beginnt auch jenseits der- selben sogleich die Controverse. — Diese erstreckt sich zunächst darauf, von welchen besondern Bedingungen die Tonhöhe oder die Zahl der Schwingungen in der Zeiteinheit abhängig sei. Eine An- nahme, welche Joh. Müller vertritt, behauptet, dass sich der Luft- strom den Stimmbändern gegenüber verhalte, wie der Bogen gegen- über den Saiten eines Streichinstruments. Nach ihm ist nämlich die Zahl der Schwingungen einzig abhängig von dem Spannungsgrade der Bänder, so dass wenn dieser letztere unverändert bliebe, sich auch der Ton gleichbleiben würde, möchte die Stärke des Luftstroms auch noch so grossen Schwankungen unterworfen sein. — Dieser Behaup- tung traten früher Liscovius, bevor er sich zu der Müller’schen Ansicht bekehrte und neuerlichst Longet und Masson mit einer an- dern entgegen; den wesentlichen Bestimmungsgrund der Tonhöhe

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/441>, abgerufen am 25.11.2024.