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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Regeln für die Zusammenfassung der Muskeln.
Längen beider Hebelarme besitzen. -- b. Wenn Muskeln mehr als
ein Gelenk überspringen, so dass in der Verkürzung ihre beiden An-
satzpunkte sich einander beträchtlich nähern werden, so sind sie
sehr lang genommen, während ihre Sehne sehr kurz ist, so dass sie
in der That eine beträchtliche Verkürzung zu ertragen im Stande sind.
-- Ed. Weber *) der zuerst die Längenverhältnisse der Muskeln mit
Rücksicht auf ihre mögliche Verkürzung in Betracht gezogen hat, gibt
an, dass im Mittel am menschlichen Skelet der Längenunterschied der
rothen Fasern zwischen möglichster Verkürzung und möglichster Ver-
längerung sich zu der grössten Länge derselben verhalte = 47 : 100.

Die möglichst grösste und geringste Länge misst Ed. Weber durch den Ab-
stand der Ansatzpunkte des Muskelfleisches am präparirten Muskel, nachdem er das
zugehörige Glied in die am meisten erschlaffenden und spannenden Grenzstellungen
gebracht, welche im Leben ausführbar sind. Da ein Muskel immer aus Röhren von
sehr verschiedener Länge besteht, so bestimmte er jedesmal die längste und kürzeste
Faser desselben. -- An einem Körper, dessen Muskeln er sämmtlich in der bezeich-
neten Weise durchmass, schwankten die Maasse vom kürzesten zum längsten Muskel
von 5 bis zu 453 MM. Die längsten Fasern enthalten die Muskeln, welche sich zu-
gleich über zwei sehr bewegliche Gelenke spannen; und im Mittel sind die Muskeln
der Extremitäten länger als die des Rumpfes. Bei einer Vergleichung des Längenunter-
schiedes der Muskeln in der grössten Ausdehnung und grössten Verkürzung mit ihrer
grössten Länge ergab sich, dass die Verhältnisszahl weitaus in den meisten Fällen
dem angegebenen Mittel sehr nahe kam; jedoch gab es auch Abweichungen, indem die
kürzesten Fasern des m. brachialis internus die Verhältnisszahl 100 : 40 und die des
m. biceps femoris, semimembranosus und semitendinosus nur 100 : 80 gaben; diese
letzten Muskeln stehen jedoch mit ihrer grossen proportionalen Verkürzung sehr ver-
einzelt da. Ed. Weber behauptet auch nach seinen Messungen, dass wenn sich ein
Muskel aus verschieden langen Röhren zusammensetze, dennoch zwischen der
Grösse seiner Verkürzung und der grössten Länge das bezeichnete Verhältniss von
100 : 47 bestehe.

6. Ueber die Zusammenfassung der Muskelprimitivtheile zu Mus-
keln. -- Eine Frage von eigenthümlichem Interesse ist weiterhin die,
welche mechanische Principien bei der Zusammenordnung der Mus-
kelröhren zu Muskeln befolgt seien. Auf den ersten Blick scheint
mit Rücksicht hierauf ohne bestimmte Regeln verfahren zu sein, in-
dem bald Muskelröhren von sehr verschiedener Richtung, wie an den mm.
deltoideus, cucullaris, glutaeus medius u. s. w. in eine Sehne zusam-
menlaufen, während ein anderes Mal Muskelröhren gleicher Richtung
wie z. B. im mm. biceps brachii, brachialis internus, supinator lon-
gus in den verschiedenen Sehnen am Vorderarm ausmünden. So weit
sich aber schon jetzt ersehen lässt, sind dennoch folgende Regeln festzu-
stellen: a. Wenn gleich gerichtete Muskelröhren in zwei oder mehr Mus-
keln gespalten sind, welche ein und dasselbe Gelenk nach derselben
Richtung ziehen, so ist der eine derselben an einen Kraft- und der andere
an einen Geschwindigkeitshebel befestigt. Da aber nach dem Vorher-

*) Ed. Weber, Ueber die Längenverhältnisse u. s. w. Leipziger Berichte; physisch-mathem.
Classe 1852. 63.

Regeln für die Zusammenfassung der Muskeln.
Längen beider Hebelarme besitzen. — β. Wenn Muskeln mehr als
ein Gelenk überspringen, so dass in der Verkürzung ihre beiden An-
satzpunkte sich einander beträchtlich nähern werden, so sind sie
sehr lang genommen, während ihre Sehne sehr kurz ist, so dass sie
in der That eine beträchtliche Verkürzung zu ertragen im Stande sind.
Ed. Weber *) der zuerst die Längenverhältnisse der Muskeln mit
Rücksicht auf ihre mögliche Verkürzung in Betracht gezogen hat, gibt
an, dass im Mittel am menschlichen Skelet der Längenunterschied der
rothen Fasern zwischen möglichster Verkürzung und möglichster Ver-
längerung sich zu der grössten Länge derselben verhalte = 47 : 100.

Die möglichst grösste und geringste Länge misst Ed. Weber durch den Ab-
stand der Ansatzpunkte des Muskelfleisches am präparirten Muskel, nachdem er das
zugehörige Glied in die am meisten erschlaffenden und spannenden Grenzstellungen
gebracht, welche im Leben ausführbar sind. Da ein Muskel immer aus Röhren von
sehr verschiedener Länge besteht, so bestimmte er jedesmal die längste und kürzeste
Faser desselben. — An einem Körper, dessen Muskeln er sämmtlich in der bezeich-
neten Weise durchmass, schwankten die Maasse vom kürzesten zum längsten Muskel
von 5 bis zu 453 MM. Die längsten Fasern enthalten die Muskeln, welche sich zu-
gleich über zwei sehr bewegliche Gelenke spannen; und im Mittel sind die Muskeln
der Extremitäten länger als die des Rumpfes. Bei einer Vergleichung des Längenunter-
schiedes der Muskeln in der grössten Ausdehnung und grössten Verkürzung mit ihrer
grössten Länge ergab sich, dass die Verhältnisszahl weitaus in den meisten Fällen
dem angegebenen Mittel sehr nahe kam; jedoch gab es auch Abweichungen, indem die
kürzesten Fasern des m. brachialis internus die Verhältnisszahl 100 : 40 und die des
m. biceps femoris, semimembranosus und semitendinosus nur 100 : 80 gaben; diese
letzten Muskeln stehen jedoch mit ihrer grossen proportionalen Verkürzung sehr ver-
einzelt da. Ed. Weber behauptet auch nach seinen Messungen, dass wenn sich ein
Muskel aus verschieden langen Röhren zusammensetze, dennoch zwischen der
Grösse seiner Verkürzung und der grössten Länge das bezeichnete Verhältniss von
100 : 47 bestehe.

6. Ueber die Zusammenfassung der Muskelprimitivtheile zu Mus-
keln. — Eine Frage von eigenthümlichem Interesse ist weiterhin die,
welche mechanische Principien bei der Zusammenordnung der Mus-
kelröhren zu Muskeln befolgt seien. Auf den ersten Blick scheint
mit Rücksicht hierauf ohne bestimmte Regeln verfahren zu sein, in-
dem bald Muskelröhren von sehr verschiedener Richtung, wie an den mm.
deltoideus, cucullaris, glutaeus medius u. s. w. in eine Sehne zusam-
menlaufen, während ein anderes Mal Muskelröhren gleicher Richtung
wie z. B. im mm. biceps brachii, brachialis internus, supinator lon-
gus in den verschiedenen Sehnen am Vorderarm ausmünden. So weit
sich aber schon jetzt ersehen lässt, sind dennoch folgende Regeln festzu-
stellen: a. Wenn gleich gerichtete Muskelröhren in zwei oder mehr Mus-
keln gespalten sind, welche ein und dasselbe Gelenk nach derselben
Richtung ziehen, so ist der eine derselben an einen Kraft- und der andere
an einen Geschwindigkeitshebel befestigt. Da aber nach dem Vorher-

*) Ed. Weber, Ueber die Längenverhältnisse u. s. w. Leipziger Berichte; physisch-mathem.
Classe 1852. 63.
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[397/0411] Regeln für die Zusammenfassung der Muskeln. Längen beider Hebelarme besitzen. — β. Wenn Muskeln mehr als ein Gelenk überspringen, so dass in der Verkürzung ihre beiden An- satzpunkte sich einander beträchtlich nähern werden, so sind sie sehr lang genommen, während ihre Sehne sehr kurz ist, so dass sie in der That eine beträchtliche Verkürzung zu ertragen im Stande sind. — Ed. Weber *) der zuerst die Längenverhältnisse der Muskeln mit Rücksicht auf ihre mögliche Verkürzung in Betracht gezogen hat, gibt an, dass im Mittel am menschlichen Skelet der Längenunterschied der rothen Fasern zwischen möglichster Verkürzung und möglichster Ver- längerung sich zu der grössten Länge derselben verhalte = 47 : 100. Die möglichst grösste und geringste Länge misst Ed. Weber durch den Ab- stand der Ansatzpunkte des Muskelfleisches am präparirten Muskel, nachdem er das zugehörige Glied in die am meisten erschlaffenden und spannenden Grenzstellungen gebracht, welche im Leben ausführbar sind. Da ein Muskel immer aus Röhren von sehr verschiedener Länge besteht, so bestimmte er jedesmal die längste und kürzeste Faser desselben. — An einem Körper, dessen Muskeln er sämmtlich in der bezeich- neten Weise durchmass, schwankten die Maasse vom kürzesten zum längsten Muskel von 5 bis zu 453 MM. Die längsten Fasern enthalten die Muskeln, welche sich zu- gleich über zwei sehr bewegliche Gelenke spannen; und im Mittel sind die Muskeln der Extremitäten länger als die des Rumpfes. Bei einer Vergleichung des Längenunter- schiedes der Muskeln in der grössten Ausdehnung und grössten Verkürzung mit ihrer grössten Länge ergab sich, dass die Verhältnisszahl weitaus in den meisten Fällen dem angegebenen Mittel sehr nahe kam; jedoch gab es auch Abweichungen, indem die kürzesten Fasern des m. brachialis internus die Verhältnisszahl 100 : 40 und die des m. biceps femoris, semimembranosus und semitendinosus nur 100 : 80 gaben; diese letzten Muskeln stehen jedoch mit ihrer grossen proportionalen Verkürzung sehr ver- einzelt da. Ed. Weber behauptet auch nach seinen Messungen, dass wenn sich ein Muskel aus verschieden langen Röhren zusammensetze, dennoch zwischen der Grösse seiner Verkürzung und der grössten Länge das bezeichnete Verhältniss von 100 : 47 bestehe. 6. Ueber die Zusammenfassung der Muskelprimitivtheile zu Mus- keln. — Eine Frage von eigenthümlichem Interesse ist weiterhin die, welche mechanische Principien bei der Zusammenordnung der Mus- kelröhren zu Muskeln befolgt seien. Auf den ersten Blick scheint mit Rücksicht hierauf ohne bestimmte Regeln verfahren zu sein, in- dem bald Muskelröhren von sehr verschiedener Richtung, wie an den mm. deltoideus, cucullaris, glutaeus medius u. s. w. in eine Sehne zusam- menlaufen, während ein anderes Mal Muskelröhren gleicher Richtung wie z. B. im mm. biceps brachii, brachialis internus, supinator lon- gus in den verschiedenen Sehnen am Vorderarm ausmünden. So weit sich aber schon jetzt ersehen lässt, sind dennoch folgende Regeln festzu- stellen: a. Wenn gleich gerichtete Muskelröhren in zwei oder mehr Mus- keln gespalten sind, welche ein und dasselbe Gelenk nach derselben Richtung ziehen, so ist der eine derselben an einen Kraft- und der andere an einen Geschwindigkeitshebel befestigt. Da aber nach dem Vorher- *) Ed. Weber, Ueber die Längenverhältnisse u. s. w. Leipziger Berichte; physisch-mathem. Classe 1852. 63.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/411>, abgerufen am 22.11.2024.