Zusammenziehung des Muskels noch nicht kennen, welches wie wir erfuhren mit dem sog. Müdigkeitsgrade ein sehr veränderliches ist.
Gestaltete sich die Beziehung zwischen der Ausdehnbarkeit des Muskels und dem angehängten Gewichte wie in der Curve 89, d. h. wäre die Ausdehnung immer direkt proportional dem Gewichtszuwachs, so würde die für jeden Werth der Zusam- menziehung erzielbare Leistung leicht abzuleiten sein; denn setzen wir voraus, es betrage die Verkürzung des Muskels ohne Gewichte 4 M. M., die Last aber, welche der Muskel ohne sich zu verkürzen tragen könnte 4 Gr., so würde er bei 3 M. M. Ver- kürzung 1 Gr., bei 2 M. M. Verkürzung 2 Gr., bei 1 M. M. Verkürzung 3 Gr. heben; der Nutzeffekt war also nacheinander 0, 3, 4, 3, 0 Millimetergramme.
Weil nun das Gesetz der mit der Verkürzung wechselnden Nutzeffekte unbe- kannt ist, so hat man sich damit behelfen müssen, als vergleichbaren Werth einen Ausdruck zu wählen, der von der Hubhöhe unabhängig ist, d. h. das Gewicht, wel- ches gerade gross genug ist, um zu verhindern, dass der Muskel, wenn er aus der Ruhe in den Zustand der Erregung tritt, seine Form ändert. -- Siehe die hierzu an- gewendete Verfahrungsarten bei Ed. Weber*). -- Wenn man diesem Ausdruck gemäss die Kraft verschiedener Muskeln untereinander vergleichen will, so muss man die von einem Querschnitt bekannter, aber beliebiger Grösse ausgeführten Leistungen auf die einer Querschnittseinheit zurückführen, was einfach geschehen kann, da offenbar der Nutzeffekt in obengenommenem Sinne geradezu mit dem Querschnitt wächst. -- Nach solchen Bestimmungen war das Kraftmaass für den Quadrat-Centimeter der Menschenmuskeln 1,087 Kilogr. und für den der Frosch- muskeln 0,692 Kilogr. Ed. Weber.
Eine kurze Ueberlegung zeigt uns nun, wie im Allgemeinen der Nutzwerth der Muskeln von ihrer Länge und ihrem Querschnitt abhän- gig sei. Denn offenbar wird das Muskelrohr von gleichem Querschnitt aber von grösserer Länge dasselbe Gewicht absolut höher heben können als das von geringerer Länge, während ein Muskelrohr von grösserem Querschnitt ein beträchtlicheres Gewicht auf gleiche Höhe hebt als ein gleichlanger Muskel von geringerem Querschnitt.
10. Physikalisches Maass der Muskelkraft. Die jenseits der Grenze eines Muskelrohrs oder eines Gesammtmuskels mittheilba- ren Kräfte geben nun noch keineswegs eine Vorstellung von der Grösse der Anziehungen, welche zwischen den wirksamen Theilen innerhalb des Muskels bei der Zusammenziehung frei werden. Dass dieses nicht geschehe, erhellt schon aus den Betrachtungen und That- sachen die mitgetheilt wurden, als von dem zeitlichen Verlauf der Zuckung und den elastischen Eigenschaften der Muskeln die Rede war. Denn dort erwiess es sich dass der verkürzte Zustand des Mus- kels Folge war von zwei nach entgegengesetzten Richtungen wirk- samen Anziehungen, wodurch also offenbar wieder freie Kräfte in gespannte umgesetzt wurden. Dazu ist es noch fraglich, ob die An- ziehungen, welche zwischen den Molekeln wirksam sind in der Rich- tung der Längenachse des Muskelrohrs geschehen, d. h. in derjenigen, in welcher der Nutzeffekt wirkt. Wäre das nicht der Fall, so würde dieser letztere selbst erst wieder eine Resultirende unbekannter Einzel-
*) l. c. p. 86 u. f.
Physikalisches Maas der Muskelkraft.
Zusammenziehung des Muskels noch nicht kennen, welches wie wir erfuhren mit dem sog. Müdigkeitsgrade ein sehr veränderliches ist.
Gestaltete sich die Beziehung zwischen der Ausdehnbarkeit des Muskels und dem angehängten Gewichte wie in der Curve 89, d. h. wäre die Ausdehnung immer direkt proportional dem Gewichtszuwachs, so würde die für jeden Werth der Zusam- menziehung erzielbare Leistung leicht abzuleiten sein; denn setzen wir voraus, es betrage die Verkürzung des Muskels ohne Gewichte 4 M. M., die Last aber, welche der Muskel ohne sich zu verkürzen tragen könnte 4 Gr., so würde er bei 3 M. M. Ver- kürzung 1 Gr., bei 2 M. M. Verkürzung 2 Gr., bei 1 M. M. Verkürzung 3 Gr. heben; der Nutzeffekt war also nacheinander 0, 3, 4, 3, 0 Millimetergramme.
Weil nun das Gesetz der mit der Verkürzung wechselnden Nutzeffekte unbe- kannt ist, so hat man sich damit behelfen müssen, als vergleichbaren Werth einen Ausdruck zu wählen, der von der Hubhöhe unabhängig ist, d. h. das Gewicht, wel- ches gerade gross genug ist, um zu verhindern, dass der Muskel, wenn er aus der Ruhe in den Zustand der Erregung tritt, seine Form ändert. — Siehe die hierzu an- gewendete Verfahrungsarten bei Ed. Weber*). — Wenn man diesem Ausdruck gemäss die Kraft verschiedener Muskeln untereinander vergleichen will, so muss man die von einem Querschnitt bekannter, aber beliebiger Grösse ausgeführten Leistungen auf die einer Querschnittseinheit zurückführen, was einfach geschehen kann, da offenbar der Nutzeffekt in obengenommenem Sinne geradezu mit dem Querschnitt wächst. — Nach solchen Bestimmungen war das Kraftmaass für den Quadrat-Centimeter der Menschenmuskeln 1,087 Kilogr. und für den der Frosch- muskeln 0,692 Kilogr. Ed. Weber.
Eine kurze Ueberlegung zeigt uns nun, wie im Allgemeinen der Nutzwerth der Muskeln von ihrer Länge und ihrem Querschnitt abhän- gig sei. Denn offenbar wird das Muskelrohr von gleichem Querschnitt aber von grösserer Länge dasselbe Gewicht absolut höher heben können als das von geringerer Länge, während ein Muskelrohr von grösserem Querschnitt ein beträchtlicheres Gewicht auf gleiche Höhe hebt als ein gleichlanger Muskel von geringerem Querschnitt.
10. Physikalisches Maass der Muskelkraft. Die jenseits der Grenze eines Muskelrohrs oder eines Gesammtmuskels mittheilba- ren Kräfte geben nun noch keineswegs eine Vorstellung von der Grösse der Anziehungen, welche zwischen den wirksamen Theilen innerhalb des Muskels bei der Zusammenziehung frei werden. Dass dieses nicht geschehe, erhellt schon aus den Betrachtungen und That- sachen die mitgetheilt wurden, als von dem zeitlichen Verlauf der Zuckung und den elastischen Eigenschaften der Muskeln die Rede war. Denn dort erwiess es sich dass der verkürzte Zustand des Mus- kels Folge war von zwei nach entgegengesetzten Richtungen wirk- samen Anziehungen, wodurch also offenbar wieder freie Kräfte in gespannte umgesetzt wurden. Dazu ist es noch fraglich, ob die An- ziehungen, welche zwischen den Molekeln wirksam sind in der Rich- tung der Längenachse des Muskelrohrs geschehen, d. h. in derjenigen, in welcher der Nutzeffekt wirkt. Wäre das nicht der Fall, so würde dieser letztere selbst erst wieder eine Resultirende unbekannter Einzel-
*) l. c. p. 86 u. f.
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[344/0358]
Physikalisches Maas der Muskelkraft.
Zusammenziehung des Muskels noch nicht kennen, welches wie wir
erfuhren mit dem sog. Müdigkeitsgrade ein sehr veränderliches ist.
Gestaltete sich die Beziehung zwischen der Ausdehnbarkeit des Muskels und dem
angehängten Gewichte wie in der Curve 89, d. h. wäre die Ausdehnung immer
direkt proportional dem Gewichtszuwachs, so würde die für jeden Werth der Zusam-
menziehung erzielbare Leistung leicht abzuleiten sein; denn setzen wir voraus, es
betrage die Verkürzung des Muskels ohne Gewichte 4 M. M., die Last aber, welche
der Muskel ohne sich zu verkürzen tragen könnte 4 Gr., so würde er bei 3 M. M. Ver-
kürzung 1 Gr., bei 2 M. M. Verkürzung 2 Gr., bei 1 M. M. Verkürzung 3 Gr. heben;
der Nutzeffekt war also nacheinander 0, 3, 4, 3, 0 Millimetergramme.
Weil nun das Gesetz der mit der Verkürzung wechselnden Nutzeffekte unbe-
kannt ist, so hat man sich damit behelfen müssen, als vergleichbaren Werth einen
Ausdruck zu wählen, der von der Hubhöhe unabhängig ist, d. h. das Gewicht, wel-
ches gerade gross genug ist, um zu verhindern, dass der Muskel, wenn er aus der
Ruhe in den Zustand der Erregung tritt, seine Form ändert. — Siehe die hierzu an-
gewendete Verfahrungsarten bei Ed. Weber *). — Wenn man diesem Ausdruck
gemäss die Kraft verschiedener Muskeln untereinander vergleichen will, so muss
man die von einem Querschnitt bekannter, aber beliebiger Grösse ausgeführten
Leistungen auf die einer Querschnittseinheit zurückführen, was einfach geschehen
kann, da offenbar der Nutzeffekt in obengenommenem Sinne geradezu mit dem
Querschnitt wächst. — Nach solchen Bestimmungen war das Kraftmaass für den
Quadrat-Centimeter der Menschenmuskeln 1,087 Kilogr. und für den der Frosch-
muskeln 0,692 Kilogr. Ed. Weber.
Eine kurze Ueberlegung zeigt uns nun, wie im Allgemeinen der
Nutzwerth der Muskeln von ihrer Länge und ihrem Querschnitt abhän-
gig sei. Denn offenbar wird das Muskelrohr von gleichem Querschnitt
aber von grösserer Länge dasselbe Gewicht absolut höher heben
können als das von geringerer Länge, während ein Muskelrohr von
grösserem Querschnitt ein beträchtlicheres Gewicht auf gleiche Höhe
hebt als ein gleichlanger Muskel von geringerem Querschnitt.
10. Physikalisches Maass der Muskelkraft. Die jenseits
der Grenze eines Muskelrohrs oder eines Gesammtmuskels mittheilba-
ren Kräfte geben nun noch keineswegs eine Vorstellung von der
Grösse der Anziehungen, welche zwischen den wirksamen Theilen
innerhalb des Muskels bei der Zusammenziehung frei werden. Dass
dieses nicht geschehe, erhellt schon aus den Betrachtungen und That-
sachen die mitgetheilt wurden, als von dem zeitlichen Verlauf der
Zuckung und den elastischen Eigenschaften der Muskeln die Rede
war. Denn dort erwiess es sich dass der verkürzte Zustand des Mus-
kels Folge war von zwei nach entgegengesetzten Richtungen wirk-
samen Anziehungen, wodurch also offenbar wieder freie Kräfte in
gespannte umgesetzt wurden. Dazu ist es noch fraglich, ob die An-
ziehungen, welche zwischen den Molekeln wirksam sind in der Rich-
tung der Längenachse des Muskelrohrs geschehen, d. h. in derjenigen,
in welcher der Nutzeffekt wirkt. Wäre das nicht der Fall, so würde
dieser letztere selbst erst wieder eine Resultirende unbekannter Einzel-
*) l. c. p. 86 u. f.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/358>, abgerufen am 23.11.2024.
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