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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Wärmeeigenschaften.
[Abbildung] Fig. 92.
lange Neusilberbleche angelöthet sind. Die Eisen-
Neusilberkette ist mit Ausnahme ihrer äussersten Enden
mit Firniss überzogen; diese Enden selbst laufen spitz
aus, damit man sie durch den Muskel bohren könne. Sol-
cher Bleche werden von Helmholtz mehrere, gewöhn-
lich drei in den Muskel gestossen, welche nach ihrer Ein-
führung in denselben zu einer Kette nach dem in Fig. 92
dargestellten Schema vereinigt werden. In der Zeich-
nung sind die Neusilberstücke schraffirt; die Kettenen-
den sind P P. -- b) Thermomultiplikator; an die Ketten-
enden P P fügt man einen Multiplikator, dessen sehr
gut astatische Nadeln hier von einem dicken Draht von
nur 50 bis höchstens 100 Windungen umgeben sein dür-
fen, und dies zwar darum, weil die thermoelektrischen
Ströme an und für sich sehr schwach sind und sie an
ihrem Entstehungsort in der metallischen Kette keinen
nennenswerthen Widerstand zu überwinden haben. Sie
würden demnach durch den Leitungswiderstand einer
grösseren Zahl von Drahtwindungen bald so weit ge-
schwächt werden, dass der Verlust, der aus der
Schwächung der Stromintensität entstehen würde, nicht
zu ersetzen wäre durch die Multiplikation, die aus
den Drahtwindungen hervorgeht.

Erwärmt man die eine Reihe von Löthstellen unserer Kette, während man die
andere Reihe auf ihrer frühern niedrigern Temperatur erhält, so entsteht ein Strom
in der erwärmten Löthstelle in der Richtung vom Neusilber zum Eisen, dessen In-
tensität proportional der Temperaturdifferenz der beiden Reihen von Löthstellen
steigt. Desshalb gelingt es nun, da die Abhängigkeit der Winkelablenkung der
Magnetnadel von der Stromintensität bekannt ist, durch die Nadelablenkung den
Grad der Wärme zu bestimmen, welchen die zweite Löthstelle angenommen, wenn
die Temperatur der ersten bekannt ist. Bei Anwendung so feiner Apparate ist
es aber gerathener, ja nothwendig, geradezu das Verfahren der empirischen Gra-
duirung des Multiplikators zu benutzen, wenn man aus der Nadelablenkung auf
die Temperatur schliessen will. Helmholtz's Apparat war so genau, dass mit
Sicherheit noch Temperaturdifferenzen beider Löthstellen von 0,0007° C ermittelt
werden konnten.

c) Der Muskel, welchen man der Untersuchung unterwirft, darf nicht mehr vom
Blut durchströmt sein, weil das venöse und arterielle Blut mit wesentlichen Tem-
peraturdifferenzen begabt sind, so dass je nach dem Uebergewicht der einen oder
andern Blutart sehr beträchtliche Fehler entstehen könnten; man wählt also am
besten einen ausgeschnittenen Froschschenkel, durchstösst diesen mit den Ketten-
gliedern, verbindet diese zur Säule und die Enden derselben mit dem Multiplikator,
wartet dann so lange, bis die Nadel des Multiplikators auf den Nullpunkt gegangen,
und versetzt endlich den Muskel in Zusammenziehung durch schwache electrische
Schläge, die man durch den Nerven des Muskels oder auch durch diesen selbst ohne
Schaden leiten kann, weil die Kette durch den Firnissüberzug innerhalb des Muskels
isolirt ist. Diese sehr feinen Versuche machen auch noch mannigfache Vorsichts-
massregeln nothwendig zur Erhaltung einer gleichmässigen Temperatur der nicht im
*)

*) Annales de chim. et physiq. 2° ser. 39. Bd. 132.

Wärmeeigenschaften.
[Abbildung] Fig. 92.
lange Neusilberbleche angelöthet sind. Die Eisen-
Neusilberkette ist mit Ausnahme ihrer äussersten Enden
mit Firniss überzogen; diese Enden selbst laufen spitz
aus, damit man sie durch den Muskel bohren könne. Sol-
cher Bleche werden von Helmholtz mehrere, gewöhn-
lich drei in den Muskel gestossen, welche nach ihrer Ein-
führung in denselben zu einer Kette nach dem in Fig. 92
dargestellten Schema vereinigt werden. In der Zeich-
nung sind die Neusilberstücke schraffirt; die Kettenen-
den sind P P. — b) Thermomultiplikator; an die Ketten-
enden P P fügt man einen Multiplikator, dessen sehr
gut astatische Nadeln hier von einem dicken Draht von
nur 50 bis höchstens 100 Windungen umgeben sein dür-
fen, und dies zwar darum, weil die thermoelektrischen
Ströme an und für sich sehr schwach sind und sie an
ihrem Entstehungsort in der metallischen Kette keinen
nennenswerthen Widerstand zu überwinden haben. Sie
würden demnach durch den Leitungswiderstand einer
grösseren Zahl von Drahtwindungen bald so weit ge-
schwächt werden, dass der Verlust, der aus der
Schwächung der Stromintensität entstehen würde, nicht
zu ersetzen wäre durch die Multiplikation, die aus
den Drahtwindungen hervorgeht.

Erwärmt man die eine Reihe von Löthstellen unserer Kette, während man die
andere Reihe auf ihrer frühern niedrigern Temperatur erhält, so entsteht ein Strom
in der erwärmten Löthstelle in der Richtung vom Neusilber zum Eisen, dessen In-
tensität proportional der Temperaturdifferenz der beiden Reihen von Löthstellen
steigt. Desshalb gelingt es nun, da die Abhängigkeit der Winkelablenkung der
Magnetnadel von der Stromintensität bekannt ist, durch die Nadelablenkung den
Grad der Wärme zu bestimmen, welchen die zweite Löthstelle angenommen, wenn
die Temperatur der ersten bekannt ist. Bei Anwendung so feiner Apparate ist
es aber gerathener, ja nothwendig, geradezu das Verfahren der empirischen Gra-
duirung des Multiplikators zu benutzen, wenn man aus der Nadelablenkung auf
die Temperatur schliessen will. Helmholtz’s Apparat war so genau, dass mit
Sicherheit noch Temperaturdifferenzen beider Löthstellen von 0,0007° C ermittelt
werden konnten.

c) Der Muskel, welchen man der Untersuchung unterwirft, darf nicht mehr vom
Blut durchströmt sein, weil das venöse und arterielle Blut mit wesentlichen Tem-
peraturdifferenzen begabt sind, so dass je nach dem Uebergewicht der einen oder
andern Blutart sehr beträchtliche Fehler entstehen könnten; man wählt also am
besten einen ausgeschnittenen Froschschenkel, durchstösst diesen mit den Ketten-
gliedern, verbindet diese zur Säule und die Enden derselben mit dem Multiplikator,
wartet dann so lange, bis die Nadel des Multiplikators auf den Nullpunkt gegangen,
und versetzt endlich den Muskel in Zusammenziehung durch schwache electrische
Schläge, die man durch den Nerven des Muskels oder auch durch diesen selbst ohne
Schaden leiten kann, weil die Kette durch den Firnissüberzug innerhalb des Muskels
isolirt ist. Diese sehr feinen Versuche machen auch noch mannigfache Vorsichts-
massregeln nothwendig zur Erhaltung einer gleichmässigen Temperatur der nicht im
*)

*) Annales de chim. et physiq. 2° ser. 39. Bd. 132.
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[340/0354] Wärmeeigenschaften. [Abbildung Fig. 92.] lange Neusilberbleche angelöthet sind. Die Eisen- Neusilberkette ist mit Ausnahme ihrer äussersten Enden mit Firniss überzogen; diese Enden selbst laufen spitz aus, damit man sie durch den Muskel bohren könne. Sol- cher Bleche werden von Helmholtz mehrere, gewöhn- lich drei in den Muskel gestossen, welche nach ihrer Ein- führung in denselben zu einer Kette nach dem in Fig. 92 dargestellten Schema vereinigt werden. In der Zeich- nung sind die Neusilberstücke schraffirt; die Kettenen- den sind P P. — b) Thermomultiplikator; an die Ketten- enden P P fügt man einen Multiplikator, dessen sehr gut astatische Nadeln hier von einem dicken Draht von nur 50 bis höchstens 100 Windungen umgeben sein dür- fen, und dies zwar darum, weil die thermoelektrischen Ströme an und für sich sehr schwach sind und sie an ihrem Entstehungsort in der metallischen Kette keinen nennenswerthen Widerstand zu überwinden haben. Sie würden demnach durch den Leitungswiderstand einer grösseren Zahl von Drahtwindungen bald so weit ge- schwächt werden, dass der Verlust, der aus der Schwächung der Stromintensität entstehen würde, nicht zu ersetzen wäre durch die Multiplikation, die aus den Drahtwindungen hervorgeht. Erwärmt man die eine Reihe von Löthstellen unserer Kette, während man die andere Reihe auf ihrer frühern niedrigern Temperatur erhält, so entsteht ein Strom in der erwärmten Löthstelle in der Richtung vom Neusilber zum Eisen, dessen In- tensität proportional der Temperaturdifferenz der beiden Reihen von Löthstellen steigt. Desshalb gelingt es nun, da die Abhängigkeit der Winkelablenkung der Magnetnadel von der Stromintensität bekannt ist, durch die Nadelablenkung den Grad der Wärme zu bestimmen, welchen die zweite Löthstelle angenommen, wenn die Temperatur der ersten bekannt ist. Bei Anwendung so feiner Apparate ist es aber gerathener, ja nothwendig, geradezu das Verfahren der empirischen Gra- duirung des Multiplikators zu benutzen, wenn man aus der Nadelablenkung auf die Temperatur schliessen will. Helmholtz’s Apparat war so genau, dass mit Sicherheit noch Temperaturdifferenzen beider Löthstellen von 0,0007° C ermittelt werden konnten. c) Der Muskel, welchen man der Untersuchung unterwirft, darf nicht mehr vom Blut durchströmt sein, weil das venöse und arterielle Blut mit wesentlichen Tem- peraturdifferenzen begabt sind, so dass je nach dem Uebergewicht der einen oder andern Blutart sehr beträchtliche Fehler entstehen könnten; man wählt also am besten einen ausgeschnittenen Froschschenkel, durchstösst diesen mit den Ketten- gliedern, verbindet diese zur Säule und die Enden derselben mit dem Multiplikator, wartet dann so lange, bis die Nadel des Multiplikators auf den Nullpunkt gegangen, und versetzt endlich den Muskel in Zusammenziehung durch schwache electrische Schläge, die man durch den Nerven des Muskels oder auch durch diesen selbst ohne Schaden leiten kann, weil die Kette durch den Firnissüberzug innerhalb des Muskels isolirt ist. Diese sehr feinen Versuche machen auch noch mannigfache Vorsichts- massregeln nothwendig zur Erhaltung einer gleichmässigen Temperatur der nicht im *) *) Annales de chim. et physiq. 2° ser. 39. Bd. 132.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/354>, abgerufen am 22.11.2024.