Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.Chemisches Verhalten der quergestreiften Muskelröhre. Fäden zu bestehen scheint. -- Eine Hypothese, welche die Gestalt des Röhreninhalteserläutern soll, muss begreiflich eine Erklärung dieser verschiedenen Anschauungen geben. Drei zählen zu diesen mit scheinbarer Gleichberechtigung. Die erste, welche die meisten Anhänger findet, nimmt an, dass der Röhreninhalt aus feinen, chemisch homogenen Längsfaden bestehe, welche in regelmässigen Abständen mit Einschnürun- gen versehen seien (variköse Primitivfaser); die zweite erklärt den Inhalt für Längsfasern, welche regelmässig wellig gekräuselt seien, und die dritte endlich be- hauptet, der Inhalt werde durch kleine prismatische oder cylinderische Stücke gebildet, welche durch eine chemisch verschiedene Zwischensubstanz zu Fasern vereinigt würden (Bowmann, Lehmann). Die Thatsachen scheinen im gegen- wärtigen Augenblicke für diese letztere Annnahme zu sprechen. Denn abgesehen davon, dass sie die Bilder lebender Muskelsubstanz so gut erläutert, wie die beiden andern Hypothesen, ist mit ihr in Harmonie, dass der Inhalt durch Essigsäure, con- zentrirte Salz- und Salpetersäure, doppelt chromsaures Kali und Fäulniss in regel- mässig parallelepipedische Stücke zerfällt, deren Länge ungefähr dem Abstande der Querstreifung entspricht (Lehmann). Diese Thatsache ist vollkommen unver- einbar damit, dass die Fasern gleichartig seien; denn unter dieser Voraussetzung müssten sie unter dem Angriffe eines Lösungsmittels feiner und feiner werdend, ver- schwinden. -- Nächstdem muss aber auch noch eine zweite, anders zusammenge- setzte, die einzelne Längsfasern verbindende Zwischensubstanz vorhanden sein. Ihre Gegenwart lehrt die mikroskopische Beobachtung, indem das Muskelrohr auf dem Querschnitt mit distinkten, durch eine Zwischenmasse getrennten Punkten, die den abgeschnittenen Fasern entsprechen, versehen erscheint. Für die besondere chemische Natur dieser Zwischenmasse erhebt sich die Beobachtung, dass durch Kali und destillirtes Wasser die Längsstreifung vorzugsweise hervortritt unter Ver- schwinden oder Zurücktreten der Querstreifung; es scheint hieraus hervorzugehen, dass sich die der Länge nach eingelagerte Zwischenmasse löse und die chemisch discontinuirliche Längsfaser aufquelle zur Bildung einer optisch gleichartigen Faser. -- Immerhin mag es aber noch besser sein, keine der Hypothesen für den wahren Ausdruck der Thatsache anzusehen, sondern durch methodischere Untersuchung tiefer in den Gegenstand einzudringen. Chemisches Verhalten. *) Die organische Grundlage der drei Die Behauptung, dass die Muskelhülle aus elastischem Stoff bestehe, gründet sich *) Lehmann, physiolog. Chemie. Leipzig 1851. III. Bd. 76.
Chemisches Verhalten der quergestreiften Muskelröhre. Fäden zu bestehen scheint. — Eine Hypothese, welche die Gestalt des Röhreninhalteserläutern soll, muss begreiflich eine Erklärung dieser verschiedenen Anschauungen geben. Drei zählen zu diesen mit scheinbarer Gleichberechtigung. Die erste, welche die meisten Anhänger findet, nimmt an, dass der Röhreninhalt aus feinen, chemisch homogenen Längsfaden bestehe, welche in regelmässigen Abständen mit Einschnürun- gen versehen seien (variköse Primitivfaser); die zweite erklärt den Inhalt für Längsfasern, welche regelmässig wellig gekräuselt seien, und die dritte endlich be- hauptet, der Inhalt werde durch kleine prismatische oder cylinderische Stücke gebildet, welche durch eine chemisch verschiedene Zwischensubstanz zu Fasern vereinigt würden (Bowmann, Lehmann). Die Thatsachen scheinen im gegen- wärtigen Augenblicke für diese letztere Annnahme zu sprechen. Denn abgesehen davon, dass sie die Bilder lebender Muskelsubstanz so gut erläutert, wie die beiden andern Hypothesen, ist mit ihr in Harmonie, dass der Inhalt durch Essigsäure, con- zentrirte Salz- und Salpetersäure, doppelt chromsaures Kali und Fäulniss in regel- mässig parallelepipedische Stücke zerfällt, deren Länge ungefähr dem Abstande der Querstreifung entspricht (Lehmann). Diese Thatsache ist vollkommen unver- einbar damit, dass die Fasern gleichartig seien; denn unter dieser Voraussetzung müssten sie unter dem Angriffe eines Lösungsmittels feiner und feiner werdend, ver- schwinden. — Nächstdem muss aber auch noch eine zweite, anders zusammenge- setzte, die einzelne Längsfasern verbindende Zwischensubstanz vorhanden sein. Ihre Gegenwart lehrt die mikroskopische Beobachtung, indem das Muskelrohr auf dem Querschnitt mit distinkten, durch eine Zwischenmasse getrennten Punkten, die den abgeschnittenen Fasern entsprechen, versehen erscheint. Für die besondere chemische Natur dieser Zwischenmasse erhebt sich die Beobachtung, dass durch Kali und destillirtes Wasser die Längsstreifung vorzugsweise hervortritt unter Ver- schwinden oder Zurücktreten der Querstreifung; es scheint hieraus hervorzugehen, dass sich die der Länge nach eingelagerte Zwischenmasse löse und die chemisch discontinuirliche Längsfaser aufquelle zur Bildung einer optisch gleichartigen Faser. — Immerhin mag es aber noch besser sein, keine der Hypothesen für den wahren Ausdruck der Thatsache anzusehen, sondern durch methodischere Untersuchung tiefer in den Gegenstand einzudringen. Chemisches Verhalten. *) Die organische Grundlage der drei Die Behauptung, dass die Muskelhülle aus elastischem Stoff bestehe, gründet sich *) Lehmann, physiolog. Chemie. Leipzig 1851. III. Bd. 76.
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Chemisches Verhalten der quergestreiften Muskelröhre.
Fäden zu bestehen scheint. — Eine Hypothese, welche die Gestalt des Röhreninhaltes
erläutern soll, muss begreiflich eine Erklärung dieser verschiedenen Anschauungen
geben. Drei zählen zu diesen mit scheinbarer Gleichberechtigung. Die erste, welche
die meisten Anhänger findet, nimmt an, dass der Röhreninhalt aus feinen, chemisch
homogenen Längsfaden bestehe, welche in regelmässigen Abständen mit Einschnürun-
gen versehen seien (variköse Primitivfaser); die zweite erklärt den Inhalt für
Längsfasern, welche regelmässig wellig gekräuselt seien, und die dritte endlich be-
hauptet, der Inhalt werde durch kleine prismatische oder cylinderische Stücke
gebildet, welche durch eine chemisch verschiedene Zwischensubstanz zu Fasern
vereinigt würden (Bowmann, Lehmann). Die Thatsachen scheinen im gegen-
wärtigen Augenblicke für diese letztere Annnahme zu sprechen. Denn abgesehen
davon, dass sie die Bilder lebender Muskelsubstanz so gut erläutert, wie die beiden
andern Hypothesen, ist mit ihr in Harmonie, dass der Inhalt durch Essigsäure, con-
zentrirte Salz- und Salpetersäure, doppelt chromsaures Kali und Fäulniss in regel-
mässig parallelepipedische Stücke zerfällt, deren Länge ungefähr dem Abstande
der Querstreifung entspricht (Lehmann). Diese Thatsache ist vollkommen unver-
einbar damit, dass die Fasern gleichartig seien; denn unter dieser Voraussetzung
müssten sie unter dem Angriffe eines Lösungsmittels feiner und feiner werdend, ver-
schwinden. — Nächstdem muss aber auch noch eine zweite, anders zusammenge-
setzte, die einzelne Längsfasern verbindende Zwischensubstanz vorhanden sein.
Ihre Gegenwart lehrt die mikroskopische Beobachtung, indem das Muskelrohr auf
dem Querschnitt mit distinkten, durch eine Zwischenmasse getrennten Punkten,
die den abgeschnittenen Fasern entsprechen, versehen erscheint. Für die besondere
chemische Natur dieser Zwischenmasse erhebt sich die Beobachtung, dass durch Kali
und destillirtes Wasser die Längsstreifung vorzugsweise hervortritt unter Ver-
schwinden oder Zurücktreten der Querstreifung; es scheint hieraus hervorzugehen,
dass sich die der Länge nach eingelagerte Zwischenmasse löse und die chemisch
discontinuirliche Längsfaser aufquelle zur Bildung einer optisch gleichartigen Faser.
— Immerhin mag es aber noch besser sein, keine der Hypothesen für den wahren
Ausdruck der Thatsache anzusehen, sondern durch methodischere Untersuchung
tiefer in den Gegenstand einzudringen.
Chemisches Verhalten. *) Die organische Grundlage der drei
Formen des quergestreiften Muskelelements ist von verschiedener
chemischer Zusammensetzung. Die Hülle besteht wahrscheinlich aus
elastischer Substanz, die Kerne und der feste Röhreninhalt aus
besondern eiweissartigen Stoffen; von diesen beiden ist die letztere,
die Substanz der Fasern, charakterisirt durch ihre Leichtlöslichkeit in
sehr verdünnter Salzsäure (von o, 1 p. c. Liebig) und ihre Unlöslich-
keit in kohlensaurem Kali (Virchow). —
Die Behauptung, dass die Muskelhülle aus elastischem Stoff bestehe, gründet sich
auf die Schwerlöslichkeit derselben in Kali und Mineralsäuren. — Die Substanz der
Fasern nähert sich in ihren Eigenschaften dem geronnenen arteriellen Faserstoff; eine
Analyse des aus der salzsauren Auflösung gefüllten Stoffes ergab C 54,5; H 7,3;
N 15,8; S 1,1; O 21,4; Strecker. Diese Zahlen weichen nun freilich von den für den
Faserstoff gefundenen sehr ab. Obwohl wir nun den Stoff weder zum Faserstoff noch
zu einem andern eiweissartigen stellen können, so berechtigt uns diess dennoch
nicht, eine eigene Spezies von eiweissartigen Körpern aus dieser Substanz zu bilden,
und zwar um so weniger, als wir es schon wahrscheinlich fanden, dass die Faser
auf den verschiedenen Abschnitten ihrer Länge chemisch ungleichartig und somit
der analysirte Stoff ein Gemenge sei. — Der Stoff der Kerne löst sich leicht in K O,
*) Lehmann, physiolog. Chemie. Leipzig 1851. III. Bd. 76.
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