flüsse sich auf die im thierischen Körper selbst vorhandenen Anzie- hungen in jedem Augenblicke geltend machen.
Folgerungen aus diesen Betrachtungen für die das Thier bezeichnenden Hergänge. -- Als eine Folge der bisher erwähnten elementaren Leistungen ergibt sich sogleich, dass das einzelne Thier eine ungemeine Mannigfaltigkeit in den von ihm aus- gehenden Erscheinungen bieten muss; ferner dass das Thier ein Ge- bilde darstellt, in dem scheinbar auf selbstständige Weise Kräfte ent- wickelt werden, dass diese Kraftentwicklung aber nur so lange und in dem Umfange möglich, in welchem die chemische Umsetzung inner- halb desselben geschieht; ferner, dass mit der Grösse des Stoffum- satzes und der in das Thier ein- und ausgeführten Stoffmassen die Fähigkeit zur Kraftentwicklung sinken (Ermüdung) und steigen (Erholung) muss; ferner, dass jede innerhalb des Körpers entstehende neue Bewegung oder Anziehung, oder eine jede ausserhalb desselben stehende, aber auf ihn wirksame nicht eine einfache, sondern eine man- nigfach complicirte Veränderung des thierischen Organismus er- zeugt; ferner dass die einzelnen Bestandtheile des Thierleibs in einer nur bedingten Abhängigkeit von einander bestehen u. s. w.
Diese zahlreichen, leicht noch weiter zu vermehrenden Ueberein- stimmungen, welche sich ohne alle Hülfssätze zwischen den Folge- rungen aus unseren Prämissen und den wirklichen Erscheinungen des Thierlebens finden, erwecken von vornherein ein um so günstigeres Vorurtheil für die Richtigkeit derselben, als man in der That durch keine andere der bisher angewendeten Betrachtungsweisen auch nur entfernt etwas Aehnliches zu leisten vermag. Dieses bestimmt uns denn nun auch, die physikalische Anschauungsweise in voller Strenge zur An- wendung zu bringen.
Allgemeinste Aufgaben der physiologischen Unter- suchung. -- Unter Voraussetzung der Richtigkeit vorstehender Be- trachtungen, lassen sich nun folgende allgemeine Aufgaben im Be- reich der Physiologie für möglich erklären.
1) Man bestrebt sich den thierischen Körper in seine Bestand- theile zu zerlegen, und sucht diese letzteren, abgesehen von ihren Lei- stungen innerhalb des thierischen Organismus, durch möglichst scharfe Kennzeichen irgend welcher Art von allen andern zu scheiden. -- Diese wichtige und fundamentale Arbeit übernimmt für die Stoffe die Chemie, für die Formen die Anatomie; die erstere bedient sich zur sichern Bezeichnung ihrer Objecte des Atomgewichts und daneben der hervorragendsten Verwandtschaftsäusserungen zu den gewöhnlichen Reagentien, der Crystallform und des spez. Gewichts. -- Die Anatomie müsste diesen Ansprüchen gemäss ihre Formen durch Angabe der constanten und wo möglich mathematisch ausdrückbaren Verhältnisse
Einleitung.
flüsse sich auf die im thierischen Körper selbst vorhandenen Anzie- hungen in jedem Augenblicke geltend machen.
Folgerungen aus diesen Betrachtungen für die das Thier bezeichnenden Hergänge. — Als eine Folge der bisher erwähnten elementaren Leistungen ergibt sich sogleich, dass das einzelne Thier eine ungemeine Mannigfaltigkeit in den von ihm aus- gehenden Erscheinungen bieten muss; ferner dass das Thier ein Ge- bilde darstellt, in dem scheinbar auf selbstständige Weise Kräfte ent- wickelt werden, dass diese Kraftentwicklung aber nur so lange und in dem Umfange möglich, in welchem die chemische Umsetzung inner- halb desselben geschieht; ferner, dass mit der Grösse des Stoffum- satzes und der in das Thier ein- und ausgeführten Stoffmassen die Fähigkeit zur Kraftentwicklung sinken (Ermüdung) und steigen (Erholung) muss; ferner, dass jede innerhalb des Körpers entstehende neue Bewegung oder Anziehung, oder eine jede ausserhalb desselben stehende, aber auf ihn wirksame nicht eine einfache, sondern eine man- nigfach complicirte Veränderung des thierischen Organismus er- zeugt; ferner dass die einzelnen Bestandtheile des Thierleibs in einer nur bedingten Abhängigkeit von einander bestehen u. s. w.
Diese zahlreichen, leicht noch weiter zu vermehrenden Ueberein- stimmungen, welche sich ohne alle Hülfssätze zwischen den Folge- rungen aus unseren Prämissen und den wirklichen Erscheinungen des Thierlebens finden, erwecken von vornherein ein um so günstigeres Vorurtheil für die Richtigkeit derselben, als man in der That durch keine andere der bisher angewendeten Betrachtungsweisen auch nur entfernt etwas Aehnliches zu leisten vermag. Dieses bestimmt uns denn nun auch, die physikalische Anschauungsweise in voller Strenge zur An- wendung zu bringen.
Allgemeinste Aufgaben der physiologischen Unter- suchung. — Unter Voraussetzung der Richtigkeit vorstehender Be- trachtungen, lassen sich nun folgende allgemeine Aufgaben im Be- reich der Physiologie für möglich erklären.
1) Man bestrebt sich den thierischen Körper in seine Bestand- theile zu zerlegen, und sucht diese letzteren, abgesehen von ihren Lei- stungen innerhalb des thierischen Organismus, durch möglichst scharfe Kennzeichen irgend welcher Art von allen andern zu scheiden. — Diese wichtige und fundamentale Arbeit übernimmt für die Stoffe die Chemie, für die Formen die Anatomie; die erstere bedient sich zur sichern Bezeichnung ihrer Objecte des Atomgewichts und daneben der hervorragendsten Verwandtschaftsäusserungen zu den gewöhnlichen Reagentien, der Crystallform und des spez. Gewichts. — Die Anatomie müsste diesen Ansprüchen gemäss ihre Formen durch Angabe der constanten und wo möglich mathematisch ausdrückbaren Verhältnisse
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[11/0025]
Einleitung.
flüsse sich auf die im thierischen Körper selbst vorhandenen Anzie-
hungen in jedem Augenblicke geltend machen.
Folgerungen aus diesen Betrachtungen für die das
Thier bezeichnenden Hergänge. — Als eine Folge der bisher
erwähnten elementaren Leistungen ergibt sich sogleich, dass das
einzelne Thier eine ungemeine Mannigfaltigkeit in den von ihm aus-
gehenden Erscheinungen bieten muss; ferner dass das Thier ein Ge-
bilde darstellt, in dem scheinbar auf selbstständige Weise Kräfte ent-
wickelt werden, dass diese Kraftentwicklung aber nur so lange und in
dem Umfange möglich, in welchem die chemische Umsetzung inner-
halb desselben geschieht; ferner, dass mit der Grösse des Stoffum-
satzes und der in das Thier ein- und ausgeführten Stoffmassen die
Fähigkeit zur Kraftentwicklung sinken (Ermüdung) und steigen
(Erholung) muss; ferner, dass jede innerhalb des Körpers entstehende
neue Bewegung oder Anziehung, oder eine jede ausserhalb desselben
stehende, aber auf ihn wirksame nicht eine einfache, sondern eine man-
nigfach complicirte Veränderung des thierischen Organismus er-
zeugt; ferner dass die einzelnen Bestandtheile des Thierleibs in einer
nur bedingten Abhängigkeit von einander bestehen u. s. w.
Diese zahlreichen, leicht noch weiter zu vermehrenden Ueberein-
stimmungen, welche sich ohne alle Hülfssätze zwischen den Folge-
rungen aus unseren Prämissen und den wirklichen Erscheinungen des
Thierlebens finden, erwecken von vornherein ein um so günstigeres
Vorurtheil für die Richtigkeit derselben, als man in der That durch keine
andere der bisher angewendeten Betrachtungsweisen auch nur entfernt
etwas Aehnliches zu leisten vermag. Dieses bestimmt uns denn nun
auch, die physikalische Anschauungsweise in voller Strenge zur An-
wendung zu bringen.
Allgemeinste Aufgaben der physiologischen Unter-
suchung. — Unter Voraussetzung der Richtigkeit vorstehender Be-
trachtungen, lassen sich nun folgende allgemeine Aufgaben im Be-
reich der Physiologie für möglich erklären.
1) Man bestrebt sich den thierischen Körper in seine Bestand-
theile zu zerlegen, und sucht diese letzteren, abgesehen von ihren Lei-
stungen innerhalb des thierischen Organismus, durch möglichst scharfe
Kennzeichen irgend welcher Art von allen andern zu scheiden. —
Diese wichtige und fundamentale Arbeit übernimmt für die Stoffe die
Chemie, für die Formen die Anatomie; die erstere bedient sich zur
sichern Bezeichnung ihrer Objecte des Atomgewichts und daneben der
hervorragendsten Verwandtschaftsäusserungen zu den gewöhnlichen
Reagentien, der Crystallform und des spez. Gewichts. — Die Anatomie
müsste diesen Ansprüchen gemäss ihre Formen durch Angabe der
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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