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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Augenmuskeln; Drehbewegungen.
die Lage der Sehachse ungeändert bleibt, so hat man das Auge ge-
rollt; und zwar geschah das Rollen einwärts, wenn ein Punkt der Iris-
peripherie, der bisher über dem innern Augenwinkel lag, unter den-
selben geführt wurde, während beim Auswärtsrollen das Auge ent-
gegengesetzt läuft. --

Diese Bewegungen sollen nun abhängig sein von den Muskeln in
folgender Art: aufwärts: m. rectus superior. m. obliq. inferior; -- ab-
wärts: m. rectus inferior, m. obliquus superior; -- einwärts m. rectus
internus, m. rectus superior; m. obliquus inferior (?); -- auswärts
m. rectus externus, m. obliq. superior; -- einwärts rollend m. obliquus
superior u. rectus superior (?); -- auswärts rollend m. obliquus in-
ferior u. rectus inferior (?). --

Die Beobachtungsmethode, auf welche sich diese Angaben grün-
den, sind die zur Bestimmung der Muskelwirkung gebräuchlichen. --
Siehe die besondere Muskellehre.

Wer nun aber auch nur mit den ersten Anfängen der Mechanik vertraut ist, wird
das Ziel, nach dem die obigen Angaben, welches die gebräuchlichen sind, ringen
als ein sehr unvollkommenes ansehen müssen. Um dem Anfänger einen Begriff von
dem Problem, welches in den Augenmuskeln vergraben ist, und von seiner Lösung
zu geben, wollen wir in Folgendem eine Zergliederung eines ganz einfachen Falles
vornehmen.

Um zu einer Bestimmung des Nullpunktes, der Grösse und Richtung der Bewe-
gung zu gelangen, nehmen wir an, es sei ein doppeltes rechtwinkliges Coordinaten-
System durch das Auge gelegt, deren gemeinschaftlicher Nullpunkt in den Dre-
hungspunkt des Auges fällt, und die sich nur darin unterscheiden, dass das eine in
der Orbita als feststehend angesehen wird, während das andere mit dem Auge be-
weglich ist, so dass in der Ruhelage des Auges die zu beiden Systemen gehörigen
Achsen zusammenfallen. -- Die Achsen selbst werden aber gegeben durch folgende
Bestimmungen. Die Richtung der Querachse sei dargestellt durch die Verbindungs-
linie der Drehungspunkte beider Augen; die Tiefenachse durch die Sehachse, wenn
beide Augen nach Vorwärts stieren; die Höhenachse schneide in der Richtung vom
Scheitel zur Fusssohle den Schnittpunkt der beiden vorhergehenden in ihrer horizon-
talen Lage senkrecht. -- Denken wir uns nun, wie angegeben, das eine System
feststehend, das andere mit den Augen beweglich, so würde jetzt offenbar jede Augen-
drehung ihre Grösse und Richtung nach mit aller Schärfe durch die Winkel ausge-
drückt werden können, welche die Achsen beider Coordinatensysteme miteinander
bilden. Um die aus diesen Bestimmungen hervorgehenden Angaben praktisch
brauchbar zu machen, müssten an den sichtbaren Theilen der Orbita und des Aug-
apfels Kennzeichen gesucht werden, deren Bewegung sich in einer bestimmten Rela-
tion zu derjenigen der Achsen fänden und hierzu könnte ein Theil der gewöhnlichen
Bestimmungen benutzt werden.

Die Wirkung, welche einem Augenmuskel zukommt, ist sehr verschieden, je
nachdem er allein ohne jegliche weitere Bestimmung das Auge dreht, oder je nach-
dem sich noch andere Umstände, wie z. B. Widerstände der Bewegung, gleichzeitige
Wirkungen anderer Muskeln u. s. w. einmengen. -- Zu unserer Zergliederung wählen
wir nun zunächst den einfachsten Fall den, dass auf das Auge nur ein Muskel wirke,
während gar keine Widerstände sich der Drehung entgegenstellen; wenn auch die-
ser Fall in der That niemals vorkommt, so ist er dennoch von Bedeutung, weil die
Kenntniss dieses einfachsten der aller übrigen vorausgehen muss. -- Da die Muskeln
Werkzeuge sind, welche in der Richtung ihrer Fasern ziehen, so ist es zur Lösung

Augenmuskeln; Drehbewegungen.
die Lage der Sehachse ungeändert bleibt, so hat man das Auge ge-
rollt; und zwar geschah das Rollen einwärts, wenn ein Punkt der Iris-
peripherie, der bisher über dem innern Augenwinkel lag, unter den-
selben geführt wurde, während beim Auswärtsrollen das Auge ent-
gegengesetzt läuft. —

Diese Bewegungen sollen nun abhängig sein von den Muskeln in
folgender Art: aufwärts: m. rectus superior. m. obliq. inferior; — ab-
wärts: m. rectus inferior, m. obliquus superior; — einwärts m. rectus
internus, m. rectus superior; m. obliquus inferior (?); — auswärts
m. rectus externus, m. obliq. superior; — einwärts rollend m. obliquus
superior u. rectus superior (?); — auswärts rollend m. obliquus in-
ferior u. rectus inferior (?). —

Die Beobachtungsmethode, auf welche sich diese Angaben grün-
den, sind die zur Bestimmung der Muskelwirkung gebräuchlichen. —
Siehe die besondere Muskellehre.

Wer nun aber auch nur mit den ersten Anfängen der Mechanik vertraut ist, wird
das Ziel, nach dem die obigen Angaben, welches die gebräuchlichen sind, ringen
als ein sehr unvollkommenes ansehen müssen. Um dem Anfänger einen Begriff von
dem Problem, welches in den Augenmuskeln vergraben ist, und von seiner Lösung
zu geben, wollen wir in Folgendem eine Zergliederung eines ganz einfachen Falles
vornehmen.

Um zu einer Bestimmung des Nullpunktes, der Grösse und Richtung der Bewe-
gung zu gelangen, nehmen wir an, es sei ein doppeltes rechtwinkliges Coordinaten-
System durch das Auge gelegt, deren gemeinschaftlicher Nullpunkt in den Dre-
hungspunkt des Auges fällt, und die sich nur darin unterscheiden, dass das eine in
der Orbita als feststehend angesehen wird, während das andere mit dem Auge be-
weglich ist, so dass in der Ruhelage des Auges die zu beiden Systemen gehörigen
Achsen zusammenfallen. — Die Achsen selbst werden aber gegeben durch folgende
Bestimmungen. Die Richtung der Querachse sei dargestellt durch die Verbindungs-
linie der Drehungspunkte beider Augen; die Tiefenachse durch die Sehachse, wenn
beide Augen nach Vorwärts stieren; die Höhenachse schneide in der Richtung vom
Scheitel zur Fusssohle den Schnittpunkt der beiden vorhergehenden in ihrer horizon-
talen Lage senkrecht. — Denken wir uns nun, wie angegeben, das eine System
feststehend, das andere mit den Augen beweglich, so würde jetzt offenbar jede Augen-
drehung ihre Grösse und Richtung nach mit aller Schärfe durch die Winkel ausge-
drückt werden können, welche die Achsen beider Coordinatensysteme miteinander
bilden. Um die aus diesen Bestimmungen hervorgehenden Angaben praktisch
brauchbar zu machen, müssten an den sichtbaren Theilen der Orbita und des Aug-
apfels Kennzeichen gesucht werden, deren Bewegung sich in einer bestimmten Rela-
tion zu derjenigen der Achsen fänden und hierzu könnte ein Theil der gewöhnlichen
Bestimmungen benutzt werden.

Die Wirkung, welche einem Augenmuskel zukommt, ist sehr verschieden, je
nachdem er allein ohne jegliche weitere Bestimmung das Auge dreht, oder je nach-
dem sich noch andere Umstände, wie z. B. Widerstände der Bewegung, gleichzeitige
Wirkungen anderer Muskeln u. s. w. einmengen. — Zu unserer Zergliederung wählen
wir nun zunächst den einfachsten Fall den, dass auf das Auge nur ein Muskel wirke,
während gar keine Widerstände sich der Drehung entgegenstellen; wenn auch die-
ser Fall in der That niemals vorkommt, so ist er dennoch von Bedeutung, weil die
Kenntniss dieses einfachsten der aller übrigen vorausgehen muss. — Da die Muskeln
Werkzeuge sind, welche in der Richtung ihrer Fasern ziehen, so ist es zur Lösung

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[188/0202] Augenmuskeln; Drehbewegungen. die Lage der Sehachse ungeändert bleibt, so hat man das Auge ge- rollt; und zwar geschah das Rollen einwärts, wenn ein Punkt der Iris- peripherie, der bisher über dem innern Augenwinkel lag, unter den- selben geführt wurde, während beim Auswärtsrollen das Auge ent- gegengesetzt läuft. — Diese Bewegungen sollen nun abhängig sein von den Muskeln in folgender Art: aufwärts: m. rectus superior. m. obliq. inferior; — ab- wärts: m. rectus inferior, m. obliquus superior; — einwärts m. rectus internus, m. rectus superior; m. obliquus inferior (?); — auswärts m. rectus externus, m. obliq. superior; — einwärts rollend m. obliquus superior u. rectus superior (?); — auswärts rollend m. obliquus in- ferior u. rectus inferior (?). — Die Beobachtungsmethode, auf welche sich diese Angaben grün- den, sind die zur Bestimmung der Muskelwirkung gebräuchlichen. — Siehe die besondere Muskellehre. Wer nun aber auch nur mit den ersten Anfängen der Mechanik vertraut ist, wird das Ziel, nach dem die obigen Angaben, welches die gebräuchlichen sind, ringen als ein sehr unvollkommenes ansehen müssen. Um dem Anfänger einen Begriff von dem Problem, welches in den Augenmuskeln vergraben ist, und von seiner Lösung zu geben, wollen wir in Folgendem eine Zergliederung eines ganz einfachen Falles vornehmen. Um zu einer Bestimmung des Nullpunktes, der Grösse und Richtung der Bewe- gung zu gelangen, nehmen wir an, es sei ein doppeltes rechtwinkliges Coordinaten- System durch das Auge gelegt, deren gemeinschaftlicher Nullpunkt in den Dre- hungspunkt des Auges fällt, und die sich nur darin unterscheiden, dass das eine in der Orbita als feststehend angesehen wird, während das andere mit dem Auge be- weglich ist, so dass in der Ruhelage des Auges die zu beiden Systemen gehörigen Achsen zusammenfallen. — Die Achsen selbst werden aber gegeben durch folgende Bestimmungen. Die Richtung der Querachse sei dargestellt durch die Verbindungs- linie der Drehungspunkte beider Augen; die Tiefenachse durch die Sehachse, wenn beide Augen nach Vorwärts stieren; die Höhenachse schneide in der Richtung vom Scheitel zur Fusssohle den Schnittpunkt der beiden vorhergehenden in ihrer horizon- talen Lage senkrecht. — Denken wir uns nun, wie angegeben, das eine System feststehend, das andere mit den Augen beweglich, so würde jetzt offenbar jede Augen- drehung ihre Grösse und Richtung nach mit aller Schärfe durch die Winkel ausge- drückt werden können, welche die Achsen beider Coordinatensysteme miteinander bilden. Um die aus diesen Bestimmungen hervorgehenden Angaben praktisch brauchbar zu machen, müssten an den sichtbaren Theilen der Orbita und des Aug- apfels Kennzeichen gesucht werden, deren Bewegung sich in einer bestimmten Rela- tion zu derjenigen der Achsen fänden und hierzu könnte ein Theil der gewöhnlichen Bestimmungen benutzt werden. Die Wirkung, welche einem Augenmuskel zukommt, ist sehr verschieden, je nachdem er allein ohne jegliche weitere Bestimmung das Auge dreht, oder je nach- dem sich noch andere Umstände, wie z. B. Widerstände der Bewegung, gleichzeitige Wirkungen anderer Muskeln u. s. w. einmengen. — Zu unserer Zergliederung wählen wir nun zunächst den einfachsten Fall den, dass auf das Auge nur ein Muskel wirke, während gar keine Widerstände sich der Drehung entgegenstellen; wenn auch die- ser Fall in der That niemals vorkommt, so ist er dennoch von Bedeutung, weil die Kenntniss dieses einfachsten der aller übrigen vorausgehen muss. — Da die Muskeln Werkzeuge sind, welche in der Richtung ihrer Fasern ziehen, so ist es zur Lösung

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/202>, abgerufen am 27.11.2024.