Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Anordnung der Bewegungen.
hier zwischen tetanischer und momentaner Erregung besteht, liegt
darin, dass nach tetanischer Erregung die rhythmische Bewegung statt
der erwarteten tetanischen Verkürzung immer zum Vorschein kommt,
während die momentane Erregung häufig auch nur eine einzige Zu-
sammenziehung zum Gefolge hat; -- bei grösserer Erregbarkeit und
intensiven Erregern scheint der Rhythmus ein beschleunigterer zu
sein als bei entgegengesetzten Verhältnissen.

Diese Erscheinung bemerkt man sehr häufig auch noch in kleinen Stücken der
vom sympathischen Nerven beherrschten Muskelapparate, in denen man beiläufig
auch nach genauester mikroskopischer Zergliederung keine Ganglien wahrnehmen
kann; w. z. B. am Schlund der Hühner.

6. Verkettung der Einzelbewegungen zu einer zusam-
mengehörigen Reihenfolge von Bewegungen
. Wenn in
einer der grösseren, funktionell zueinander gehörigen Abtheilun-
gen, welche im sympathischen System enthalten sind, während eines
höhern Erregbarkeitsgrades derselben eine Bewegung eingeleitet
wird, so beschränkt sich meistentheils die Zusammenziehung nicht
auf die Oertlichkeit, in welcher sie zuerst auftrat. Dieses Umsichgrei-
fen der Zusammenziehung geschieht nach zwei verschiedenen Wei-
sen, und zwar entweder wie im Harn-, im Eileiter, dem Fruchthalter
und auch häufig im Darm nach dem sogenannten peristaltischen
oder wie gewöhnlich im Darm nach dem sogenannten penduliren-
den Modus
. Im ersteren der beiden verbreitet sich nach einer Rich-
tung hin die Verkürzung von der ursprünglich ergriffenen auf unmit-
telbar angrenzende Stellen, während sie, nachdem dieses geschehen,
sich von den ursprünglich ergriffenen zurückzieht. Diesem gemäss
geräth auf Veranlassung einer örtlichen Erregung die gesammte Mus-
kelsubstanz einer der angegebenen Canäle nach einer zeitlichen Rei-
henfolge in Zusammenziehung, in der Art, dass gleichzeitig jedesmal
nur ein kleiner begrenzter Abschnitt sich in dem bezeichneten Zustand
befindet. Die Richtung in welcher diese Bewegung fortschreitet geht
immer von oben nach unten also vom Magen, Nieren, Eierstöcken
nach dem After, der Blase, der Scheide. -- Im pendelnden Modus
schreitet die Verkürzung nicht continuirlich sondern sprungweise fort,
so dass die der Zeit nach aufeinander folgenden Zusammenziehungen
örtlich nicht unmittelbar aneinander grenzen, sondern an Stellen vor
sich gehen, welche durch ruhige Stücke von einander getrennt sind.
Gewöhnlich kehrt im pendelnden Modus jede Einzelbewegung rhyth-
misch, d. h. nach einiger Zeit, wieder, so dass das ruhige zwischen
den zusammengezogenen Stellen liegende Stück wie ein Pendel bald
nach dieser und bald nach jener Seite geführt wird.

7. Automatische Erregung. Die bewegungserzeugenden Ner-
ven des sympathischen Systems gerathen in Erregung selbst dann noch,
wenn keines der Mittel, welche wir als Erreger kennen lernten, nach-

Anordnung der Bewegungen.
hier zwischen tetanischer und momentaner Erregung besteht, liegt
darin, dass nach tetanischer Erregung die rhythmische Bewegung statt
der erwarteten tetanischen Verkürzung immer zum Vorschein kommt,
während die momentane Erregung häufig auch nur eine einzige Zu-
sammenziehung zum Gefolge hat; — bei grösserer Erregbarkeit und
intensiven Erregern scheint der Rhythmus ein beschleunigterer zu
sein als bei entgegengesetzten Verhältnissen.

Diese Erscheinung bemerkt man sehr häufig auch noch in kleinen Stücken der
vom sympathischen Nerven beherrschten Muskelapparate, in denen man beiläufig
auch nach genauester mikroskopischer Zergliederung keine Ganglien wahrnehmen
kann; w. z. B. am Schlund der Hühner.

6. Verkettung der Einzelbewegungen zu einer zusam-
mengehörigen Reihenfolge von Bewegungen
. Wenn in
einer der grösseren, funktionell zueinander gehörigen Abtheilun-
gen, welche im sympathischen System enthalten sind, während eines
höhern Erregbarkeitsgrades derselben eine Bewegung eingeleitet
wird, so beschränkt sich meistentheils die Zusammenziehung nicht
auf die Oertlichkeit, in welcher sie zuerst auftrat. Dieses Umsichgrei-
fen der Zusammenziehung geschieht nach zwei verschiedenen Wei-
sen, und zwar entweder wie im Harn-, im Eileiter, dem Fruchthalter
und auch häufig im Darm nach dem sogenannten peristaltischen
oder wie gewöhnlich im Darm nach dem sogenannten penduliren-
den Modus
. Im ersteren der beiden verbreitet sich nach einer Rich-
tung hin die Verkürzung von der ursprünglich ergriffenen auf unmit-
telbar angrenzende Stellen, während sie, nachdem dieses geschehen,
sich von den ursprünglich ergriffenen zurückzieht. Diesem gemäss
geräth auf Veranlassung einer örtlichen Erregung die gesammte Mus-
kelsubstanz einer der angegebenen Canäle nach einer zeitlichen Rei-
henfolge in Zusammenziehung, in der Art, dass gleichzeitig jedesmal
nur ein kleiner begrenzter Abschnitt sich in dem bezeichneten Zustand
befindet. Die Richtung in welcher diese Bewegung fortschreitet geht
immer von oben nach unten also vom Magen, Nieren, Eierstöcken
nach dem After, der Blase, der Scheide. — Im pendelnden Modus
schreitet die Verkürzung nicht continuirlich sondern sprungweise fort,
so dass die der Zeit nach aufeinander folgenden Zusammenziehungen
örtlich nicht unmittelbar aneinander grenzen, sondern an Stellen vor
sich gehen, welche durch ruhige Stücke von einander getrennt sind.
Gewöhnlich kehrt im pendelnden Modus jede Einzelbewegung rhyth-
misch, d. h. nach einiger Zeit, wieder, so dass das ruhige zwischen
den zusammengezogenen Stellen liegende Stück wie ein Pendel bald
nach dieser und bald nach jener Seite geführt wird.

7. Automatische Erregung. Die bewegungserzeugenden Ner-
ven des sympathischen Systems gerathen in Erregung selbst dann noch,
wenn keines der Mittel, welche wir als Erreger kennen lernten, nach-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0196" n="182"/><fw place="top" type="header">Anordnung der Bewegungen.</fw><lb/>
hier zwischen tetanischer und momentaner Erregung besteht, liegt<lb/>
darin, dass nach tetanischer Erregung die rhythmische Bewegung statt<lb/>
der erwarteten tetanischen Verkürzung immer zum Vorschein kommt,<lb/>
während die momentane Erregung häufig auch nur eine einzige Zu-<lb/>
sammenziehung zum Gefolge hat; &#x2014; bei grösserer Erregbarkeit und<lb/>
intensiven Erregern scheint der Rhythmus ein beschleunigterer zu<lb/>
sein als bei entgegengesetzten Verhältnissen.</p><lb/>
            <p>Diese Erscheinung bemerkt man sehr häufig auch noch in kleinen Stücken der<lb/>
vom sympathischen Nerven beherrschten Muskelapparate, in denen man beiläufig<lb/>
auch nach genauester mikroskopischer Zergliederung keine Ganglien wahrnehmen<lb/>
kann; w. z. B. am Schlund der Hühner.</p><lb/>
            <p>6. <hi rendition="#g">Verkettung der Einzelbewegungen zu einer zusam-<lb/>
mengehörigen Reihenfolge von Bewegungen</hi>. Wenn in<lb/>
einer der grösseren, funktionell zueinander gehörigen Abtheilun-<lb/>
gen, welche im sympathischen System enthalten sind, während eines<lb/>
höhern Erregbarkeitsgrades derselben eine Bewegung eingeleitet<lb/>
wird, so beschränkt sich meistentheils die Zusammenziehung nicht<lb/>
auf die Oertlichkeit, in welcher sie zuerst auftrat. Dieses Umsichgrei-<lb/>
fen der Zusammenziehung geschieht nach zwei verschiedenen Wei-<lb/>
sen, und zwar entweder wie im Harn-, im Eileiter, dem Fruchthalter<lb/>
und auch häufig im Darm nach dem sogenannten <hi rendition="#g">peristaltischen</hi><lb/>
oder wie gewöhnlich im Darm nach dem sogenannten <hi rendition="#g">penduliren-<lb/>
den Modus</hi>. Im ersteren der beiden verbreitet sich nach einer Rich-<lb/>
tung hin die Verkürzung von der ursprünglich ergriffenen auf unmit-<lb/>
telbar angrenzende Stellen, während sie, nachdem dieses geschehen,<lb/>
sich von den ursprünglich ergriffenen zurückzieht. Diesem gemäss<lb/>
geräth auf Veranlassung einer örtlichen Erregung die gesammte Mus-<lb/>
kelsubstanz einer der angegebenen Canäle nach einer zeitlichen Rei-<lb/>
henfolge in Zusammenziehung, in der Art, dass gleichzeitig jedesmal<lb/>
nur ein kleiner begrenzter Abschnitt sich in dem bezeichneten Zustand<lb/>
befindet. Die Richtung in welcher diese Bewegung fortschreitet geht<lb/>
immer von oben nach unten also vom Magen, Nieren, Eierstöcken<lb/>
nach dem After, der Blase, der Scheide. &#x2014; Im pendelnden Modus<lb/>
schreitet die Verkürzung nicht continuirlich sondern sprungweise fort,<lb/>
so dass die der Zeit nach aufeinander folgenden Zusammenziehungen<lb/>
örtlich nicht unmittelbar aneinander grenzen, sondern an Stellen vor<lb/>
sich gehen, welche durch ruhige Stücke von einander getrennt sind.<lb/>
Gewöhnlich kehrt im pendelnden Modus jede Einzelbewegung rhyth-<lb/>
misch, d. h. nach einiger Zeit, wieder, so dass das ruhige zwischen<lb/>
den zusammengezogenen Stellen liegende Stück wie ein Pendel bald<lb/>
nach dieser und bald nach jener Seite geführt wird.</p><lb/>
            <p>7. <hi rendition="#g">Automatische Erregung</hi>. Die bewegungserzeugenden Ner-<lb/>
ven des sympathischen Systems gerathen in Erregung selbst dann noch,<lb/>
wenn keines der Mittel, welche wir als Erreger kennen lernten, nach-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0196] Anordnung der Bewegungen. hier zwischen tetanischer und momentaner Erregung besteht, liegt darin, dass nach tetanischer Erregung die rhythmische Bewegung statt der erwarteten tetanischen Verkürzung immer zum Vorschein kommt, während die momentane Erregung häufig auch nur eine einzige Zu- sammenziehung zum Gefolge hat; — bei grösserer Erregbarkeit und intensiven Erregern scheint der Rhythmus ein beschleunigterer zu sein als bei entgegengesetzten Verhältnissen. Diese Erscheinung bemerkt man sehr häufig auch noch in kleinen Stücken der vom sympathischen Nerven beherrschten Muskelapparate, in denen man beiläufig auch nach genauester mikroskopischer Zergliederung keine Ganglien wahrnehmen kann; w. z. B. am Schlund der Hühner. 6. Verkettung der Einzelbewegungen zu einer zusam- mengehörigen Reihenfolge von Bewegungen. Wenn in einer der grösseren, funktionell zueinander gehörigen Abtheilun- gen, welche im sympathischen System enthalten sind, während eines höhern Erregbarkeitsgrades derselben eine Bewegung eingeleitet wird, so beschränkt sich meistentheils die Zusammenziehung nicht auf die Oertlichkeit, in welcher sie zuerst auftrat. Dieses Umsichgrei- fen der Zusammenziehung geschieht nach zwei verschiedenen Wei- sen, und zwar entweder wie im Harn-, im Eileiter, dem Fruchthalter und auch häufig im Darm nach dem sogenannten peristaltischen oder wie gewöhnlich im Darm nach dem sogenannten penduliren- den Modus. Im ersteren der beiden verbreitet sich nach einer Rich- tung hin die Verkürzung von der ursprünglich ergriffenen auf unmit- telbar angrenzende Stellen, während sie, nachdem dieses geschehen, sich von den ursprünglich ergriffenen zurückzieht. Diesem gemäss geräth auf Veranlassung einer örtlichen Erregung die gesammte Mus- kelsubstanz einer der angegebenen Canäle nach einer zeitlichen Rei- henfolge in Zusammenziehung, in der Art, dass gleichzeitig jedesmal nur ein kleiner begrenzter Abschnitt sich in dem bezeichneten Zustand befindet. Die Richtung in welcher diese Bewegung fortschreitet geht immer von oben nach unten also vom Magen, Nieren, Eierstöcken nach dem After, der Blase, der Scheide. — Im pendelnden Modus schreitet die Verkürzung nicht continuirlich sondern sprungweise fort, so dass die der Zeit nach aufeinander folgenden Zusammenziehungen örtlich nicht unmittelbar aneinander grenzen, sondern an Stellen vor sich gehen, welche durch ruhige Stücke von einander getrennt sind. Gewöhnlich kehrt im pendelnden Modus jede Einzelbewegung rhyth- misch, d. h. nach einiger Zeit, wieder, so dass das ruhige zwischen den zusammengezogenen Stellen liegende Stück wie ein Pendel bald nach dieser und bald nach jener Seite geführt wird. 7. Automatische Erregung. Die bewegungserzeugenden Ner- ven des sympathischen Systems gerathen in Erregung selbst dann noch, wenn keines der Mittel, welche wir als Erreger kennen lernten, nach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/196
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/196>, abgerufen am 23.11.2024.