Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren.
regbarkeit seiner Röhren sind eigenthümliche; seine bewegenden
Röhren wirken nach besondern Combinationen und endlich enthält er
selbsterregende Stellen.

1. Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren. --
Die Untersuchung, welche die Ursprünge und Verbreitungsbezirke der
motorischen Röhren aufzudecken trachtet, hat mit besondern weit-
aus noch nicht überwundenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn ab-
gesehen davon, dass einige Thatsachen die Wahrscheinlichkeit erhe-
ben, es mögten viele Muskelnerven im Sympathicus statt einer ver-
kürzenden eine erschlaffende Wirkung auf ihre zugehörigen Muskeln
üben, -- eine Möglichkeit, welche alle bisherigen Untersuchungen
noch übersehen haben -- stellen sich auch nachweislich folgende
Hemmnisse dem Beobachter entgegen: a. die Nerven sind während
des vollkommen gesunden Bestehens eines Thieres nicht immer in
einem solchen Zustande, dass sie die ihnen zukommende verkür-
zende Wirkung einleiten können, Wild. -- b. Innerhalb des sympa-
thischen Systems finden sich automatische Einrichtungen, welche
unter noch unbekannte Bedingungen selbstständige Bewegungen
einleiten; treten demnach Bewegungen nach einem erregenden Einfluss
auf, so kann nicht entschieden werden, ob sie von diesem letzteren oder
vom automatischen Organ erzeugt worden sind. Diese Fehlerquelle ist
um so einflussreicher, als man meist unter Umständen zu operiren ge-
zwungen ist, (nach Eröffnung der Bauchhöhle u. s. w.) unter denen
wahrscheinlich auch eine verbreitete Erregung der automatischen Or-
gane eintritt. -- c. Die auf eine tetanische oder momentane Erregung
eines sympathischen Nerven eintretende Muskelverkürzung beginnt we-
der in einer bestimmten und kurzen Zeit nach der Erregung, noch schliesst
sie mit derselben, noch geht sie endlich ihrem Modus parallel, indem
selbst auf dauernde Erregung eines Nerven der Muskel sich wech-
selnd bald verkürzt, bald verlängert. Aus diesen Gründen wird der
Schluss auf die Zusammengehörigkeit des Erregers und der Bewegung
getrübt. -- d. Die Bewegung, welche in einem Abschnitt eines zum n.
sympathicus gehörenden Muskelapparates eingeleitet wurde, bleibt in-
nerhalb desselben nicht isolirt, sondern erstreckt sich auf mannigfache
Weise durch reflektorische Beziehungen weiter. Hieraus folgt, dass wir
nicht mit Sicherheit angeben können, welche Muskeln direkt von die-
sem oder jenem Nerven abhängig sind. Diese Fehlerquelle wird um so
bedeutender, da, wie sich aus c. ergibt, das Criterium im sympathischen
System fehlt, durch welches sich meist in cerebrospinalen die reflek-
torischen von den geradezu erregten unterscheiden. -- Gegen diese
Uebelstände hat man, obwohl man sich ihrer mehr oder weniger deutlich
bewusst war, keine Abhilfegesucht oder gefunden, mit der einzigen Aus-
nahme, dass man die Bewegung der Eingeweide dem Auge sichtbar zu
machen suchte, ohne dieselben zu entblössen, wodurch allerdings

Ludwig, Physiologie I. 12

Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren.
regbarkeit seiner Röhren sind eigenthümliche; seine bewegenden
Röhren wirken nach besondern Combinationen und endlich enthält er
selbsterregende Stellen.

1. Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren. —
Die Untersuchung, welche die Ursprünge und Verbreitungsbezirke der
motorischen Röhren aufzudecken trachtet, hat mit besondern weit-
aus noch nicht überwundenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn ab-
gesehen davon, dass einige Thatsachen die Wahrscheinlichkeit erhe-
ben, es mögten viele Muskelnerven im Sympathicus statt einer ver-
kürzenden eine erschlaffende Wirkung auf ihre zugehörigen Muskeln
üben, — eine Möglichkeit, welche alle bisherigen Untersuchungen
noch übersehen haben — stellen sich auch nachweislich folgende
Hemmnisse dem Beobachter entgegen: a. die Nerven sind während
des vollkommen gesunden Bestehens eines Thieres nicht immer in
einem solchen Zustande, dass sie die ihnen zukommende verkür-
zende Wirkung einleiten können, Wild. — b. Innerhalb des sympa-
thischen Systems finden sich automatische Einrichtungen, welche
unter noch unbekannte Bedingungen selbstständige Bewegungen
einleiten; treten demnach Bewegungen nach einem erregenden Einfluss
auf, so kann nicht entschieden werden, ob sie von diesem letzteren oder
vom automatischen Organ erzeugt worden sind. Diese Fehlerquelle ist
um so einflussreicher, als man meist unter Umständen zu operiren ge-
zwungen ist, (nach Eröffnung der Bauchhöhle u. s. w.) unter denen
wahrscheinlich auch eine verbreitete Erregung der automatischen Or-
gane eintritt. — c. Die auf eine tetanische oder momentane Erregung
eines sympathischen Nerven eintretende Muskelverkürzung beginnt we-
der in einer bestimmten und kurzen Zeit nach der Erregung, noch schliesst
sie mit derselben, noch geht sie endlich ihrem Modus parallel, indem
selbst auf dauernde Erregung eines Nerven der Muskel sich wech-
selnd bald verkürzt, bald verlängert. Aus diesen Gründen wird der
Schluss auf die Zusammengehörigkeit des Erregers und der Bewegung
getrübt. — d. Die Bewegung, welche in einem Abschnitt eines zum n.
sympathicus gehörenden Muskelapparates eingeleitet wurde, bleibt in-
nerhalb desselben nicht isolirt, sondern erstreckt sich auf mannigfache
Weise durch reflektorische Beziehungen weiter. Hieraus folgt, dass wir
nicht mit Sicherheit angeben können, welche Muskeln direkt von die-
sem oder jenem Nerven abhängig sind. Diese Fehlerquelle wird um so
bedeutender, da, wie sich aus c. ergibt, das Criterium im sympathischen
System fehlt, durch welches sich meist in cerebrospinalen die reflek-
torischen von den geradezu erregten unterscheiden. — Gegen diese
Uebelstände hat man, obwohl man sich ihrer mehr oder weniger deutlich
bewusst war, keine Abhilfegesucht oder gefunden, mit der einzigen Aus-
nahme, dass man die Bewegung der Eingeweide dem Auge sichtbar zu
machen suchte, ohne dieselben zu entblössen, wodurch allerdings

Ludwig, Physiologie I. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0191" n="177"/><fw place="top" type="header">Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren.</fw><lb/>
regbarkeit seiner Röhren sind eigenthümliche; seine bewegenden<lb/>
Röhren wirken nach besondern Combinationen und endlich enthält er<lb/>
selbsterregende Stellen.</p><lb/>
            <p>1. <hi rendition="#g">Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren</hi>. &#x2014;<lb/>
Die Untersuchung, welche die Ursprünge und Verbreitungsbezirke der<lb/>
motorischen Röhren aufzudecken trachtet, hat mit besondern weit-<lb/>
aus noch nicht überwundenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn ab-<lb/>
gesehen davon, dass einige Thatsachen die Wahrscheinlichkeit erhe-<lb/>
ben, es mögten viele Muskelnerven im Sympathicus statt einer ver-<lb/>
kürzenden eine erschlaffende Wirkung auf ihre zugehörigen Muskeln<lb/>
üben, &#x2014; eine Möglichkeit, welche alle bisherigen Untersuchungen<lb/>
noch übersehen haben &#x2014; stellen sich auch nachweislich folgende<lb/>
Hemmnisse dem Beobachter entgegen: a. die Nerven sind während<lb/>
des vollkommen gesunden Bestehens eines Thieres nicht immer in<lb/>
einem solchen Zustande, dass sie die ihnen zukommende verkür-<lb/>
zende Wirkung einleiten können, <hi rendition="#g">Wild</hi>. &#x2014; b. Innerhalb des sympa-<lb/>
thischen Systems finden sich automatische Einrichtungen, welche<lb/>
unter noch unbekannte Bedingungen selbstständige Bewegungen<lb/>
einleiten; treten demnach Bewegungen nach einem erregenden Einfluss<lb/>
auf, so kann nicht entschieden werden, ob sie von diesem letzteren oder<lb/>
vom automatischen Organ erzeugt worden sind. Diese Fehlerquelle ist<lb/>
um so einflussreicher, als man meist unter Umständen zu operiren ge-<lb/>
zwungen ist, (nach Eröffnung der Bauchhöhle u. s. w.) unter denen<lb/>
wahrscheinlich auch eine verbreitete Erregung der automatischen Or-<lb/>
gane eintritt. &#x2014; c. Die auf eine tetanische oder momentane Erregung<lb/>
eines sympathischen Nerven eintretende Muskelverkürzung beginnt we-<lb/>
der in einer bestimmten und kurzen Zeit nach der Erregung, noch schliesst<lb/>
sie mit derselben, noch geht sie endlich ihrem Modus parallel, indem<lb/>
selbst auf dauernde Erregung eines Nerven der Muskel sich wech-<lb/>
selnd bald verkürzt, bald verlängert. Aus diesen Gründen wird der<lb/>
Schluss auf die Zusammengehörigkeit des Erregers und der Bewegung<lb/>
getrübt. &#x2014; d. Die Bewegung, welche in einem Abschnitt eines zum n.<lb/>
sympathicus gehörenden Muskelapparates eingeleitet wurde, bleibt in-<lb/>
nerhalb desselben nicht isolirt, sondern erstreckt sich auf mannigfache<lb/>
Weise durch reflektorische Beziehungen weiter. Hieraus folgt, dass wir<lb/>
nicht mit Sicherheit angeben können, welche Muskeln direkt von die-<lb/>
sem oder jenem Nerven abhängig sind. Diese Fehlerquelle wird um so<lb/>
bedeutender, da, wie sich aus c. ergibt, das Criterium im sympathischen<lb/>
System fehlt, durch welches sich meist in cerebrospinalen die reflek-<lb/>
torischen von den geradezu erregten unterscheiden. &#x2014; Gegen diese<lb/>
Uebelstände hat man, obwohl man sich ihrer mehr oder weniger deutlich<lb/>
bewusst war, keine Abhilfegesucht oder gefunden, mit der einzigen Aus-<lb/>
nahme, dass man die Bewegung der Eingeweide dem Auge sichtbar zu<lb/>
machen suchte, ohne dieselben zu entblössen, wodurch allerdings<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ludwig, Physiologie I. 12</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0191] Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren. regbarkeit seiner Röhren sind eigenthümliche; seine bewegenden Röhren wirken nach besondern Combinationen und endlich enthält er selbsterregende Stellen. 1. Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren. — Die Untersuchung, welche die Ursprünge und Verbreitungsbezirke der motorischen Röhren aufzudecken trachtet, hat mit besondern weit- aus noch nicht überwundenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn ab- gesehen davon, dass einige Thatsachen die Wahrscheinlichkeit erhe- ben, es mögten viele Muskelnerven im Sympathicus statt einer ver- kürzenden eine erschlaffende Wirkung auf ihre zugehörigen Muskeln üben, — eine Möglichkeit, welche alle bisherigen Untersuchungen noch übersehen haben — stellen sich auch nachweislich folgende Hemmnisse dem Beobachter entgegen: a. die Nerven sind während des vollkommen gesunden Bestehens eines Thieres nicht immer in einem solchen Zustande, dass sie die ihnen zukommende verkür- zende Wirkung einleiten können, Wild. — b. Innerhalb des sympa- thischen Systems finden sich automatische Einrichtungen, welche unter noch unbekannte Bedingungen selbstständige Bewegungen einleiten; treten demnach Bewegungen nach einem erregenden Einfluss auf, so kann nicht entschieden werden, ob sie von diesem letzteren oder vom automatischen Organ erzeugt worden sind. Diese Fehlerquelle ist um so einflussreicher, als man meist unter Umständen zu operiren ge- zwungen ist, (nach Eröffnung der Bauchhöhle u. s. w.) unter denen wahrscheinlich auch eine verbreitete Erregung der automatischen Or- gane eintritt. — c. Die auf eine tetanische oder momentane Erregung eines sympathischen Nerven eintretende Muskelverkürzung beginnt we- der in einer bestimmten und kurzen Zeit nach der Erregung, noch schliesst sie mit derselben, noch geht sie endlich ihrem Modus parallel, indem selbst auf dauernde Erregung eines Nerven der Muskel sich wech- selnd bald verkürzt, bald verlängert. Aus diesen Gründen wird der Schluss auf die Zusammengehörigkeit des Erregers und der Bewegung getrübt. — d. Die Bewegung, welche in einem Abschnitt eines zum n. sympathicus gehörenden Muskelapparates eingeleitet wurde, bleibt in- nerhalb desselben nicht isolirt, sondern erstreckt sich auf mannigfache Weise durch reflektorische Beziehungen weiter. Hieraus folgt, dass wir nicht mit Sicherheit angeben können, welche Muskeln direkt von die- sem oder jenem Nerven abhängig sind. Diese Fehlerquelle wird um so bedeutender, da, wie sich aus c. ergibt, das Criterium im sympathischen System fehlt, durch welches sich meist in cerebrospinalen die reflek- torischen von den geradezu erregten unterscheiden. — Gegen diese Uebelstände hat man, obwohl man sich ihrer mehr oder weniger deutlich bewusst war, keine Abhilfegesucht oder gefunden, mit der einzigen Aus- nahme, dass man die Bewegung der Eingeweide dem Auge sichtbar zu machen suchte, ohne dieselben zu entblössen, wodurch allerdings Ludwig, Physiologie I. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/191
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/191>, abgerufen am 27.11.2024.