gewöhnen sich an ihn; sie sehen ihn für einen Vogel an, wie sie sind, nur größer, aber friedlich, wie sie; und die Wolken hoch am Himmel haben sich nie um ihn gekümmert. Die Damen neideten ihm die Aus¬ sicht. Wer konnte so frei über die grüne Ebene hin¬ seh'n und wie Berge hinter Bergen hervorwachsen, erst grün, dann immer blauer, bis wo der Himmel, noch blauer, sich auf die letzten stützt! Aber er kümmert sich so wenig um die Berge, wie die Wolken sich um ihn. Tag für Tag handthiert er mit Flickeisen und Klaue, Tag für Tag hämmert er Schiefer zurecht und Nägel ein, bis er fertig ist mit Hämmern und Nageln. Und eines Tages sind Mann, Fahrzeug, Leiter und Rüstung verschwunden. Das Entfernen der Leiter ist so gefähr¬ lich, als ihre Befestigung, aber es faltet Niemand unten die Hände, kein Mund rühmt des Mannes That zwischen Himmel und Erde. Die Krähen wun¬ dern sich eine ganze Woche lang, dann ist's, als hät¬ ten sie vor Jahren von einem seltsamen Vogel geträumt. Tief unten lärmt noch das Gewühl der Wanderer der Erde, hoch oben geh'n noch die Wanderer des Him¬ mels, die stillen Wolken, ihren großen Gang, aber Niemand mehr umfliegt das steile Dach, als der Doh¬ len krächzender Schwarm.
Apollonius hatte zum Behufe seines Gutachtens noch manche Untersuchungen angestellt. Das Thurm¬ dach war mit Metall gedeckt; diese Decke lag schon
gewöhnen ſich an ihn; ſie ſehen ihn für einen Vogel an, wie ſie ſind, nur größer, aber friedlich, wie ſie; und die Wolken hoch am Himmel haben ſich nie um ihn gekümmert. Die Damen neideten ihm die Aus¬ ſicht. Wer konnte ſo frei über die grüne Ebene hin¬ ſeh'n und wie Berge hinter Bergen hervorwachſen, erſt grün, dann immer blauer, bis wo der Himmel, noch blauer, ſich auf die letzten ſtützt! Aber er kümmert ſich ſo wenig um die Berge, wie die Wolken ſich um ihn. Tag für Tag handthiert er mit Flickeiſen und Klaue, Tag für Tag hämmert er Schiefer zurecht und Nägel ein, bis er fertig iſt mit Hämmern und Nageln. Und eines Tages ſind Mann, Fahrzeug, Leiter und Rüſtung verſchwunden. Das Entfernen der Leiter iſt ſo gefähr¬ lich, als ihre Befeſtigung, aber es faltet Niemand unten die Hände, kein Mund rühmt des Mannes That zwiſchen Himmel und Erde. Die Krähen wun¬ dern ſich eine ganze Woche lang, dann iſt's, als hät¬ ten ſie vor Jahren von einem ſeltſamen Vogel geträumt. Tief unten lärmt noch das Gewühl der Wanderer der Erde, hoch oben geh'n noch die Wanderer des Him¬ mels, die ſtillen Wolken, ihren großen Gang, aber Niemand mehr umfliegt das ſteile Dach, als der Doh¬ len krächzender Schwarm.
Apollonius hatte zum Behufe ſeines Gutachtens noch manche Unterſuchungen angeſtellt. Das Thurm¬ dach war mit Metall gedeckt; dieſe Decke lag ſchon
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gewöhnen ſich an ihn; ſie ſehen ihn für einen Vogel
an, wie ſie ſind, nur größer, aber friedlich, wie ſie;
und die Wolken hoch am Himmel haben ſich nie um
ihn gekümmert. Die Damen neideten ihm die Aus¬
ſicht. Wer konnte ſo frei über die grüne Ebene hin¬
ſeh'n und wie Berge hinter Bergen hervorwachſen, erſt
grün, dann immer blauer, bis wo der Himmel, noch
blauer, ſich auf die letzten ſtützt! Aber er kümmert ſich
ſo wenig um die Berge, wie die Wolken ſich um ihn.
Tag für Tag handthiert er mit Flickeiſen und Klaue,
Tag für Tag hämmert er Schiefer zurecht und Nägel
ein, bis er fertig iſt mit Hämmern und Nageln. Und
eines Tages ſind Mann, Fahrzeug, Leiter und Rüſtung
verſchwunden. Das Entfernen der Leiter iſt ſo gefähr¬
lich, als ihre Befeſtigung, aber es faltet Niemand
unten die Hände, kein Mund rühmt des Mannes
That zwiſchen Himmel und Erde. Die Krähen wun¬
dern ſich eine ganze Woche lang, dann iſt's, als hät¬
ten ſie vor Jahren von einem ſeltſamen Vogel geträumt.
Tief unten lärmt noch das Gewühl der Wanderer der
Erde, hoch oben geh'n noch die Wanderer des Him¬
mels, die ſtillen Wolken, ihren großen Gang, aber
Niemand mehr umfliegt das ſteile Dach, als der Doh¬
len krächzender Schwarm.
Apollonius hatte zum Behufe ſeines Gutachtens
noch manche Unterſuchungen angeſtellt. Das Thurm¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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