Als er sich eingerichtet sah, ging er sogleich an das verlangte Gutachten. Die Reparatur war auf seinen Rath beschlossen worden. Er empfand, er war nicht allein als seines Vaters Geselle, als bloßer Arbeiter dabei betheiligt; er fühlte, er hatte noch eine besondere moralische Verpflichtung gegen seine Vaterstadt einge¬ gangen; er mußte thun, was in seinen Kräften stand, ihr zu genügen. Er wußte nicht, daß kein Bewußt¬ sein einer solchen dazu nöthig war; er hätte ohnedies gethan, was er vermocht; er kannte sich zu wenig, um das zu wissen.
In dieser erhöhten Stimmung erschien ihm leicht, was sein Dableiben von Seiten des Bruders und der Schwägerin unbehaglich zu machen drohte, zu beseiti¬ gen. Der Bruder wünschte sein Geh'n ja nur um des Widerwillens der Schwägerin willen, und der war durch Ausdauer redlichen Mühens zu besiegen. Sei¬ nen Bruder hatte er nie beleidigt; er wollte sich ihm im Geschäfte willig unterordnen. Er dachte nicht, daß man beleidigen kann, ohne zu wissen und zu wollen, ja, daß die Pflicht gebieten könne, zu beleidigen. Er dachte nicht, daß sein Bruder ihn beleidigt haben könnte. Er wußte nicht, man könne auch den hassen, den man beleidigt, nicht bloß den Beleidiger.
Unten am Schuppen stand der ungemüthliche Ge¬ selle grinsend vor Fritz Nettenmair. Er sagte: mit dem ersten Blick hab' ich einen weg. Ja, der Herr Apol¬
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Als er ſich eingerichtet ſah, ging er ſogleich an das verlangte Gutachten. Die Reparatur war auf ſeinen Rath beſchloſſen worden. Er empfand, er war nicht allein als ſeines Vaters Geſelle, als bloßer Arbeiter dabei betheiligt; er fühlte, er hatte noch eine beſondere moraliſche Verpflichtung gegen ſeine Vaterſtadt einge¬ gangen; er mußte thun, was in ſeinen Kräften ſtand, ihr zu genügen. Er wußte nicht, daß kein Bewußt¬ ſein einer ſolchen dazu nöthig war; er hätte ohnedies gethan, was er vermocht; er kannte ſich zu wenig, um das zu wiſſen.
In dieſer erhöhten Stimmung erſchien ihm leicht, was ſein Dableiben von Seiten des Bruders und der Schwägerin unbehaglich zu machen drohte, zu beſeiti¬ gen. Der Bruder wünſchte ſein Geh'n ja nur um des Widerwillens der Schwägerin willen, und der war durch Ausdauer redlichen Mühens zu beſiegen. Sei¬ nen Bruder hatte er nie beleidigt; er wollte ſich ihm im Geſchäfte willig unterordnen. Er dachte nicht, daß man beleidigen kann, ohne zu wiſſen und zu wollen, ja, daß die Pflicht gebieten könne, zu beleidigen. Er dachte nicht, daß ſein Bruder ihn beleidigt haben könnte. Er wußte nicht, man könne auch den haſſen, den man beleidigt, nicht bloß den Beleidiger.
Unten am Schuppen ſtand der ungemüthliche Ge¬ ſelle grinſend vor Fritz Nettenmair. Er ſagte: mit dem erſten Blick hab' ich einen weg. Ja, der Herr Apol¬
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Als er ſich eingerichtet ſah, ging er ſogleich an das
verlangte Gutachten. Die Reparatur war auf ſeinen
Rath beſchloſſen worden. Er empfand, er war nicht
allein als ſeines Vaters Geſelle, als bloßer Arbeiter
dabei betheiligt; er fühlte, er hatte noch eine beſondere
moraliſche Verpflichtung gegen ſeine Vaterſtadt einge¬
gangen; er mußte thun, was in ſeinen Kräften ſtand,
ihr zu genügen. Er wußte nicht, daß kein Bewußt¬
ſein einer ſolchen dazu nöthig war; er hätte ohnedies
gethan, was er vermocht; er kannte ſich zu wenig, um
das zu wiſſen.
In dieſer erhöhten Stimmung erſchien ihm leicht,
was ſein Dableiben von Seiten des Bruders und der
Schwägerin unbehaglich zu machen drohte, zu beſeiti¬
gen. Der Bruder wünſchte ſein Geh'n ja nur um
des Widerwillens der Schwägerin willen, und der war
durch Ausdauer redlichen Mühens zu beſiegen. Sei¬
nen Bruder hatte er nie beleidigt; er wollte ſich ihm
im Geſchäfte willig unterordnen. Er dachte nicht, daß
man beleidigen kann, ohne zu wiſſen und zu wollen,
ja, daß die Pflicht gebieten könne, zu beleidigen. Er
dachte nicht, daß ſein Bruder ihn beleidigt haben könnte.
Er wußte nicht, man könne auch den haſſen, den man
beleidigt, nicht bloß den Beleidiger.
Unten am Schuppen ſtand der ungemüthliche Ge¬
ſelle grinſend vor Fritz Nettenmair. Er ſagte: mit dem
erſten Blick hab' ich einen weg. Ja, der Herr Apol¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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