Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Spiegel, steckte die Hände in die Beinkleidertaschen
und klapperte mit dem Gelde darin. Er besann sich,
schon dem Gesellen am Schuppen gesagt zu haben:
Es bleibt beim Alten in der Arbeit. Du nimmst von
Niemand Befehle, als von mir. Ich bin Herr hier.
Und der hatte so eigen zweideutig gelacht, als sagte
er ein lautes Ja zu dem Redenden und zu sich: ich laß'
dich so reden, weil ich es bin. Fritz Nettenmair dachte:
lange wird er nicht bleiben; dafür will ich schon thun. Und
über der Bewegung, die wiederum sagte: ich bin ein
Kerl, der das Leben versteht, fiel ihm der Ball ein,
an dem er das heute Abend noch viel genugthuender
empfinden wird, weil er's in allen Augen lesen kann,
was er ist und kein Anderer so außer ihm.

Seine junge Frau scheint Aehnliches zu denken.
Auch sie sieht in den Spiegel; ihre Blicke begegnen sich
darin. Die Ehe soll die Gatten sich ähnlich machen.
Hier traf die Bemerkung. Das Zusammenleben hatte
hier zwei Gesichter sich ähnlich gemacht, die unter
andern Umständen sich vielleicht eben so unähnlich sehen
würden. Und es hatte eigentlich nicht beide einander
ähnlich gemacht, sondern nur eins davon dem andern.
Die übereinstimmenden Züge, das konnte ein scharfes
Auge seh'n, waren nur ihm eigen; er hatte nur gege¬
ben, aber nicht empfangen. Und doch wär' es umge¬
kehrt besser gewesen für Beide, wenn er's auch nicht
eingesteh'n würde und sie es nicht fühlte, wenigstens

Spiegel, ſteckte die Hände in die Beinkleidertaſchen
und klapperte mit dem Gelde darin. Er beſann ſich,
ſchon dem Geſellen am Schuppen geſagt zu haben:
Es bleibt beim Alten in der Arbeit. Du nimmſt von
Niemand Befehle, als von mir. Ich bin Herr hier.
Und der hatte ſo eigen zweideutig gelacht, als ſagte
er ein lautes Ja zu dem Redenden und zu ſich: ich laß'
dich ſo reden, weil ich es bin. Fritz Nettenmair dachte:
lange wird er nicht bleiben; dafür will ich ſchon thun. Und
über der Bewegung, die wiederum ſagte: ich bin ein
Kerl, der das Leben verſteht, fiel ihm der Ball ein,
an dem er das heute Abend noch viel genugthuender
empfinden wird, weil er's in allen Augen leſen kann,
was er iſt und kein Anderer ſo außer ihm.

Seine junge Frau ſcheint Aehnliches zu denken.
Auch ſie ſieht in den Spiegel; ihre Blicke begegnen ſich
darin. Die Ehe ſoll die Gatten ſich ähnlich machen.
Hier traf die Bemerkung. Das Zuſammenleben hatte
hier zwei Geſichter ſich ähnlich gemacht, die unter
andern Umſtänden ſich vielleicht eben ſo unähnlich ſehen
würden. Und es hatte eigentlich nicht beide einander
ähnlich gemacht, ſondern nur eins davon dem andern.
Die übereinſtimmenden Züge, das konnte ein ſcharfes
Auge ſeh'n, waren nur ihm eigen; er hatte nur gege¬
ben, aber nicht empfangen. Und doch wär' es umge¬
kehrt beſſer geweſen für Beide, wenn er's auch nicht
eingeſteh'n würde und ſie es nicht fühlte, wenigſtens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="41"/>
Spiegel, &#x017F;teckte die Hände in die Beinkleiderta&#x017F;chen<lb/>
und klapperte mit dem Gelde darin. Er be&#x017F;ann &#x017F;ich,<lb/>
&#x017F;chon dem Ge&#x017F;ellen am Schuppen ge&#x017F;agt zu haben:<lb/>
Es bleibt beim Alten in der Arbeit. Du nimm&#x017F;t von<lb/>
Niemand Befehle, als von mir. Ich bin Herr hier.<lb/>
Und der hatte &#x017F;o eigen zweideutig gelacht, als &#x017F;agte<lb/>
er ein lautes Ja zu dem Redenden und zu &#x017F;ich: ich laß'<lb/>
dich &#x017F;o reden, weil ich es bin. Fritz Nettenmair dachte:<lb/>
lange wird er nicht bleiben; dafür will ich &#x017F;chon thun. Und<lb/>
über der Bewegung, die wiederum &#x017F;agte: ich bin ein<lb/>
Kerl, der das Leben ver&#x017F;teht, fiel ihm der Ball ein,<lb/>
an dem er das heute Abend noch viel genugthuender<lb/>
empfinden wird, weil er's in allen Augen le&#x017F;en kann,<lb/>
was er i&#x017F;t und kein Anderer &#x017F;o außer ihm.</p><lb/>
        <p>Seine junge Frau &#x017F;cheint Aehnliches zu denken.<lb/>
Auch &#x017F;ie &#x017F;ieht in den Spiegel; ihre Blicke begegnen &#x017F;ich<lb/>
darin. Die Ehe &#x017F;oll die Gatten &#x017F;ich ähnlich machen.<lb/>
Hier traf die Bemerkung. Das Zu&#x017F;ammenleben hatte<lb/>
hier zwei Ge&#x017F;ichter &#x017F;ich ähnlich gemacht, die unter<lb/>
andern Um&#x017F;tänden &#x017F;ich vielleicht eben &#x017F;o unähnlich &#x017F;ehen<lb/>
würden. Und es hatte eigentlich nicht beide einander<lb/>
ähnlich gemacht, &#x017F;ondern nur eins davon dem andern.<lb/>
Die überein&#x017F;timmenden Züge, das konnte ein &#x017F;charfes<lb/>
Auge &#x017F;eh'n, waren nur ihm eigen; er hatte nur gege¬<lb/>
ben, aber nicht empfangen. Und doch wär' es umge¬<lb/>
kehrt be&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en für Beide, wenn er's auch nicht<lb/>
einge&#x017F;teh'n würde und &#x017F;ie es nicht fühlte, wenig&#x017F;tens<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0050] Spiegel, ſteckte die Hände in die Beinkleidertaſchen und klapperte mit dem Gelde darin. Er beſann ſich, ſchon dem Geſellen am Schuppen geſagt zu haben: Es bleibt beim Alten in der Arbeit. Du nimmſt von Niemand Befehle, als von mir. Ich bin Herr hier. Und der hatte ſo eigen zweideutig gelacht, als ſagte er ein lautes Ja zu dem Redenden und zu ſich: ich laß' dich ſo reden, weil ich es bin. Fritz Nettenmair dachte: lange wird er nicht bleiben; dafür will ich ſchon thun. Und über der Bewegung, die wiederum ſagte: ich bin ein Kerl, der das Leben verſteht, fiel ihm der Ball ein, an dem er das heute Abend noch viel genugthuender empfinden wird, weil er's in allen Augen leſen kann, was er iſt und kein Anderer ſo außer ihm. Seine junge Frau ſcheint Aehnliches zu denken. Auch ſie ſieht in den Spiegel; ihre Blicke begegnen ſich darin. Die Ehe ſoll die Gatten ſich ähnlich machen. Hier traf die Bemerkung. Das Zuſammenleben hatte hier zwei Geſichter ſich ähnlich gemacht, die unter andern Umſtänden ſich vielleicht eben ſo unähnlich ſehen würden. Und es hatte eigentlich nicht beide einander ähnlich gemacht, ſondern nur eins davon dem andern. Die übereinſtimmenden Züge, das konnte ein ſcharfes Auge ſeh'n, waren nur ihm eigen; er hatte nur gege¬ ben, aber nicht empfangen. Und doch wär' es umge¬ kehrt beſſer geweſen für Beide, wenn er's auch nicht eingeſteh'n würde und ſie es nicht fühlte, wenigſtens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/50
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/50>, abgerufen am 23.11.2024.