nichts thun wollten. Wer sich besinnt, in welcher Ge¬ müthslage er am öftesten die Uhr aus der Tasche zog, und noch eh' er sie wieder in die Tasche versenkt, schon vergessen hatte, welche Zeit es sei, und sie wieder her¬ vorholte, und da er nicht wußte, warum er das gethan, sie an das Ohr hielt, und ohne gehört zu haben, ob sie noch ging oder nicht, den Uhrschlüssel suchte und sie aufzog, vielleicht zum dritten Male in Zeit von einer Stunde: der wird, falls er sich noch besinnen kann auf das, was er schon damals nicht wußte, als er es that, errathen können, was die Leute zu all' der zwecklosen Thätigkeit verleitet. Auch der junge Herr, der eben zum sechsten Male seit einer Stunde seine Uhr aufzieh'n will, ist so wenig mit dem Bewußtsein bei diesem Ge¬ schäft, daß er es in der nächsten Viertelstunde zum sie¬ benten Male versuchen wird. Dann setzt er seine wohl¬ genährte, kurze Gestalt auf den Stuhl am Fenster und es ist ungewiß, ob er hinaus auf die Straße sieht, oder ob er bei den Gedanken ist, die in derselben zweck¬ losen Unruhe, die sein Aeußeres zeigt, wie Wolken¬ schatten an seinem Bewußtsein vorbeiflattern. Er sitzt in schwarzer Sonntagskleidung einer jungen Frau gegen¬ über. Er hätte Zeit genug, zu seh'n, wie schön sie ist, wie anmuthig ihr das zerstreute Wesen ansteht, -- und es kleidet sie weit besser, als ihn. Zuweilen scheint er's auch zu seh'n, aber dann ist's, als wär's ihm keine Freude. Dann werden die Gedankenschatten auf
nichts thun wollten. Wer ſich beſinnt, in welcher Ge¬ müthslage er am öfteſten die Uhr aus der Taſche zog, und noch eh' er ſie wieder in die Taſche verſenkt, ſchon vergeſſen hatte, welche Zeit es ſei, und ſie wieder her¬ vorholte, und da er nicht wußte, warum er das gethan, ſie an das Ohr hielt, und ohne gehört zu haben, ob ſie noch ging oder nicht, den Uhrſchlüſſel ſuchte und ſie aufzog, vielleicht zum dritten Male in Zeit von einer Stunde: der wird, falls er ſich noch beſinnen kann auf das, was er ſchon damals nicht wußte, als er es that, errathen können, was die Leute zu all' der zweckloſen Thätigkeit verleitet. Auch der junge Herr, der eben zum ſechſten Male ſeit einer Stunde ſeine Uhr aufzieh'n will, iſt ſo wenig mit dem Bewußtſein bei dieſem Ge¬ ſchäft, daß er es in der nächſten Viertelſtunde zum ſie¬ benten Male verſuchen wird. Dann ſetzt er ſeine wohl¬ genährte, kurze Geſtalt auf den Stuhl am Fenſter und es iſt ungewiß, ob er hinaus auf die Straße ſieht, oder ob er bei den Gedanken iſt, die in derſelben zweck¬ loſen Unruhe, die ſein Aeußeres zeigt, wie Wolken¬ ſchatten an ſeinem Bewußtſein vorbeiflattern. Er ſitzt in ſchwarzer Sonntagskleidung einer jungen Frau gegen¬ über. Er hätte Zeit genug, zu ſeh'n, wie ſchön ſie iſt, wie anmuthig ihr das zerſtreute Weſen anſteht, — und es kleidet ſie weit beſſer, als ihn. Zuweilen ſcheint er's auch zu ſeh'n, aber dann iſt's, als wär's ihm keine Freude. Dann werden die Gedankenſchatten auf
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nichts thun wollten. Wer ſich beſinnt, in welcher Ge¬
müthslage er am öfteſten die Uhr aus der Taſche zog,
und noch eh' er ſie wieder in die Taſche verſenkt, ſchon
vergeſſen hatte, welche Zeit es ſei, und ſie wieder her¬
vorholte, und da er nicht wußte, warum er das gethan,
ſie an das Ohr hielt, und ohne gehört zu haben, ob ſie
noch ging oder nicht, den Uhrſchlüſſel ſuchte und ſie
aufzog, vielleicht zum dritten Male in Zeit von einer
Stunde: der wird, falls er ſich noch beſinnen kann auf
das, was er ſchon damals nicht wußte, als er es that,
errathen können, was die Leute zu all' der zweckloſen
Thätigkeit verleitet. Auch der junge Herr, der eben
zum ſechſten Male ſeit einer Stunde ſeine Uhr aufzieh'n
will, iſt ſo wenig mit dem Bewußtſein bei dieſem Ge¬
ſchäft, daß er es in der nächſten Viertelſtunde zum ſie¬
benten Male verſuchen wird. Dann ſetzt er ſeine wohl¬
genährte, kurze Geſtalt auf den Stuhl am Fenſter und
es iſt ungewiß, ob er hinaus auf die Straße ſieht,
oder ob er bei den Gedanken iſt, die in derſelben zweck¬
loſen Unruhe, die ſein Aeußeres zeigt, wie Wolken¬
ſchatten an ſeinem Bewußtſein vorbeiflattern. Er ſitzt
in ſchwarzer Sonntagskleidung einer jungen Frau gegen¬
über. Er hätte Zeit genug, zu ſeh'n, wie ſchön ſie iſt,
wie anmuthig ihr das zerſtreute Weſen anſteht, — und
es kleidet ſie weit beſſer, als ihn. Zuweilen ſcheint
er's auch zu ſeh'n, aber dann iſt's, als wär's ihm
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/45>, abgerufen am 24.11.2024.
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