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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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Sie hatte ihm mancherlei Zeichen davon gegeben, nach¬
dem er nach des Vaters Willen seiner ersten Geliebten
entsagt. Er hatte nichts davon geahnt und als er nun
als Werber für den Bruder aufgetreten, Scham und
Ueberzeugung, er selbst liebe sie nicht, ihren Mund ver¬
schlossen.

Nun begriff unser Held unter Schmerzen, daß er
sich geirrt, als er gemeint, jene stummen Zeichen gälten
ihm. Er wunderte sich, daß er seinen Irrthum
nicht damals schon eingeseh'n. War nicht sein Bruder
ihr so nah, als er, da sie die Blume hinlegte, die der
Unrechte fand? Und wenn sie ihm so absichtlich unab¬
sichtlich allein begegnete -- ja, wenn er sich die Augen¬
blicke, die Eigenthümer seiner Träume, vergegenwärtigte
-- sie hatte seinen Bruder gesucht, darum war sie er¬
schrocken, ihm zu begegnen, drum floh sie jedesmal,
wenn sie ihn erkannte, wenn sie den fand, den sie nicht
suchte. Mit ihm sprach sie nicht; mit dem Bruder
konnte sie Viertelstunden lang scherzen.

Diese Gedanken bezeichneten Stunden, Tage, Wochen
tiefinnersten Schmerzes; aber das Vertrauen des Vetters,
das durch Bewährung vergolten werden mußte, die
heilende Wirkung emsigen und bedachten Schaffens, die
Männlichkeit, zu der sein Wesen durch Beides schon
gereift war, bewährten sich in dem Kampfe und gingen
noch gekräftigter daraus hervor.

Sie hatte ihm mancherlei Zeichen davon gegeben, nach¬
dem er nach des Vaters Willen ſeiner erſten Geliebten
entſagt. Er hatte nichts davon geahnt und als er nun
als Werber für den Bruder aufgetreten, Scham und
Ueberzeugung, er ſelbſt liebe ſie nicht, ihren Mund ver¬
ſchloſſen.

Nun begriff unſer Held unter Schmerzen, daß er
ſich geirrt, als er gemeint, jene ſtummen Zeichen gälten
ihm. Er wunderte ſich, daß er ſeinen Irrthum
nicht damals ſchon eingeſeh'n. War nicht ſein Bruder
ihr ſo nah, als er, da ſie die Blume hinlegte, die der
Unrechte fand? Und wenn ſie ihm ſo abſichtlich unab¬
ſichtlich allein begegnete — ja, wenn er ſich die Augen¬
blicke, die Eigenthümer ſeiner Träume, vergegenwärtigte
— ſie hatte ſeinen Bruder geſucht, darum war ſie er¬
ſchrocken, ihm zu begegnen, drum floh ſie jedesmal,
wenn ſie ihn erkannte, wenn ſie den fand, den ſie nicht
ſuchte. Mit ihm ſprach ſie nicht; mit dem Bruder
konnte ſie Viertelſtunden lang ſcherzen.

Dieſe Gedanken bezeichneten Stunden, Tage, Wochen
tiefinnerſten Schmerzes; aber das Vertrauen des Vetters,
das durch Bewährung vergolten werden mußte, die
heilende Wirkung emſigen und bedachten Schaffens, die
Männlichkeit, zu der ſein Weſen durch Beides ſchon
gereift war, bewährten ſich in dem Kampfe und gingen
noch gekräftigter daraus hervor.

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[28/0037] Sie hatte ihm mancherlei Zeichen davon gegeben, nach¬ dem er nach des Vaters Willen ſeiner erſten Geliebten entſagt. Er hatte nichts davon geahnt und als er nun als Werber für den Bruder aufgetreten, Scham und Ueberzeugung, er ſelbſt liebe ſie nicht, ihren Mund ver¬ ſchloſſen. Nun begriff unſer Held unter Schmerzen, daß er ſich geirrt, als er gemeint, jene ſtummen Zeichen gälten ihm. Er wunderte ſich, daß er ſeinen Irrthum nicht damals ſchon eingeſeh'n. War nicht ſein Bruder ihr ſo nah, als er, da ſie die Blume hinlegte, die der Unrechte fand? Und wenn ſie ihm ſo abſichtlich unab¬ ſichtlich allein begegnete — ja, wenn er ſich die Augen¬ blicke, die Eigenthümer ſeiner Träume, vergegenwärtigte — ſie hatte ſeinen Bruder geſucht, darum war ſie er¬ ſchrocken, ihm zu begegnen, drum floh ſie jedesmal, wenn ſie ihn erkannte, wenn ſie den fand, den ſie nicht ſuchte. Mit ihm ſprach ſie nicht; mit dem Bruder konnte ſie Viertelſtunden lang ſcherzen. Dieſe Gedanken bezeichneten Stunden, Tage, Wochen tiefinnerſten Schmerzes; aber das Vertrauen des Vetters, das durch Bewährung vergolten werden mußte, die heilende Wirkung emſigen und bedachten Schaffens, die Männlichkeit, zu der ſein Weſen durch Beides ſchon gereift war, bewährten ſich in dem Kampfe und gingen noch gekräftigter daraus hervor.

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/37>, abgerufen am 23.11.2024.