hübsch. Wär' ich anders gewesen, jetzt müßt' ich viel¬ leicht nicht in die Fremde. War ich's, dem sie die Blume hingelegt hat am Pfingstschießen, hat sie mir begegnen wollen damals und früher, wer weiß, wie schwer's ihr geworden ist. Und wie sie das Alles um¬ sonst gethan, hat sie sich nicht vor sich selber schämen müssen? O, sie hat recht, wenn sie nichts mehr von mir wissen will. Ich muß anders werden.
Und dieser Entschluß war keine taube Blüthe gewe¬ sen. Das Haus seines Vetters in Köln zeigte sich keiner Art von Träumerei förderlich. Er fand ein ganz anderes Zusammenleben als das daheim. Der alte Vetter war so lebenslustig als das jüngste Glied der Familie. Da war keine Vereinsamung möglich. Ein aufgeweckter Sinn für das Lächerliche ließ keine Art von Absonderlichkeit aufkommen. Jeder mußte auf sei¬ ner Hut sein; keiner konnte sich gehen lassen. Apol¬ lonius hätte ein anderer werden müssen und wenn er nicht wollte. Auch im Geschäft ging's anders her als daheim. Der alte Herr im blauen Rock gab seine Be¬ fehle, wie der Gott der Hebräer aus Wolken und mit der Stimme des Donners. Er hätte seinem Ansehen etwas zu vergeben geglaubt durch das Aussprechen sei¬ ner Gründe. Er gab kein Warum und seine Söhne wagten nicht, nach Warum zu fragen. Und selbst das Verkehrte mußte durchgeführt werden, war der Befehl einmal ausgesprochen. Ueber Dinge, die das Geschäft
hübſch. Wär' ich anders geweſen, jetzt müßt' ich viel¬ leicht nicht in die Fremde. War ich's, dem ſie die Blume hingelegt hat am Pfingſtſchießen, hat ſie mir begegnen wollen damals und früher, wer weiß, wie ſchwer's ihr geworden iſt. Und wie ſie das Alles um¬ ſonſt gethan, hat ſie ſich nicht vor ſich ſelber ſchämen müſſen? O, ſie hat recht, wenn ſie nichts mehr von mir wiſſen will. Ich muß anders werden.
Und dieſer Entſchluß war keine taube Blüthe gewe¬ ſen. Das Haus ſeines Vetters in Köln zeigte ſich keiner Art von Träumerei förderlich. Er fand ein ganz anderes Zuſammenleben als das daheim. Der alte Vetter war ſo lebensluſtig als das jüngſte Glied der Familie. Da war keine Vereinſamung möglich. Ein aufgeweckter Sinn für das Lächerliche ließ keine Art von Abſonderlichkeit aufkommen. Jeder mußte auf ſei¬ ner Hut ſein; keiner konnte ſich gehen laſſen. Apol¬ lonius hätte ein anderer werden müſſen und wenn er nicht wollte. Auch im Geſchäft ging's anders her als daheim. Der alte Herr im blauen Rock gab ſeine Be¬ fehle, wie der Gott der Hebräer aus Wolken und mit der Stimme des Donners. Er hätte ſeinem Anſehen etwas zu vergeben geglaubt durch das Ausſprechen ſei¬ ner Gründe. Er gab kein Warum und ſeine Söhne wagten nicht, nach Warum zu fragen. Und ſelbſt das Verkehrte mußte durchgeführt werden, war der Befehl einmal ausgeſprochen. Ueber Dinge, die das Geſchäft
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hübſch. Wär' ich anders geweſen, jetzt müßt' ich viel¬
leicht nicht in die Fremde. War ich's, dem ſie die
Blume hingelegt hat am Pfingſtſchießen, hat ſie mir
begegnen wollen damals und früher, wer weiß, wie
ſchwer's ihr geworden iſt. Und wie ſie das Alles um¬
ſonſt gethan, hat ſie ſich nicht vor ſich ſelber ſchämen
müſſen? O, ſie hat recht, wenn ſie nichts mehr von
mir wiſſen will. Ich muß anders werden.
Und dieſer Entſchluß war keine taube Blüthe gewe¬
ſen. Das Haus ſeines Vetters in Köln zeigte ſich
keiner Art von Träumerei förderlich. Er fand ein ganz
anderes Zuſammenleben als das daheim. Der alte
Vetter war ſo lebensluſtig als das jüngſte Glied der
Familie. Da war keine Vereinſamung möglich. Ein
aufgeweckter Sinn für das Lächerliche ließ keine Art
von Abſonderlichkeit aufkommen. Jeder mußte auf ſei¬
ner Hut ſein; keiner konnte ſich gehen laſſen. Apol¬
lonius hätte ein anderer werden müſſen und wenn er
nicht wollte. Auch im Geſchäft ging's anders her als
daheim. Der alte Herr im blauen Rock gab ſeine Be¬
fehle, wie der Gott der Hebräer aus Wolken und mit
der Stimme des Donners. Er hätte ſeinem Anſehen
etwas zu vergeben geglaubt durch das Ausſprechen ſei¬
ner Gründe. Er gab kein Warum und ſeine Söhne
wagten nicht, nach Warum zu fragen. Und ſelbſt das
Verkehrte mußte durchgeführt werden, war der Befehl
einmal ausgeſprochen. Ueber Dinge, die das Geſchäft
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/34>, abgerufen am 23.11.2024.
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