Schläuche in die Thürmerstube bringen lassen, damit der Frost keinen Schaden daran bringen konnte. Er vermochte kaum mehr zu steh'n; der Bauherr, der unterdeß heraufgekommen war, hatte ihn dennoch halb mit Gewalt in die Thürmerstube hinunterbringen müs¬ sen. Dann hatte der Freund die Thüre von innen verriegelt, Apollonius genöthigt, die gefrorenen Kleider auszuziehn, und dann wie eine Mutter an seines Lieb¬ lings Bett gesessen. Apollonius konnte nicht schlafen; der alte Mann litt aber nicht, daß er sprach. Er hatte Rum und Zucker mitgebracht; an heißem Wasser fehlte es nicht; Apollonius aber, der nie hitziges Getränk zu sich nahm, wies den Grogk dankend zurück. Der Ge¬ selle hatte unterdeß frische Kleider geholt. Apollonius versicherte, er finde sich wieder vollkommen kräftig, aber er zögerte, aus dem Bette aufzustehn. Der Alte gab ihm lachend die Kleider. Apollonius hatte sich vorhin unter der Decke ausgezogen und so zog er sich wieder an. Der Bauherr kehrte sich ab von ihm und lachte durch das Fenster Sturm und Blitzen zu; er wußte nicht, ob über Apollonius Schamhaftigkeit, oder über¬ haupt aus Freude an seinem Liebling. Er hatte oft bereut, daß er Junggeselle geblieben war; jetzt freute es ihn fast. Er hatte ja doch einen Sohn, und einen so braven, als ein Vater wünschen kann.
Auf dem Wege begann eine große Noth für Apol¬ lonius. Er wurde von Arm in Arm gerissen; selbst
Schläuche in die Thürmerſtube bringen laſſen, damit der Froſt keinen Schaden daran bringen konnte. Er vermochte kaum mehr zu ſteh'n; der Bauherr, der unterdeß heraufgekommen war, hatte ihn dennoch halb mit Gewalt in die Thürmerſtube hinunterbringen müſ¬ ſen. Dann hatte der Freund die Thüre von innen verriegelt, Apollonius genöthigt, die gefrorenen Kleider auszuziehn, und dann wie eine Mutter an ſeines Lieb¬ lings Bett geſeſſen. Apollonius konnte nicht ſchlafen; der alte Mann litt aber nicht, daß er ſprach. Er hatte Rum und Zucker mitgebracht; an heißem Waſſer fehlte es nicht; Apollonius aber, der nie hitziges Getränk zu ſich nahm, wies den Grogk dankend zurück. Der Ge¬ ſelle hatte unterdeß friſche Kleider geholt. Apollonius verſicherte, er finde ſich wieder vollkommen kräftig, aber er zögerte, aus dem Bette aufzuſtehn. Der Alte gab ihm lachend die Kleider. Apollonius hatte ſich vorhin unter der Decke ausgezogen und ſo zog er ſich wieder an. Der Bauherr kehrte ſich ab von ihm und lachte durch das Fenſter Sturm und Blitzen zu; er wußte nicht, ob über Apollonius Schamhaftigkeit, oder über¬ haupt aus Freude an ſeinem Liebling. Er hatte oft bereut, daß er Junggeſelle geblieben war; jetzt freute es ihn faſt. Er hatte ja doch einen Sohn, und einen ſo braven, als ein Vater wünſchen kann.
Auf dem Wege begann eine große Noth für Apol¬ lonius. Er wurde von Arm in Arm geriſſen; ſelbſt
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Schläuche in die Thürmerſtube bringen laſſen, damit
der Froſt keinen Schaden daran bringen konnte. Er
vermochte kaum mehr zu ſteh'n; der Bauherr, der
unterdeß heraufgekommen war, hatte ihn dennoch halb
mit Gewalt in die Thürmerſtube hinunterbringen müſ¬
ſen. Dann hatte der Freund die Thüre von innen
verriegelt, Apollonius genöthigt, die gefrorenen Kleider
auszuziehn, und dann wie eine Mutter an ſeines Lieb¬
lings Bett geſeſſen. Apollonius konnte nicht ſchlafen;
der alte Mann litt aber nicht, daß er ſprach. Er hatte
Rum und Zucker mitgebracht; an heißem Waſſer fehlte
es nicht; Apollonius aber, der nie hitziges Getränk zu
ſich nahm, wies den Grogk dankend zurück. Der Ge¬
ſelle hatte unterdeß friſche Kleider geholt. Apollonius
verſicherte, er finde ſich wieder vollkommen kräftig, aber
er zögerte, aus dem Bette aufzuſtehn. Der Alte gab
ihm lachend die Kleider. Apollonius hatte ſich vorhin
unter der Decke ausgezogen und ſo zog er ſich wieder
an. Der Bauherr kehrte ſich ab von ihm und lachte
durch das Fenſter Sturm und Blitzen zu; er wußte
nicht, ob über Apollonius Schamhaftigkeit, oder über¬
haupt aus Freude an ſeinem Liebling. Er hatte oft
bereut, daß er Junggeſelle geblieben war; jetzt freute
es ihn faſt. Er hatte ja doch einen Sohn, und einen
ſo braven, als ein Vater wünſchen kann.
Auf dem Wege begann eine große Noth für Apol¬
lonius. Er wurde von Arm in Arm geriſſen; ſelbſt
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/317>, abgerufen am 24.11.2024.
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