erlag der vereinten Gewalt von Feuer und Sturm. Er sah, noch war zu retten. Und er brauchte die Kraft, die ihm dieser Gedanke gab. Die Leiter schau¬ kelte nicht mehr blos herüber und hinüber, sie wuchtete zugleich auf und ab. Was war das? Und wenn der Dachhacken locker war, -- aber er wußte, das konnte nicht sein -- diese Bewegung war unmöglich. Aber die Leiter hing ja gar nicht an dem Hacken; er hatte sie an ein hervorspringendes Eichenblatt der Blechver¬ zierung angehängt. Nah an einem der Befestigungs¬ punkte; aber das andere Ende des Guirlandenstücks, an dem die Leiter hing, war das, welches er zu be¬ festigen vergessen hatte. Sein und der Leiter Gewicht wuchtete an dem Stücke und zog es immer mehr herab und bog die Seite nach vorn, an die er die Leiter gehängt. Noch einen Zoll tiefer, und das Blatt lag wagrecht und die Leiter glitt von dem Blatte herab und mit ihm hinunter in die ungeheure Tiefe. Jetzt mußte sich sein neugewonnener Lebensmuth be¬ währen und er that's. Sechs Zoll weit neben dem Blatte war der Hacken. Noch drei leichte Schritte die schwankende Leiter hinauf und er faßte mit der linken Hand den Hacken, hielt sich fest daran und hob die Leiter mit der rechten von dem Blatte herüber an den Hacken. Sie hing. Die linke ließ den Hacken und faßte neben der rechten die Leitersprosse; die Füße folgten; er stand wieder auf der Leiter. Und jetzt
erlag der vereinten Gewalt von Feuer und Sturm. Er ſah, noch war zu retten. Und er brauchte die Kraft, die ihm dieſer Gedanke gab. Die Leiter ſchau¬ kelte nicht mehr blos herüber und hinüber, ſie wuchtete zugleich auf und ab. Was war das? Und wenn der Dachhacken locker war, — aber er wußte, das konnte nicht ſein — dieſe Bewegung war unmöglich. Aber die Leiter hing ja gar nicht an dem Hacken; er hatte ſie an ein hervorſpringendes Eichenblatt der Blechver¬ zierung angehängt. Nah an einem der Befeſtigungs¬ punkte; aber das andere Ende des Guirlandenſtücks, an dem die Leiter hing, war das, welches er zu be¬ feſtigen vergeſſen hatte. Sein und der Leiter Gewicht wuchtete an dem Stücke und zog es immer mehr herab und bog die Seite nach vorn, an die er die Leiter gehängt. Noch einen Zoll tiefer, und das Blatt lag wagrecht und die Leiter glitt von dem Blatte herab und mit ihm hinunter in die ungeheure Tiefe. Jetzt mußte ſich ſein neugewonnener Lebensmuth be¬ währen und er that's. Sechs Zoll weit neben dem Blatte war der Hacken. Noch drei leichte Schritte die ſchwankende Leiter hinauf und er faßte mit der linken Hand den Hacken, hielt ſich feſt daran und hob die Leiter mit der rechten von dem Blatte herüber an den Hacken. Sie hing. Die linke ließ den Hacken und faßte neben der rechten die Leiterſproſſe; die Füße folgten; er ſtand wieder auf der Leiter. Und jetzt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0309"n="300"/>
erlag der vereinten Gewalt von Feuer und Sturm.<lb/>
Er ſah, noch war zu retten. Und er brauchte die<lb/>
Kraft, die ihm dieſer Gedanke gab. Die Leiter ſchau¬<lb/>
kelte nicht mehr blos herüber und hinüber, ſie wuchtete<lb/>
zugleich auf und ab. Was war das? Und wenn der<lb/>
Dachhacken locker war, — aber er wußte, das konnte<lb/>
nicht ſein — dieſe Bewegung war unmöglich. Aber<lb/>
die Leiter hing ja gar nicht an dem Hacken; er hatte<lb/>ſie an ein hervorſpringendes Eichenblatt der <choice><sic>Blechver¬<lb/>
verzierung</sic><corr>Blechver¬<lb/>
zierung</corr></choice> angehängt. Nah an einem der Befeſtigungs¬<lb/>
punkte; aber das andere Ende des Guirlandenſtücks,<lb/>
an dem die Leiter hing, war das, welches er zu be¬<lb/>
feſtigen vergeſſen hatte. Sein und der Leiter Gewicht<lb/>
wuchtete an dem Stücke und zog es immer mehr<lb/>
herab und bog die Seite nach vorn, an die er die<lb/>
Leiter gehängt. Noch einen Zoll tiefer, und das Blatt<lb/>
lag wagrecht und die Leiter glitt von dem Blatte<lb/>
herab und mit ihm hinunter in die ungeheure Tiefe.<lb/>
Jetzt mußte ſich ſein neugewonnener Lebensmuth be¬<lb/>
währen und er that's. Sechs Zoll weit neben dem<lb/>
Blatte war der Hacken. Noch drei leichte Schritte die<lb/>ſchwankende Leiter hinauf und er faßte mit der linken<lb/>
Hand den Hacken, hielt ſich feſt daran und hob die<lb/>
Leiter mit der rechten von dem Blatte herüber an den<lb/>
Hacken. Sie hing. Die linke ließ den Hacken und<lb/>
faßte neben der rechten die Leiterſproſſe; die Füße<lb/>
folgten; er ſtand wieder auf der Leiter. Und jetzt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[300/0309]
erlag der vereinten Gewalt von Feuer und Sturm.
Er ſah, noch war zu retten. Und er brauchte die
Kraft, die ihm dieſer Gedanke gab. Die Leiter ſchau¬
kelte nicht mehr blos herüber und hinüber, ſie wuchtete
zugleich auf und ab. Was war das? Und wenn der
Dachhacken locker war, — aber er wußte, das konnte
nicht ſein — dieſe Bewegung war unmöglich. Aber
die Leiter hing ja gar nicht an dem Hacken; er hatte
ſie an ein hervorſpringendes Eichenblatt der Blechver¬
zierung angehängt. Nah an einem der Befeſtigungs¬
punkte; aber das andere Ende des Guirlandenſtücks,
an dem die Leiter hing, war das, welches er zu be¬
feſtigen vergeſſen hatte. Sein und der Leiter Gewicht
wuchtete an dem Stücke und zog es immer mehr
herab und bog die Seite nach vorn, an die er die
Leiter gehängt. Noch einen Zoll tiefer, und das Blatt
lag wagrecht und die Leiter glitt von dem Blatte
herab und mit ihm hinunter in die ungeheure Tiefe.
Jetzt mußte ſich ſein neugewonnener Lebensmuth be¬
währen und er that's. Sechs Zoll weit neben dem
Blatte war der Hacken. Noch drei leichte Schritte die
ſchwankende Leiter hinauf und er faßte mit der linken
Hand den Hacken, hielt ſich feſt daran und hob die
Leiter mit der rechten von dem Blatte herüber an den
Hacken. Sie hing. Die linke ließ den Hacken und
faßte neben der rechten die Leiterſproſſe; die Füße
folgten; er ſtand wieder auf der Leiter. Und jetzt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/309>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.