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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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Apollonius hatte deßhalb den Arzt sich verbeten.
Er hatte das wohl gewußt: für seine Krankheit gab
es keinen Arzt. Wo der Bauherr die Ursach davon
suchte, lag sie nur zum Theile. Die Ueberanstren¬
gung hatte blos den Boden für die Schmarozerpflanze
bestellt, die an Apollonius innerm Lebensmark zehrte.
In Gemüthsbewegungen lag ihr Keim, aber nicht in
denen, die der Bauherr wußte. Nicht in dem Schrecken
über des Bruders Unglück, sondern in dem Zustande,
worin der Schreck ihn traf. Die ersten Zeichen der
Krankheit schienen körperlicher Natur. In dem Augen¬
blick, wo der Bruder neben ihm vorbei in den Tod
stürzte, hatten die Glocken unter ihnen Zwei geschla¬
gen. Von da an erschreckte ihn jeder Glockenton.
Was ihm schwerere Besorgniß erregte, war ein Anfall
von Schwindel. Aller Schrecken jenes Tages hatte
ihm die Unruhe nicht verdunkeln können, die ihn nicht
losließ, wenn er eine Ungenauigkeit an einer Arbeit
gefunden, bis sie beseitigt war. Jeder Glockenschlag,
der ihn erschreckte, schien ihm eine Mahnung dazu.
Schon den andern Morgen öffnete er, die Dachleiter in
der Hand, die Ausfahrthür. Es war ihm schon auf¬
gefallen, wie unsicher sein Schritt auf der Leitertreppe
geworden war; jetzt, als er durch die Oeffnung die
fernen Berge, die er sonst kaum bemerkte, sich wun¬
derlich zunicken sah, und der feste Thurm unter ihm
sich zu schaukeln begann, erschrack er. Das war der

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Apollonius hatte deßhalb den Arzt ſich verbeten.
Er hatte das wohl gewußt: für ſeine Krankheit gab
es keinen Arzt. Wo der Bauherr die Urſach davon
ſuchte, lag ſie nur zum Theile. Die Ueberanſtren¬
gung hatte blos den Boden für die Schmarozerpflanze
beſtellt, die an Apollonius innerm Lebensmark zehrte.
In Gemüthsbewegungen lag ihr Keim, aber nicht in
denen, die der Bauherr wußte. Nicht in dem Schrecken
über des Bruders Unglück, ſondern in dem Zuſtande,
worin der Schreck ihn traf. Die erſten Zeichen der
Krankheit ſchienen körperlicher Natur. In dem Augen¬
blick, wo der Bruder neben ihm vorbei in den Tod
ſtürzte, hatten die Glocken unter ihnen Zwei geſchla¬
gen. Von da an erſchreckte ihn jeder Glockenton.
Was ihm ſchwerere Beſorgniß erregte, war ein Anfall
von Schwindel. Aller Schrecken jenes Tages hatte
ihm die Unruhe nicht verdunkeln können, die ihn nicht
losließ, wenn er eine Ungenauigkeit an einer Arbeit
gefunden, bis ſie beſeitigt war. Jeder Glockenſchlag,
der ihn erſchreckte, ſchien ihm eine Mahnung dazu.
Schon den andern Morgen öffnete er, die Dachleiter in
der Hand, die Ausfahrthür. Es war ihm ſchon auf¬
gefallen, wie unſicher ſein Schritt auf der Leitertreppe
geworden war; jetzt, als er durch die Oeffnung die
fernen Berge, die er ſonſt kaum bemerkte, ſich wun¬
derlich zunicken ſah, und der feſte Thurm unter ihm
ſich zu ſchaukeln begann, erſchrack er. Das war der

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[275/0284] Apollonius hatte deßhalb den Arzt ſich verbeten. Er hatte das wohl gewußt: für ſeine Krankheit gab es keinen Arzt. Wo der Bauherr die Urſach davon ſuchte, lag ſie nur zum Theile. Die Ueberanſtren¬ gung hatte blos den Boden für die Schmarozerpflanze beſtellt, die an Apollonius innerm Lebensmark zehrte. In Gemüthsbewegungen lag ihr Keim, aber nicht in denen, die der Bauherr wußte. Nicht in dem Schrecken über des Bruders Unglück, ſondern in dem Zuſtande, worin der Schreck ihn traf. Die erſten Zeichen der Krankheit ſchienen körperlicher Natur. In dem Augen¬ blick, wo der Bruder neben ihm vorbei in den Tod ſtürzte, hatten die Glocken unter ihnen Zwei geſchla¬ gen. Von da an erſchreckte ihn jeder Glockenton. Was ihm ſchwerere Beſorgniß erregte, war ein Anfall von Schwindel. Aller Schrecken jenes Tages hatte ihm die Unruhe nicht verdunkeln können, die ihn nicht losließ, wenn er eine Ungenauigkeit an einer Arbeit gefunden, bis ſie beſeitigt war. Jeder Glockenſchlag, der ihn erſchreckte, ſchien ihm eine Mahnung dazu. Schon den andern Morgen öffnete er, die Dachleiter in der Hand, die Ausfahrthür. Es war ihm ſchon auf¬ gefallen, wie unſicher ſein Schritt auf der Leitertreppe geworden war; jetzt, als er durch die Oeffnung die fernen Berge, die er ſonſt kaum bemerkte, ſich wun¬ derlich zunicken ſah, und der feſte Thurm unter ihm ſich zu ſchaukeln begann, erſchrack er. Das war der 18 *

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/284>, abgerufen am 26.11.2024.