Nichtachtung; und der gab sich das Ansehn, des Vaters Befehl zu vollziehn, und that doch, was er selber wollte. Und er konnte das nicht hindern, ihn nicht zwingen. Er mußte ja glauben, was der Sohn und was die Leute ihm sagten. Hatte er nicht anderthalb Jahre lang glauben müssen, was der Sohn ihm sagte, und die Leute hatten dem Sohne geholfen? Und stellte er einen Fremden dem Sohne zum Beobachter; war er der Treue des Fremden gewiß? Und wenn er das sein konnte; stellte er nicht selbst dann erst seine Hülf¬ losigkeit in's Licht, daß die ganze Stadt erfuhr, er war ein blinder Mann, der nichts mehr war und nichts mehr konnte, und mit dem man spielte, wie man wollte? Es blieb ihm kein Mittel, auch nur den Schein des Regiments beizubehalten, als seine diplomatische Kunst. Mit grimmvoller Stimme gab er nun Befehle, die eigentlich unnöthig waren, weil sie Dinge betrafen, die sich von selbst verstanden und ohne Befehl gethan worden wären. Bei neuen Arbeiten, die erst in Gang gebracht werden mußten, mißbilligte er mit Zorn die Vorschläge Apollonius; und der Befehl, den er endlich gab, lief doch in der Hauptsache auf die Annahme des Vorschlags hinaus, der Apollonius als der zweck¬ mäßigste erschienen war. Hintennach stellte er sich bei sich selber nach Möglichkeit wieder her; er fand etwas aus, das er für klüger hielt, als den Vorschlag Apol¬ lonius'; war er überzeugt, daß, wenn er nur sein Ge¬
Nichtachtung; und der gab ſich das Anſehn, des Vaters Befehl zu vollziehn, und that doch, was er ſelber wollte. Und er konnte das nicht hindern, ihn nicht zwingen. Er mußte ja glauben, was der Sohn und was die Leute ihm ſagten. Hatte er nicht anderthalb Jahre lang glauben müſſen, was der Sohn ihm ſagte, und die Leute hatten dem Sohne geholfen? Und ſtellte er einen Fremden dem Sohne zum Beobachter; war er der Treue des Fremden gewiß? Und wenn er das ſein konnte; ſtellte er nicht ſelbſt dann erſt ſeine Hülf¬ loſigkeit in's Licht, daß die ganze Stadt erfuhr, er war ein blinder Mann, der nichts mehr war und nichts mehr konnte, und mit dem man ſpielte, wie man wollte? Es blieb ihm kein Mittel, auch nur den Schein des Regiments beizubehalten, als ſeine diplomatiſche Kunſt. Mit grimmvoller Stimme gab er nun Befehle, die eigentlich unnöthig waren, weil ſie Dinge betrafen, die ſich von ſelbſt verſtanden und ohne Befehl gethan worden wären. Bei neuen Arbeiten, die erſt in Gang gebracht werden mußten, mißbilligte er mit Zorn die Vorſchläge Apollonius; und der Befehl, den er endlich gab, lief doch in der Hauptſache auf die Annahme des Vorſchlags hinaus, der Apollonius als der zweck¬ mäßigſte erſchienen war. Hintennach ſtellte er ſich bei ſich ſelber nach Möglichkeit wieder her; er fand etwas aus, das er für klüger hielt, als den Vorſchlag Apol¬ lonius'; war er überzeugt, daß, wenn er nur ſein Ge¬
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Nichtachtung; und der gab ſich das Anſehn, des Vaters
Befehl zu vollziehn, und that doch, was er ſelber
wollte. Und er konnte das nicht hindern, ihn nicht
zwingen. Er mußte ja glauben, was der Sohn und
was die Leute ihm ſagten. Hatte er nicht anderthalb
Jahre lang glauben müſſen, was der Sohn ihm ſagte,
und die Leute hatten dem Sohne geholfen? Und ſtellte
er einen Fremden dem Sohne zum Beobachter; war
er der Treue des Fremden gewiß? Und wenn er das
ſein konnte; ſtellte er nicht ſelbſt dann erſt ſeine Hülf¬
loſigkeit in's Licht, daß die ganze Stadt erfuhr, er war
ein blinder Mann, der nichts mehr war und nichts
mehr konnte, und mit dem man ſpielte, wie man wollte?
Es blieb ihm kein Mittel, auch nur den Schein des
Regiments beizubehalten, als ſeine diplomatiſche Kunſt.
Mit grimmvoller Stimme gab er nun Befehle, die
eigentlich unnöthig waren, weil ſie Dinge betrafen,
die ſich von ſelbſt verſtanden und ohne Befehl gethan
worden wären. Bei neuen Arbeiten, die erſt in Gang
gebracht werden mußten, mißbilligte er mit Zorn die
Vorſchläge Apollonius; und der Befehl, den er endlich
gab, lief doch in der Hauptſache auf die Annahme
des Vorſchlags hinaus, der Apollonius als der zweck¬
mäßigſte erſchienen war. Hintennach ſtellte er ſich bei
ſich ſelber nach Möglichkeit wieder her; er fand etwas
aus, das er für klüger hielt, als den Vorſchlag Apol¬
lonius'; war er überzeugt, daß, wenn er nur ſein Ge¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/279>, abgerufen am 26.11.2024.
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