seinen Willen zu ergeben, den sie den reinsten und den heiligsten wußte. Wenn sie trotz dieser Ergebung Wünsche und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich finden? wer möchte es ihr verdenken?
Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬ ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem besten Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er wollte es nicht wieder fahren lassen. Die durch den glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von sich hatte ihn vergessen lassen, daß er schon zweimal zu der Einsicht ge¬ zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke sei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden Augen sehen müsse. Er sollte es zum drittenmal er¬ fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius' seitherigem Handeln falsche Beweggründe unterlegte. Schon als er sich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬ lentin's Geständniß der Verschweigung ihm zur Wahr¬ heit machte. Er sah hinter der vorgegebenen Schonung des Sohnes um so natürlicher Eigenmächtigkeit und die Lust, ein verdecktes Spiel zu spielen, als er ihn dabei nur an dem eigenen Maßstabe maß. Es war das Nächstliegende, daß er in dem Sohne die eigenen Neigungen voraussetzte. Schon damals hatte er mit einer Art Eifersucht empfunden, daß er selbst der
ſeinen Willen zu ergeben, den ſie den reinſten und den heiligſten wußte. Wenn ſie trotz dieſer Ergebung Wünſche und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich finden? wer möchte es ihr verdenken?
Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬ ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem beſten Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er wollte es nicht wieder fahren laſſen. Die durch den glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von ſich hatte ihn vergeſſen laſſen, daß er ſchon zweimal zu der Einſicht ge¬ zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke ſei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden Augen ſehen müſſe. Er ſollte es zum drittenmal er¬ fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius' ſeitherigem Handeln falſche Beweggründe unterlegte. Schon als er ſich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬ lentin's Geſtändniß der Verſchweigung ihm zur Wahr¬ heit machte. Er ſah hinter der vorgegebenen Schonung des Sohnes um ſo natürlicher Eigenmächtigkeit und die Luſt, ein verdecktes Spiel zu ſpielen, als er ihn dabei nur an dem eigenen Maßſtabe maß. Es war das Nächſtliegende, daß er in dem Sohne die eigenen Neigungen vorausſetzte. Schon damals hatte er mit einer Art Eiferſucht empfunden, daß er ſelbſt der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0276"n="267"/>ſeinen Willen zu ergeben, den ſie den reinſten und den<lb/>
heiligſten wußte. Wenn ſie trotz dieſer Ergebung Wünſche<lb/>
und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich<lb/>
finden? wer möchte es ihr verdenken?</p><lb/><p>Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬<lb/>
ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte<lb/>
er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem beſten<lb/>
Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm<lb/>
das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er<lb/>
wollte es nicht wieder fahren laſſen. Die durch den<lb/>
glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von ſich hatte ihn<lb/>
vergeſſen laſſen, daß er ſchon zweimal zu der Einſicht ge¬<lb/>
zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke<lb/>ſei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden<lb/>
Augen ſehen müſſe. Er ſollte es zum drittenmal er¬<lb/>
fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius'<lb/>ſeitherigem Handeln falſche Beweggründe unterlegte.<lb/>
Schon als er ſich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut<lb/>
hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬<lb/>
lentin's Geſtändniß der Verſchweigung ihm zur Wahr¬<lb/>
heit machte. Er ſah hinter der vorgegebenen Schonung<lb/>
des Sohnes um ſo natürlicher Eigenmächtigkeit und<lb/>
die Luſt, ein verdecktes Spiel zu ſpielen, als er ihn<lb/>
dabei nur an dem eigenen Maßſtabe maß. Es war<lb/>
das Nächſtliegende, daß er in dem Sohne die eigenen<lb/>
Neigungen vorausſetzte. Schon damals hatte er mit<lb/>
einer Art Eiferſucht empfunden, daß er ſelbſt der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[267/0276]
ſeinen Willen zu ergeben, den ſie den reinſten und den
heiligſten wußte. Wenn ſie trotz dieſer Ergebung Wünſche
und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich
finden? wer möchte es ihr verdenken?
Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬
ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte
er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem beſten
Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm
das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er
wollte es nicht wieder fahren laſſen. Die durch den
glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von ſich hatte ihn
vergeſſen laſſen, daß er ſchon zweimal zu der Einſicht ge¬
zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke
ſei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden
Augen ſehen müſſe. Er ſollte es zum drittenmal er¬
fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius'
ſeitherigem Handeln falſche Beweggründe unterlegte.
Schon als er ſich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut
hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬
lentin's Geſtändniß der Verſchweigung ihm zur Wahr¬
heit machte. Er ſah hinter der vorgegebenen Schonung
des Sohnes um ſo natürlicher Eigenmächtigkeit und
die Luſt, ein verdecktes Spiel zu ſpielen, als er ihn
dabei nur an dem eigenen Maßſtabe maß. Es war
das Nächſtliegende, daß er in dem Sohne die eigenen
Neigungen vorausſetzte. Schon damals hatte er mit
einer Art Eiferſucht empfunden, daß er ſelbſt der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/276>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.