Klageweiber in Ehestifterinnen um. Und wahrlich! sie haben nicht unrecht; ein schöneres Paar, eines das besser zusammenpaßte, das seiner so werth wäre, wie dieses, fänden auch tiefere Beobachter im Bereich der ganzen Stadt nicht aus. Der Zug ging am rothen Adler vorbei. Es war schon wieder ein Ball da oben, bei dem Fritz Nettenmair fehlte; gewiß ein lederner Ball! Da ist er ja! da ist er ja! klang dem Zuge entgegen und begleitete ihn unermüdlich die ganze Straße entlang. Aber famos konnte es nicht werden trotzdem. Es war derselbe Weg, den Fritz Nettenmair zurückging, nachdem er den Gesellen begleitet hatte. Damals sah er im Geiste den Bruder unter dem Deckhammer und dem wallenden schwarzen Behänge und er ging leid¬ tragend hinter ihm drein. Nun war's umgekehrt Wirklichkeit geworden, aber Apollonius fühlte wirklich, was der Bruder nur zur Schau trug. Und fort ging's immer die Straßen hin, die Fritz Nettenmair damals hergekommen war. Und draußen vor dem Thore zer¬ flossen wiederum die Weiden in Nebel oder Nebel ge¬ rann zu Weiden. Hüben und drüben trugen Nebel¬ männer Nebelleichen neben der wirklichen her. An dem Kreuzweg, wo Fritz Nettenmair damals den Gesellen im Nebel verschwinden sah, verschwand er heute selbst darin. Ob es ihn freuen würde, sagte ihm einer, er wird den Freund wiedersehn? Er wird ihn wieder be¬ gleiten -- wohin? Eben tragen sie in Tambach ihn
Klageweiber in Eheſtifterinnen um. Und wahrlich! ſie haben nicht unrecht; ein ſchöneres Paar, eines das beſſer zuſammenpaßte, das ſeiner ſo werth wäre, wie dieſes, fänden auch tiefere Beobachter im Bereich der ganzen Stadt nicht aus. Der Zug ging am rothen Adler vorbei. Es war ſchon wieder ein Ball da oben, bei dem Fritz Nettenmair fehlte; gewiß ein lederner Ball! Da iſt er ja! da iſt er ja! klang dem Zuge entgegen und begleitete ihn unermüdlich die ganze Straße entlang. Aber famos konnte es nicht werden trotzdem. Es war derſelbe Weg, den Fritz Nettenmair zurückging, nachdem er den Geſellen begleitet hatte. Damals ſah er im Geiſte den Bruder unter dem Deckhammer und dem wallenden ſchwarzen Behänge und er ging leid¬ tragend hinter ihm drein. Nun war's umgekehrt Wirklichkeit geworden, aber Apollonius fühlte wirklich, was der Bruder nur zur Schau trug. Und fort ging's immer die Straßen hin, die Fritz Nettenmair damals hergekommen war. Und draußen vor dem Thore zer¬ floſſen wiederum die Weiden in Nebel oder Nebel ge¬ rann zu Weiden. Hüben und drüben trugen Nebel¬ männer Nebelleichen neben der wirklichen her. An dem Kreuzweg, wo Fritz Nettenmair damals den Geſellen im Nebel verſchwinden ſah, verſchwand er heute ſelbſt darin. Ob es ihn freuen würde, ſagte ihm einer, er wird den Freund wiederſehn? Er wird ihn wieder be¬ gleiten — wohin? Eben tragen ſie in Tambach ihn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="264"/>
Klageweiber in Eheſtifterinnen um. Und wahrlich! ſie<lb/>
haben nicht unrecht; ein ſchöneres Paar, eines das<lb/>
beſſer zuſammenpaßte, das ſeiner ſo werth wäre, wie<lb/>
dieſes, fänden auch tiefere Beobachter im Bereich der<lb/>
ganzen Stadt nicht aus. Der Zug ging am rothen<lb/>
Adler vorbei. Es war ſchon wieder ein Ball da oben,<lb/>
bei dem Fritz Nettenmair fehlte; gewiß ein lederner<lb/>
Ball! Da iſt er ja! da iſt er ja! klang dem Zuge<lb/>
entgegen und begleitete ihn unermüdlich die ganze Straße<lb/>
entlang. Aber famos konnte es nicht werden trotzdem.<lb/>
Es war derſelbe Weg, den Fritz Nettenmair zurückging,<lb/>
nachdem er den Geſellen begleitet hatte. Damals ſah<lb/>
er im Geiſte den Bruder unter dem Deckhammer und<lb/>
dem wallenden ſchwarzen Behänge und er ging leid¬<lb/>
tragend hinter ihm drein. Nun war's umgekehrt<lb/>
Wirklichkeit geworden, aber Apollonius fühlte wirklich,<lb/>
was der Bruder nur zur Schau trug. Und fort ging's<lb/>
immer die Straßen hin, die Fritz Nettenmair damals<lb/>
hergekommen war. Und draußen vor dem Thore zer¬<lb/>
floſſen wiederum die Weiden in Nebel oder Nebel ge¬<lb/>
rann zu Weiden. Hüben und drüben trugen Nebel¬<lb/>
männer Nebelleichen neben der wirklichen her. An dem<lb/>
Kreuzweg, wo Fritz Nettenmair damals den Geſellen<lb/>
im Nebel verſchwinden ſah, verſchwand er heute ſelbſt<lb/>
darin. Ob es ihn freuen würde, ſagte ihm einer, er<lb/>
wird den Freund wiederſehn? Er wird ihn wieder be¬<lb/>
gleiten — wohin? Eben tragen ſie in Tambach ihn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[264/0273]
Klageweiber in Eheſtifterinnen um. Und wahrlich! ſie
haben nicht unrecht; ein ſchöneres Paar, eines das
beſſer zuſammenpaßte, das ſeiner ſo werth wäre, wie
dieſes, fänden auch tiefere Beobachter im Bereich der
ganzen Stadt nicht aus. Der Zug ging am rothen
Adler vorbei. Es war ſchon wieder ein Ball da oben,
bei dem Fritz Nettenmair fehlte; gewiß ein lederner
Ball! Da iſt er ja! da iſt er ja! klang dem Zuge
entgegen und begleitete ihn unermüdlich die ganze Straße
entlang. Aber famos konnte es nicht werden trotzdem.
Es war derſelbe Weg, den Fritz Nettenmair zurückging,
nachdem er den Geſellen begleitet hatte. Damals ſah
er im Geiſte den Bruder unter dem Deckhammer und
dem wallenden ſchwarzen Behänge und er ging leid¬
tragend hinter ihm drein. Nun war's umgekehrt
Wirklichkeit geworden, aber Apollonius fühlte wirklich,
was der Bruder nur zur Schau trug. Und fort ging's
immer die Straßen hin, die Fritz Nettenmair damals
hergekommen war. Und draußen vor dem Thore zer¬
floſſen wiederum die Weiden in Nebel oder Nebel ge¬
rann zu Weiden. Hüben und drüben trugen Nebel¬
männer Nebelleichen neben der wirklichen her. An dem
Kreuzweg, wo Fritz Nettenmair damals den Geſellen
im Nebel verſchwinden ſah, verſchwand er heute ſelbſt
darin. Ob es ihn freuen würde, ſagte ihm einer, er
wird den Freund wiederſehn? Er wird ihn wieder be¬
gleiten — wohin? Eben tragen ſie in Tambach ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/273>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.