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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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Eines Abends sah man denn die schwarze Bahre
vor dem Hause mit den grünen Fensterladen stehn,
das darüber wegsah, um sein rosiges Aussehn zu recht¬
fertigen. Etwas entfernter standen Frauen und Kinder
in Gruppen zusammen, bald leise flüsternd, bald voll
Aufmerksamkeit, die zeitweilig bis zur Ungeduld stieg.
Dasselbe Treiben, dieselben Empfindungen, mit der die
gebildetere Schicht der Bevölkerung des Augenblickes
harrt, wo der Vorhang vor den rührenden Gebilden
des Dichters aufrauschen soll. Dasselbe Bedürfniß hat
die blauen Schürzen hierhergezogen, das dort die schön¬
sten Gewänder der Stadt versammelt. Zuweilen kommt
ein schwarzer Mantel unter dreieckigem Hute in düsterer
Gravität die Straße daher und tritt hinter der Bahre
hinweg in's Haus. Und endlich geht die Thüre doppelt
auf. Der Sarg steht auf der Bahre, das Leichentuch
bedeckt beides; leise und in gleichmäßiger Bewegung
hebt sich die schwarze wallende Masse; nun ist sie an
ihrer Stelle, denn die Träger rücken den Hut zurecht.
Und nun bewegt sich's schwankend, flatternd. Obenauf
blitzt der Deckhammer, den Valentin polirt hat, und
sagt, was man jetzt der Erde zu übergeben geht, hat
ehrlich zwischen Erde und Himmel handthiert. Die
alten Weiber schwemmen mit süßen Thränen hinweg,
was von Schmutz auf seinem Andenken liegt. Inner¬
lich geben sie sich das Wort, Niemand, den sie daran
hindern können, soll ein Schieferdecker werden. Es ist

Eines Abends ſah man denn die ſchwarze Bahre
vor dem Hauſe mit den grünen Fenſterladen ſtehn,
das darüber wegſah, um ſein roſiges Ausſehn zu recht¬
fertigen. Etwas entfernter ſtanden Frauen und Kinder
in Gruppen zuſammen, bald leiſe flüſternd, bald voll
Aufmerkſamkeit, die zeitweilig bis zur Ungeduld ſtieg.
Dasſelbe Treiben, dieſelben Empfindungen, mit der die
gebildetere Schicht der Bevölkerung des Augenblickes
harrt, wo der Vorhang vor den rührenden Gebilden
des Dichters aufrauſchen ſoll. Dasſelbe Bedürfniß hat
die blauen Schürzen hierhergezogen, das dort die ſchön¬
ſten Gewänder der Stadt verſammelt. Zuweilen kommt
ein ſchwarzer Mantel unter dreieckigem Hute in düſterer
Gravität die Straße daher und tritt hinter der Bahre
hinweg in's Haus. Und endlich geht die Thüre doppelt
auf. Der Sarg ſteht auf der Bahre, das Leichentuch
bedeckt beides; leiſe und in gleichmäßiger Bewegung
hebt ſich die ſchwarze wallende Maſſe; nun iſt ſie an
ihrer Stelle, denn die Träger rücken den Hut zurecht.
Und nun bewegt ſich's ſchwankend, flatternd. Obenauf
blitzt der Deckhammer, den Valentin polirt hat, und
ſagt, was man jetzt der Erde zu übergeben geht, hat
ehrlich zwiſchen Erde und Himmel handthiert. Die
alten Weiber ſchwemmen mit ſüßen Thränen hinweg,
was von Schmutz auf ſeinem Andenken liegt. Inner¬
lich geben ſie ſich das Wort, Niemand, den ſie daran
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[262/0271] Eines Abends ſah man denn die ſchwarze Bahre vor dem Hauſe mit den grünen Fenſterladen ſtehn, das darüber wegſah, um ſein roſiges Ausſehn zu recht¬ fertigen. Etwas entfernter ſtanden Frauen und Kinder in Gruppen zuſammen, bald leiſe flüſternd, bald voll Aufmerkſamkeit, die zeitweilig bis zur Ungeduld ſtieg. Dasſelbe Treiben, dieſelben Empfindungen, mit der die gebildetere Schicht der Bevölkerung des Augenblickes harrt, wo der Vorhang vor den rührenden Gebilden des Dichters aufrauſchen ſoll. Dasſelbe Bedürfniß hat die blauen Schürzen hierhergezogen, das dort die ſchön¬ ſten Gewänder der Stadt verſammelt. Zuweilen kommt ein ſchwarzer Mantel unter dreieckigem Hute in düſterer Gravität die Straße daher und tritt hinter der Bahre hinweg in's Haus. Und endlich geht die Thüre doppelt auf. Der Sarg ſteht auf der Bahre, das Leichentuch bedeckt beides; leiſe und in gleichmäßiger Bewegung hebt ſich die ſchwarze wallende Maſſe; nun iſt ſie an ihrer Stelle, denn die Träger rücken den Hut zurecht. Und nun bewegt ſich's ſchwankend, flatternd. Obenauf blitzt der Deckhammer, den Valentin polirt hat, und ſagt, was man jetzt der Erde zu übergeben geht, hat ehrlich zwiſchen Erde und Himmel handthiert. Die alten Weiber ſchwemmen mit ſüßen Thränen hinweg, was von Schmutz auf ſeinem Andenken liegt. Inner¬ lich geben ſie ſich das Wort, Niemand, den ſie daran hindern können, ſoll ein Schieferdecker werden. Es iſt

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/271>, abgerufen am 27.11.2024.