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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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befand, und der, um manche geleistete Dienste zu ver¬
gelten, ihm öfter und noch neulich eine Geldhülfe an¬
geboten hatte. Auf des Vaters Stübchen schrieb er
an ihn. Der Freund sollte dem Bruder einen Platz
auf einem Passagierschiffe besorgen, seine Aufenthalts-
Kosten bestreiten und ihm, aber nicht eher als unmittel¬
bar vor der Abfahrt eine gewisse Summe Geldes
übermachen, alles auf Apollonius Rechnung. Valentin
mußte noch den Abend auf die Post, um den Brief
aufzugeben und Fritz Nettenmair einschreiben zu lassen.
Der Wagen ging eine Stunde vor Sonnenaufgang
ab; noch eine Stunde früher sollte Valentin auf dem
Zeuge sein und sich bei dem alten Herren melden.

So war das Leben in dem Hause mit den grünen
Laden immer schwüler geworden. Diese Nacht mit
ihrer stillen Unruhe glich der angstvollen Stille, darin
die Kräfte eines Meersturms seinen Ausbruch vorbe¬
reiten. Es war ein eigenes Treiben. Wer in dieser
Nacht in das Haus hätte hereinsehn können, aber nicht
in die Seelen der Menschen darin, der wäre aus einer
Befremdung in die andere gefallen. Sonst, wenn ein
Glied einer Familie zu einer Reise sich rüstet, von der
es vielleicht nie wieder heimkehren wird, drängen sich die
Uebrigen um ihn. Je weniger der Augenblicke werden,
die er noch mit ihnen zubringen kann, je tiefer werden
sie ausgenossen. Jahre des gewöhnlichen Miteinander¬
lebens drängen sich in ihnen zusammen. Jeder Blick,

Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 16

befand, und der, um manche geleiſtete Dienſte zu ver¬
gelten, ihm öfter und noch neulich eine Geldhülfe an¬
geboten hatte. Auf des Vaters Stübchen ſchrieb er
an ihn. Der Freund ſollte dem Bruder einen Platz
auf einem Paſſagierſchiffe beſorgen, ſeine Aufenthalts-
Koſten beſtreiten und ihm, aber nicht eher als unmittel¬
bar vor der Abfahrt eine gewiſſe Summe Geldes
übermachen, alles auf Apollonius Rechnung. Valentin
mußte noch den Abend auf die Poſt, um den Brief
aufzugeben und Fritz Nettenmair einſchreiben zu laſſen.
Der Wagen ging eine Stunde vor Sonnenaufgang
ab; noch eine Stunde früher ſollte Valentin auf dem
Zeuge ſein und ſich bei dem alten Herren melden.

So war das Leben in dem Hauſe mit den grünen
Laden immer ſchwüler geworden. Dieſe Nacht mit
ihrer ſtillen Unruhe glich der angſtvollen Stille, darin
die Kräfte eines Meerſturms ſeinen Ausbruch vorbe¬
reiten. Es war ein eigenes Treiben. Wer in dieſer
Nacht in das Haus hätte hereinſehn können, aber nicht
in die Seelen der Menſchen darin, der wäre aus einer
Befremdung in die andere gefallen. Sonſt, wenn ein
Glied einer Familie zu einer Reiſe ſich rüſtet, von der
es vielleicht nie wieder heimkehren wird, drängen ſich die
Uebrigen um ihn. Je weniger der Augenblicke werden,
die er noch mit ihnen zubringen kann, je tiefer werden
ſie ausgenoſſen. Jahre des gewöhnlichen Miteinander¬
lebens drängen ſich in ihnen zuſammen. Jeder Blick,

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[241/0250] befand, und der, um manche geleiſtete Dienſte zu ver¬ gelten, ihm öfter und noch neulich eine Geldhülfe an¬ geboten hatte. Auf des Vaters Stübchen ſchrieb er an ihn. Der Freund ſollte dem Bruder einen Platz auf einem Paſſagierſchiffe beſorgen, ſeine Aufenthalts- Koſten beſtreiten und ihm, aber nicht eher als unmittel¬ bar vor der Abfahrt eine gewiſſe Summe Geldes übermachen, alles auf Apollonius Rechnung. Valentin mußte noch den Abend auf die Poſt, um den Brief aufzugeben und Fritz Nettenmair einſchreiben zu laſſen. Der Wagen ging eine Stunde vor Sonnenaufgang ab; noch eine Stunde früher ſollte Valentin auf dem Zeuge ſein und ſich bei dem alten Herren melden. So war das Leben in dem Hauſe mit den grünen Laden immer ſchwüler geworden. Dieſe Nacht mit ihrer ſtillen Unruhe glich der angſtvollen Stille, darin die Kräfte eines Meerſturms ſeinen Ausbruch vorbe¬ reiten. Es war ein eigenes Treiben. Wer in dieſer Nacht in das Haus hätte hereinſehn können, aber nicht in die Seelen der Menſchen darin, der wäre aus einer Befremdung in die andere gefallen. Sonſt, wenn ein Glied einer Familie zu einer Reiſe ſich rüſtet, von der es vielleicht nie wieder heimkehren wird, drängen ſich die Uebrigen um ihn. Je weniger der Augenblicke werden, die er noch mit ihnen zubringen kann, je tiefer werden ſie ausgenoſſen. Jahre des gewöhnlichen Miteinander¬ lebens drängen ſich in ihnen zuſammen. Jeder Blick, Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 16

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/250>, abgerufen am 29.11.2024.