diesem Augenblicke fühlte er selbst das als ein Glück, daß er fern sein sollte von dem Weibe, um das er Alles gethan, was er gethan, und in deren Anblick er Tag für Tag Alles mitsehn sollte, was er gethan; die seine That wußte, von der jeder Blick eine Drohung war, ihn der Vergeltung zu überliefern. Es graute ihm vor dem Hause, in dem Alles stündlich ihn er¬ innern mußte an das, was er unter dem fremden Himmel ganz zu vergessen hoffte, und sich vormachte, durch ein neues Leben abbüßen zu wollen. Am liebsten wär' er sogleich unmittelbar von der Stelle, wo er jetzt stand, dem Rettungshafen zugeeilt. "Apollonius ist nicht gestürzt," fuhr der Alte fort und Fritz Netten¬ mairs ganzer neuer Himmel versank. Das alte Ge¬ spenst hatte ihn wieder in seinen Fäusten. Nun liebte er wieder das Weib, das zu fliehen er eben noch sich gefreut. Mit dem Gegenstande seines Hasses lebte der Haß und die Liebe wieder auf, und beide waren Höllenflammen. Er meinte, Alles habe er gekonnt; Sterben war ein Scherz, lag nur auch der Neben¬ buhler todt. Gewissensangst, das drohende Jenseits, Alles war erträglich, nur Eins nicht: sie in seinen Armen zu wissen. Der Alte hatte des Sohnes Ja er¬ wartet. "Du gehst," sagte er, als dieser schwieg. "Du gehst. Du bist morgen vor Tag noch auf dem Weg nach Amerika, oder ich bin auf dem Weg in die Gerichte. Soll Schande sein, so ist's besser bloße
dieſem Augenblicke fühlte er ſelbſt das als ein Glück, daß er fern ſein ſollte von dem Weibe, um das er Alles gethan, was er gethan, und in deren Anblick er Tag für Tag Alles mitſehn ſollte, was er gethan; die ſeine That wußte, von der jeder Blick eine Drohung war, ihn der Vergeltung zu überliefern. Es graute ihm vor dem Hauſe, in dem Alles ſtündlich ihn er¬ innern mußte an das, was er unter dem fremden Himmel ganz zu vergeſſen hoffte, und ſich vormachte, durch ein neues Leben abbüßen zu wollen. Am liebſten wär' er ſogleich unmittelbar von der Stelle, wo er jetzt ſtand, dem Rettungshafen zugeeilt. „Apollonius iſt nicht geſtürzt,“ fuhr der Alte fort und Fritz Netten¬ mairs ganzer neuer Himmel verſank. Das alte Ge¬ ſpenſt hatte ihn wieder in ſeinen Fäuſten. Nun liebte er wieder das Weib, das zu fliehen er eben noch ſich gefreut. Mit dem Gegenſtande ſeines Haſſes lebte der Haß und die Liebe wieder auf, und beide waren Höllenflammen. Er meinte, Alles habe er gekonnt; Sterben war ein Scherz, lag nur auch der Neben¬ buhler todt. Gewiſſensangſt, das drohende Jenſeits, Alles war erträglich, nur Eins nicht: ſie in ſeinen Armen zu wiſſen. Der Alte hatte des Sohnes Ja er¬ wartet. „Du gehſt,“ ſagte er, als dieſer ſchwieg. „Du gehſt. Du biſt morgen vor Tag noch auf dem Weg nach Amerika, oder ich bin auf dem Weg in die Gerichte. Soll Schande ſein, ſo iſt's beſſer bloße
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dieſem Augenblicke fühlte er ſelbſt das als ein Glück,
daß er fern ſein ſollte von dem Weibe, um das er
Alles gethan, was er gethan, und in deren Anblick er
Tag für Tag Alles mitſehn ſollte, was er gethan;
die ſeine That wußte, von der jeder Blick eine Drohung
war, ihn der Vergeltung zu überliefern. Es graute
ihm vor dem Hauſe, in dem Alles ſtündlich ihn er¬
innern mußte an das, was er unter dem fremden
Himmel ganz zu vergeſſen hoffte, und ſich vormachte,
durch ein neues Leben abbüßen zu wollen. Am liebſten
wär' er ſogleich unmittelbar von der Stelle, wo er jetzt
ſtand, dem Rettungshafen zugeeilt. „Apollonius iſt
nicht geſtürzt,“ fuhr der Alte fort und Fritz Netten¬
mairs ganzer neuer Himmel verſank. Das alte Ge¬
ſpenſt hatte ihn wieder in ſeinen Fäuſten. Nun liebte
er wieder das Weib, das zu fliehen er eben noch ſich
gefreut. Mit dem Gegenſtande ſeines Haſſes lebte
der Haß und die Liebe wieder auf, und beide waren
Höllenflammen. Er meinte, Alles habe er gekonnt;
Sterben war ein Scherz, lag nur auch der Neben¬
buhler todt. Gewiſſensangſt, das drohende Jenſeits,
Alles war erträglich, nur Eins nicht: ſie in ſeinen
Armen zu wiſſen. Der Alte hatte des Sohnes Ja er¬
wartet. „Du gehſt,“ ſagte er, als dieſer ſchwieg.
„Du gehſt. Du biſt morgen vor Tag noch auf dem
Weg nach Amerika, oder ich bin auf dem Weg in die
Gerichte. Soll Schande ſein, ſo iſt's beſſer bloße
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/231>, abgerufen am 12.12.2024.
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