von Geschäft und Haus aus den Händen nimmt, um diese Ehre zu retten, und von dem Gefallenen dafür bis in den Tod verfolgt wird.
Der alte Herr saß regungslos. Nur die Röthe, die immer brennender auf die magern Wangen trat, gab Kunde von dem, was er mit der Ehre seines Hauses litt. Sonst schien er Alles schon zu wissen. Es war das seine alte Weise; er wandte sie hier vielleicht auch deßwegen an, weil er meinte, der Gesell würde dann um so weniger wagen, etwas zu verschweigen oder wider besseres Wissen zu verändern. Die innere Auf¬ regung hinderte ihn, zu bemerken, in welchen Widerspruch dieser Anschein mit seinem Gefühl für Ehre trat. Valentin suchte nicht den Schatten zu vertiefen, der auf Fritz Nettenmair's Handeln fiel; aber wie er den alten Herrn kannte, schien es ihm nöthig, das brave Thun Apollonius' in das hellste Licht zu stellen. Er kannte den alten Herrn doch nur halb. Er verrechnete sich in der Wirkung, die er damit beabsichtigte, wenn er die kindliche Schonung pries, mit der Apollonius die Kunde von der Gefahr dem Ohr des alten Herrn fern gehalten. Er verdarb damit, was seine schlichte Erzäh¬ lung gethan, des Sohnes Verdienst um das Theuerste, was der alte Herr wußte, darzustellen. Der alte Herr sah nur immer mehr die Furcht wahr gemacht, die ihm Apollonius' Tüchtigkeit erregt hatte. Apollonius hatte ihm die Gefahr unkindlich verschwiegen, um die Rettung
von Geſchäft und Haus aus den Händen nimmt, um dieſe Ehre zu retten, und von dem Gefallenen dafür bis in den Tod verfolgt wird.
Der alte Herr ſaß regungslos. Nur die Röthe, die immer brennender auf die magern Wangen trat, gab Kunde von dem, was er mit der Ehre ſeines Hauſes litt. Sonſt ſchien er Alles ſchon zu wiſſen. Es war das ſeine alte Weiſe; er wandte ſie hier vielleicht auch deßwegen an, weil er meinte, der Geſell würde dann um ſo weniger wagen, etwas zu verſchweigen oder wider beſſeres Wiſſen zu verändern. Die innere Auf¬ regung hinderte ihn, zu bemerken, in welchen Widerſpruch dieſer Anſchein mit ſeinem Gefühl für Ehre trat. Valentin ſuchte nicht den Schatten zu vertiefen, der auf Fritz Nettenmair's Handeln fiel; aber wie er den alten Herrn kannte, ſchien es ihm nöthig, das brave Thun Apollonius' in das hellſte Licht zu ſtellen. Er kannte den alten Herrn doch nur halb. Er verrechnete ſich in der Wirkung, die er damit beabſichtigte, wenn er die kindliche Schonung pries, mit der Apollonius die Kunde von der Gefahr dem Ohr des alten Herrn fern gehalten. Er verdarb damit, was ſeine ſchlichte Erzäh¬ lung gethan, des Sohnes Verdienſt um das Theuerſte, was der alte Herr wußte, darzuſtellen. Der alte Herr ſah nur immer mehr die Furcht wahr gemacht, die ihm Apollonius' Tüchtigkeit erregt hatte. Apollonius hatte ihm die Gefahr unkindlich verſchwiegen, um die Rettung
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[201/0210]
von Geſchäft und Haus aus den Händen nimmt, um
dieſe Ehre zu retten, und von dem Gefallenen dafür bis
in den Tod verfolgt wird.
Der alte Herr ſaß regungslos. Nur die Röthe,
die immer brennender auf die magern Wangen trat,
gab Kunde von dem, was er mit der Ehre ſeines Hauſes
litt. Sonſt ſchien er Alles ſchon zu wiſſen. Es war
das ſeine alte Weiſe; er wandte ſie hier vielleicht auch
deßwegen an, weil er meinte, der Geſell würde dann
um ſo weniger wagen, etwas zu verſchweigen oder
wider beſſeres Wiſſen zu verändern. Die innere Auf¬
regung hinderte ihn, zu bemerken, in welchen Widerſpruch
dieſer Anſchein mit ſeinem Gefühl für Ehre trat.
Valentin ſuchte nicht den Schatten zu vertiefen, der auf
Fritz Nettenmair's Handeln fiel; aber wie er den alten
Herrn kannte, ſchien es ihm nöthig, das brave Thun
Apollonius' in das hellſte Licht zu ſtellen. Er kannte
den alten Herrn doch nur halb. Er verrechnete ſich in
der Wirkung, die er damit beabſichtigte, wenn er die
kindliche Schonung pries, mit der Apollonius die Kunde
von der Gefahr dem Ohr des alten Herrn fern
gehalten. Er verdarb damit, was ſeine ſchlichte Erzäh¬
lung gethan, des Sohnes Verdienſt um das Theuerſte,
was der alte Herr wußte, darzuſtellen. Der alte Herr
ſah nur immer mehr die Furcht wahr gemacht, die ihm
Apollonius' Tüchtigkeit erregt hatte. Apollonius hatte
ihm die Gefahr unkindlich verſchwiegen, um die Rettung
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/210>, abgerufen am 12.12.2024.
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