schrack, so gut ihn seine Einbildungen auf die Wirklich¬ keit vorbereitet hatten. Aber der alte Gesell sah nichts davon im Aeußeren seines Herrn. Der hörte ihn an wie immer, wie wenn er das Gleichgültigste zu sagen hatte. Als er ausgesprochen, hätte das schärfste Auge kein Zittern mehr an der alten hohen Gestalt wahr¬ genommen. Der alte Herr hatte den festen Boden der Wirklichkeit wieder unter seinen Füßen; er war wieder der Alte im blauen Rock. Er stand so straff vor dem alten Gesellen wie sonst, so straff und ruhig, daß Valentin's Seele sich an ihm aufrichtete. "Einbildungen!" sagte er dann mit seinem alten grimmigen Wesen. "Ist kein Geselle da?" Valentin rief einen herbei, der eben Schiefer abholen wollte. Der alte Herr schickte ihn nach Brambach, Apollonius auf der Stelle heimzuholen. Der Geselle ging. "Geht er Ihm nicht schnell genug, Er altes Weib, so heiß' Er ihn eilen, damit er bald er¬ fährt, daß Er sich um Nichts geängstigt hat. Aber kein Wort von Seinem Summs da! Und schließ' Er die Frau ein, damit sie nichts Albernes anfängt." Valentin gehorchte. Das zuversichtliche Wesen des alten Herrn und daß nun wirklich etwas gethan war, hatte kräftiger auf ihn gewirkt, als hundert triftige Gründe vermocht hätten. Er theilte seine Ermuthigung der Frau mit. Er war zu eilig, um ihr zu sagen, worauf sie sich gründete. Hätte er die Zeit dazu ge¬ habt, wahrscheinlich hätte er die Frau weniger beruhigt
ſchrack, ſo gut ihn ſeine Einbildungen auf die Wirklich¬ keit vorbereitet hatten. Aber der alte Geſell ſah nichts davon im Aeußeren ſeines Herrn. Der hörte ihn an wie immer, wie wenn er das Gleichgültigſte zu ſagen hatte. Als er ausgeſprochen, hätte das ſchärfſte Auge kein Zittern mehr an der alten hohen Geſtalt wahr¬ genommen. Der alte Herr hatte den feſten Boden der Wirklichkeit wieder unter ſeinen Füßen; er war wieder der Alte im blauen Rock. Er ſtand ſo ſtraff vor dem alten Geſellen wie ſonſt, ſo ſtraff und ruhig, daß Valentin's Seele ſich an ihm aufrichtete. „Einbildungen!“ ſagte er dann mit ſeinem alten grimmigen Weſen. „Iſt kein Geſelle da?“ Valentin rief einen herbei, der eben Schiefer abholen wollte. Der alte Herr ſchickte ihn nach Brambach, Apollonius auf der Stelle heimzuholen. Der Geſelle ging. „Geht er Ihm nicht ſchnell genug, Er altes Weib, ſo heiß' Er ihn eilen, damit er bald er¬ fährt, daß Er ſich um Nichts geängſtigt hat. Aber kein Wort von Seinem Summs da! Und ſchließ' Er die Frau ein, damit ſie nichts Albernes anfängt.“ Valentin gehorchte. Das zuverſichtliche Weſen des alten Herrn und daß nun wirklich etwas gethan war, hatte kräftiger auf ihn gewirkt, als hundert triftige Gründe vermocht hätten. Er theilte ſeine Ermuthigung der Frau mit. Er war zu eilig, um ihr zu ſagen, worauf ſie ſich gründete. Hätte er die Zeit dazu ge¬ habt, wahrſcheinlich hätte er die Frau weniger beruhigt
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ſchrack, ſo gut ihn ſeine Einbildungen auf die Wirklich¬
keit vorbereitet hatten. Aber der alte Geſell ſah nichts
davon im Aeußeren ſeines Herrn. Der hörte ihn an
wie immer, wie wenn er das Gleichgültigſte zu ſagen
hatte. Als er ausgeſprochen, hätte das ſchärfſte Auge
kein Zittern mehr an der alten hohen Geſtalt wahr¬
genommen. Der alte Herr hatte den feſten Boden der
Wirklichkeit wieder unter ſeinen Füßen; er war wieder
der Alte im blauen Rock. Er ſtand ſo ſtraff vor dem
alten Geſellen wie ſonſt, ſo ſtraff und ruhig, daß
Valentin's Seele ſich an ihm aufrichtete. „Einbildungen!“
ſagte er dann mit ſeinem alten grimmigen Weſen. „Iſt
kein Geſelle da?“ Valentin rief einen herbei, der eben
Schiefer abholen wollte. Der alte Herr ſchickte ihn nach
Brambach, Apollonius auf der Stelle heimzuholen. Der
Geſelle ging. „Geht er Ihm nicht ſchnell genug, Er
altes Weib, ſo heiß' Er ihn eilen, damit er bald er¬
fährt, daß Er ſich um Nichts geängſtigt hat. Aber kein
Wort von Seinem Summs da! Und ſchließ' Er die
Frau ein, damit ſie nichts Albernes anfängt.“
Valentin gehorchte. Das zuverſichtliche Weſen des
alten Herrn und daß nun wirklich etwas gethan war,
hatte kräftiger auf ihn gewirkt, als hundert triftige
Gründe vermocht hätten. Er theilte ſeine Ermuthigung
der Frau mit. Er war zu eilig, um ihr zu ſagen,
worauf ſie ſich gründete. Hätte er die Zeit dazu ge¬
habt, wahrſcheinlich hätte er die Frau weniger beruhigt
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/207>, abgerufen am 04.12.2024.
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