gen lassen? Es wurde immer dunkler, es wurde im¬ mer schwüler, das Leben in dem Hause mit den grünen Laden. Wer jetzt hineinsieht, glaubt mir's nicht, wie dunkel, wie schwül es einmal war.
Von dieser Nacht an ängstigte Fritz Nettenmair die Frau nicht mehr durch Drohungen auf Apollonius. Er begann sogar, sie mit einer gewissen Freundlichkeit zu behandeln. Dazwischen verlor er sich stundenweise in ein stummes Vorsichhinsinnen, aus dem er, sah er sich beobachtet, aufschrack. Er war dann noch freund¬ licher als sonst, und brachte Scherze aus seiner besten Zeit. Er versuchte sich sogar wieder an der Arbeit. Aber die Frau wurde nur noch ängstlicher. Sie ver¬ mied noch mehr als seither, was dem Manne Anlaß zum Glauben geben konnte, sie wolle sich Apollonius nähern. Sie wußte nicht, warum. Und wenn sie ihre Furcht Thorheit nannte, sie mußte fürchten. Apollonius sah mit Freuden die Aenderung des Bruders und suchte ihn auf alle Weise darin zu fördern. Er wußte nicht, wie der Bruder seine Freude auslegte!
Unterdeß hatte Apollonius die Umkränzung des Thurmdachs von Sankt Georg mit der gestifteten Zier begonnen. Er hatte die Rüststangen wiederum herausge¬ schoben und innen am Gebälke des Dachstuhls festge¬ nagelt; die Bretter darauf befestigt, auf die fliegende
gen laſſen? Es wurde immer dunkler, es wurde im¬ mer ſchwüler, das Leben in dem Hauſe mit den grünen Laden. Wer jetzt hineinſieht, glaubt mir's nicht, wie dunkel, wie ſchwül es einmal war.
Von dieſer Nacht an ängſtigte Fritz Nettenmair die Frau nicht mehr durch Drohungen auf Apollonius. Er begann ſogar, ſie mit einer gewiſſen Freundlichkeit zu behandeln. Dazwiſchen verlor er ſich ſtundenweiſe in ein ſtummes Vorſichhinſinnen, aus dem er, ſah er ſich beobachtet, aufſchrack. Er war dann noch freund¬ licher als ſonſt, und brachte Scherze aus ſeiner beſten Zeit. Er verſuchte ſich ſogar wieder an der Arbeit. Aber die Frau wurde nur noch ängſtlicher. Sie ver¬ mied noch mehr als ſeither, was dem Manne Anlaß zum Glauben geben konnte, ſie wolle ſich Apollonius nähern. Sie wußte nicht, warum. Und wenn ſie ihre Furcht Thorheit nannte, ſie mußte fürchten. Apollonius ſah mit Freuden die Aenderung des Bruders und ſuchte ihn auf alle Weiſe darin zu fördern. Er wußte nicht, wie der Bruder ſeine Freude auslegte!
Unterdeß hatte Apollonius die Umkränzung des Thurmdachs von Sankt Georg mit der geſtifteten Zier begonnen. Er hatte die Rüſtſtangen wiederum herausge¬ ſchoben und innen am Gebälke des Dachſtuhls feſtge¬ nagelt; die Bretter darauf befeſtigt, auf die fliegende
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gen laſſen? Es wurde immer dunkler, es wurde im¬
mer ſchwüler, das Leben in dem Hauſe mit den grünen
Laden. Wer jetzt hineinſieht, glaubt mir's nicht, wie
dunkel, wie ſchwül es einmal war.
Von dieſer Nacht an ängſtigte Fritz Nettenmair die
Frau nicht mehr durch Drohungen auf Apollonius.
Er begann ſogar, ſie mit einer gewiſſen Freundlichkeit
zu behandeln. Dazwiſchen verlor er ſich ſtundenweiſe
in ein ſtummes Vorſichhinſinnen, aus dem er, ſah er
ſich beobachtet, aufſchrack. Er war dann noch freund¬
licher als ſonſt, und brachte Scherze aus ſeiner beſten
Zeit. Er verſuchte ſich ſogar wieder an der Arbeit.
Aber die Frau wurde nur noch ängſtlicher. Sie ver¬
mied noch mehr als ſeither, was dem Manne Anlaß
zum Glauben geben konnte, ſie wolle ſich Apollonius
nähern. Sie wußte nicht, warum. Und wenn ſie ihre
Furcht Thorheit nannte, ſie mußte fürchten. Apollonius
ſah mit Freuden die Aenderung des Bruders und
ſuchte ihn auf alle Weiſe darin zu fördern. Er wußte
nicht, wie der Bruder ſeine Freude auslegte!
Unterdeß hatte Apollonius die Umkränzung des
Thurmdachs von Sankt Georg mit der geſtifteten Zier
begonnen. Er hatte die Rüſtſtangen wiederum herausge¬
ſchoben und innen am Gebälke des Dachſtuhls feſtge¬
nagelt; die Bretter darauf befeſtigt, auf die fliegende
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/197>, abgerufen am 04.12.2024.
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