Feinde; sie haben ihm ein Unrecht zu vergelten -- wie gelegen seinen Feinden dieser Schlag kam. Dann sieht er, daß die Frau ihn warnen konnte. Sie sagte nicht: "Schlag' nicht, das Kind ist krank; es ist sein Tod, wenn du schlägst." Nein! Ein Wort von ihr konnte den Schlag verhüten; sie sprach es nicht. O es ist klar, sonnenklar: sie reizte ihn absichtlich durch ihr Schweigen zu der wilden That. Aber wie? ihres Kin¬ des Tod hätte sie gewollt? Den kann kein Weib wol¬ len. Ja, sie dachte selbst nicht, daß es sterben würde; sie wollte nur den Vorwand zum Hasse, zum Betruge aus Haß, daß er sie am Bette des kranken Kindes ge¬ schlagen. Sie dachte nicht, daß es sterben würde; und wie es doch starb, wälzte sie die Schuld von sich auf ihn. Und er war wieder der dumme Ehrliche gewesen; auch in diese Schlinge war er gegangen in seiner Arg¬ losigkeit. Und hatte vor ihr gelegen, wie ein Wurm vor ihr, die vor ihm hätte liegen sollen. Und sie hatte ihn noch zurückgestoßen, mit Verachtung zurückgestoßen! So oft er an den Augenblick dachte, machte er sie ver¬ antwortlich für Alles, was noch kommen konnte. Was noch aus ihm werden konnte, dazu hatte sie ihn ge¬ macht. Er hatte die Hand geboten; er war ohne Schuld. Dann brütete er, was aus ihm noch werden könne, und das Schlimmste war ihm nicht schlimm ge¬ nug, die Schuld zu vergrößern, die er auf sie wälzte. Sie sollte mit reuigem Entsetzen sehen, was sie gethan,
Feinde; ſie haben ihm ein Unrecht zu vergelten — wie gelegen ſeinen Feinden dieſer Schlag kam. Dann ſieht er, daß die Frau ihn warnen konnte. Sie ſagte nicht: „Schlag' nicht, das Kind iſt krank; es iſt ſein Tod, wenn du ſchlägſt.“ Nein! Ein Wort von ihr konnte den Schlag verhüten; ſie ſprach es nicht. O es iſt klar, ſonnenklar: ſie reizte ihn abſichtlich durch ihr Schweigen zu der wilden That. Aber wie? ihres Kin¬ des Tod hätte ſie gewollt? Den kann kein Weib wol¬ len. Ja, ſie dachte ſelbſt nicht, daß es ſterben würde; ſie wollte nur den Vorwand zum Haſſe, zum Betruge aus Haß, daß er ſie am Bette des kranken Kindes ge¬ ſchlagen. Sie dachte nicht, daß es ſterben würde; und wie es doch ſtarb, wälzte ſie die Schuld von ſich auf ihn. Und er war wieder der dumme Ehrliche geweſen; auch in dieſe Schlinge war er gegangen in ſeiner Arg¬ loſigkeit. Und hatte vor ihr gelegen, wie ein Wurm vor ihr, die vor ihm hätte liegen ſollen. Und ſie hatte ihn noch zurückgeſtoßen, mit Verachtung zurückgeſtoßen! So oft er an den Augenblick dachte, machte er ſie ver¬ antwortlich für Alles, was noch kommen konnte. Was noch aus ihm werden konnte, dazu hatte ſie ihn ge¬ macht. Er hatte die Hand geboten; er war ohne Schuld. Dann brütete er, was aus ihm noch werden könne, und das Schlimmſte war ihm nicht ſchlimm ge¬ nug, die Schuld zu vergrößern, die er auf ſie wälzte. Sie ſollte mit reuigem Entſetzen ſehen, was ſie gethan,
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Feinde; ſie haben ihm ein Unrecht zu vergelten — wie
gelegen ſeinen Feinden dieſer Schlag kam. Dann ſieht
er, daß die Frau ihn warnen konnte. Sie ſagte nicht:
„Schlag' nicht, das Kind iſt krank; es iſt ſein Tod,
wenn du ſchlägſt.“ Nein! Ein Wort von ihr konnte
den Schlag verhüten; ſie ſprach es nicht. O es iſt
klar, ſonnenklar: ſie reizte ihn abſichtlich durch ihr
Schweigen zu der wilden That. Aber wie? ihres Kin¬
des Tod hätte ſie gewollt? Den kann kein Weib wol¬
len. Ja, ſie dachte ſelbſt nicht, daß es ſterben würde;
ſie wollte nur den Vorwand zum Haſſe, zum Betruge
aus Haß, daß er ſie am Bette des kranken Kindes ge¬
ſchlagen. Sie dachte nicht, daß es ſterben würde; und
wie es doch ſtarb, wälzte ſie die Schuld von ſich auf
ihn. Und er war wieder der dumme Ehrliche geweſen;
auch in dieſe Schlinge war er gegangen in ſeiner Arg¬
loſigkeit. Und hatte vor ihr gelegen, wie ein Wurm
vor ihr, die vor ihm hätte liegen ſollen. Und ſie hatte
ihn noch zurückgeſtoßen, mit Verachtung zurückgeſtoßen!
So oft er an den Augenblick dachte, machte er ſie ver¬
antwortlich für Alles, was noch kommen konnte. Was
noch aus ihm werden konnte, dazu hatte ſie ihn ge¬
macht. Er hatte die Hand geboten; er war ohne
Schuld. Dann brütete er, was aus ihm noch werden
könne, und das Schlimmſte war ihm nicht ſchlimm ge¬
nug, die Schuld zu vergrößern, die er auf ſie wälzte.
Sie ſollte mit reuigem Entſetzen ſehen, was ſie gethan,
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/187>, abgerufen am 04.12.2024.
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