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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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er dürfe sie nicht sehn, auch um seinetwillen. Es
peinigte ihn, wenn gleichgültige Dinge verworren und
unsymmetrisch lagen und er sie nicht ordnen konnte;
hier sah er Mißverhältnisse und Widersprüche in das
innerste Leben des, was ihm das Heiligste war, ge¬
drungen, in das Herz seiner Familie, in sein eigenes,
und er mußte sie wachsen sehn und die Hände waren
ihm gebunden!

Es wurde immer dunkler, immer schwüler, das Le¬
ben in dem Haus mit den grünen Laden, seit das
kleine Aennchen daraus fortgetragen war. Es wurde
immer dunkler und schwüler in Fritz Nettenmair's Brust
und Hirn. Er hatte umkehren wollen auf dem Wege,
in dessen Mitte ihn des todten Aennchen's Bild und
die Klarheit, die es über die zurückgelegte Strecke goß,
geschreckt. Er wäre umgekehrt, nahm die Frau die ge¬
botene Hand an. Er meinte es wenigstens. Aber sie
hatte ihn zurückgewiesen, sie hatte ihm ein Antlitz ge¬
zeigt voll Abscheu und Verachtung; er hatte gesehn,
sie nannte ihn in ihrem Herzen den Mörder des Kin¬
des. Ihr Auge hatte ihm mit Rache gedroht, und da
war es wieder dagewesen, das alte Gespenst, die schuld¬
geborene Furcht. Hat sie's noch nicht gethan, was er
fürchtet, nun wird sie's thun, um ihn für den Schlag
zu strafen, an dem Aennchen starb. Je mehr er daran
herum greift mit seinen Gedanken, desto klarer fühlt
er, wie gelegen seinen Feinden, -- und sie sind seine

Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 12

er dürfe ſie nicht ſehn, auch um ſeinetwillen. Es
peinigte ihn, wenn gleichgültige Dinge verworren und
unſymmetriſch lagen und er ſie nicht ordnen konnte;
hier ſah er Mißverhältniſſe und Widerſprüche in das
innerſte Leben des, was ihm das Heiligſte war, ge¬
drungen, in das Herz ſeiner Familie, in ſein eigenes,
und er mußte ſie wachſen ſehn und die Hände waren
ihm gebunden!

Es wurde immer dunkler, immer ſchwüler, das Le¬
ben in dem Haus mit den grünen Laden, ſeit das
kleine Aennchen daraus fortgetragen war. Es wurde
immer dunkler und ſchwüler in Fritz Nettenmair's Bruſt
und Hirn. Er hatte umkehren wollen auf dem Wege,
in deſſen Mitte ihn des todten Aennchen's Bild und
die Klarheit, die es über die zurückgelegte Strecke goß,
geſchreckt. Er wäre umgekehrt, nahm die Frau die ge¬
botene Hand an. Er meinte es wenigſtens. Aber ſie
hatte ihn zurückgewieſen, ſie hatte ihm ein Antlitz ge¬
zeigt voll Abſcheu und Verachtung; er hatte geſehn,
ſie nannte ihn in ihrem Herzen den Mörder des Kin¬
des. Ihr Auge hatte ihm mit Rache gedroht, und da
war es wieder dageweſen, das alte Geſpenſt, die ſchuld¬
geborene Furcht. Hat ſie's noch nicht gethan, was er
fürchtet, nun wird ſie's thun, um ihn für den Schlag
zu ſtrafen, an dem Aennchen ſtarb. Je mehr er daran
herum greift mit ſeinen Gedanken, deſto klarer fühlt
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[177/0186] er dürfe ſie nicht ſehn, auch um ſeinetwillen. Es peinigte ihn, wenn gleichgültige Dinge verworren und unſymmetriſch lagen und er ſie nicht ordnen konnte; hier ſah er Mißverhältniſſe und Widerſprüche in das innerſte Leben des, was ihm das Heiligſte war, ge¬ drungen, in das Herz ſeiner Familie, in ſein eigenes, und er mußte ſie wachſen ſehn und die Hände waren ihm gebunden! Es wurde immer dunkler, immer ſchwüler, das Le¬ ben in dem Haus mit den grünen Laden, ſeit das kleine Aennchen daraus fortgetragen war. Es wurde immer dunkler und ſchwüler in Fritz Nettenmair's Bruſt und Hirn. Er hatte umkehren wollen auf dem Wege, in deſſen Mitte ihn des todten Aennchen's Bild und die Klarheit, die es über die zurückgelegte Strecke goß, geſchreckt. Er wäre umgekehrt, nahm die Frau die ge¬ botene Hand an. Er meinte es wenigſtens. Aber ſie hatte ihn zurückgewieſen, ſie hatte ihm ein Antlitz ge¬ zeigt voll Abſcheu und Verachtung; er hatte geſehn, ſie nannte ihn in ihrem Herzen den Mörder des Kin¬ des. Ihr Auge hatte ihm mit Rache gedroht, und da war es wieder dageweſen, das alte Geſpenſt, die ſchuld¬ geborene Furcht. Hat ſie's noch nicht gethan, was er fürchtet, nun wird ſie's thun, um ihn für den Schlag zu ſtrafen, an dem Aennchen ſtarb. Je mehr er daran herum greift mit ſeinen Gedanken, deſto klarer fühlt er, wie gelegen ſeinen Feinden, — und ſie ſind ſeine Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 12

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/186>, abgerufen am 04.12.2024.