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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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sie. Er verstand, sie sagte: Zwischen mir und dem
Mörder meines Kindes kann keine Gemeinschaft mehr
sein, auf Erden nicht und nicht im Himmel!

Er stand auf. Ein Wort der Verzeihung hätte
ihn vielleicht gerettet! Vielleicht! Wer weiß es! Die
Klarheit, die ihn jetzt zur Reue trieb, war die Klarheit
eines Blitzes. Was jetzt in ihm wirkte, nahm seine
Gewalt von der Jähheit der Ueberraschung. Wenn
das Kind in der Erde ruht, dessen plötzlicher Anblick
ihn zurückgebäumt, wird sein Warnungsbild bleicher
und bleicher werden; jede Stunde wird dem Gedanken
an diesen Augenblick von der Macht seiner Schrecken
rauben. Zu tief hat er die Geleise des alten Wahn¬
gedankens eingedrückt, um ihn für immer verlöschen,
zu weit ist er gegangen auf, dem gefährlichen Weg,
um noch umkehren zu können. Die Klarheit des
Blitzes müßte schwinden und der alte Wahn hüllte
die Dinge wieder in seine verstellenden Nebel. Fritz
Nettenmair heulte auf oder lachte auf; die Frau fragte
sich nicht, was er that. Tiefer Abscheu gegen ihn
panzerte ihr Ohr, ihre Augen, ihre Gedanken. Er
taumelte in die Kammer zurück. Sie sah es nicht,
aber sie fühlte es, daß seine Gegenwart nicht mehr
den Raum entweihte, darin das Heiligenbild ihres
Mutterschmerzes stand. Leise weinend sank sie über
ihr todtes Kind.


ſie. Er verſtand, ſie ſagte: Zwiſchen mir und dem
Mörder meines Kindes kann keine Gemeinſchaft mehr
ſein, auf Erden nicht und nicht im Himmel!

Er ſtand auf. Ein Wort der Verzeihung hätte
ihn vielleicht gerettet! Vielleicht! Wer weiß es! Die
Klarheit, die ihn jetzt zur Reue trieb, war die Klarheit
eines Blitzes. Was jetzt in ihm wirkte, nahm ſeine
Gewalt von der Jähheit der Ueberraſchung. Wenn
das Kind in der Erde ruht, deſſen plötzlicher Anblick
ihn zurückgebäumt, wird ſein Warnungsbild bleicher
und bleicher werden; jede Stunde wird dem Gedanken
an dieſen Augenblick von der Macht ſeiner Schrecken
rauben. Zu tief hat er die Geleiſe des alten Wahn¬
gedankens eingedrückt, um ihn für immer verlöſchen,
zu weit iſt er gegangen auf, dem gefährlichen Weg,
um noch umkehren zu können. Die Klarheit des
Blitzes müßte ſchwinden und der alte Wahn hüllte
die Dinge wieder in ſeine verſtellenden Nebel. Fritz
Nettenmair heulte auf oder lachte auf; die Frau fragte
ſich nicht, was er that. Tiefer Abſcheu gegen ihn
panzerte ihr Ohr, ihre Augen, ihre Gedanken. Er
taumelte in die Kammer zurück. Sie ſah es nicht,
aber ſie fühlte es, daß ſeine Gegenwart nicht mehr
den Raum entweihte, darin das Heiligenbild ihres
Mutterſchmerzes ſtand. Leiſe weinend ſank ſie über
ihr todtes Kind.


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[174/0183] ſie. Er verſtand, ſie ſagte: Zwiſchen mir und dem Mörder meines Kindes kann keine Gemeinſchaft mehr ſein, auf Erden nicht und nicht im Himmel! Er ſtand auf. Ein Wort der Verzeihung hätte ihn vielleicht gerettet! Vielleicht! Wer weiß es! Die Klarheit, die ihn jetzt zur Reue trieb, war die Klarheit eines Blitzes. Was jetzt in ihm wirkte, nahm ſeine Gewalt von der Jähheit der Ueberraſchung. Wenn das Kind in der Erde ruht, deſſen plötzlicher Anblick ihn zurückgebäumt, wird ſein Warnungsbild bleicher und bleicher werden; jede Stunde wird dem Gedanken an dieſen Augenblick von der Macht ſeiner Schrecken rauben. Zu tief hat er die Geleiſe des alten Wahn¬ gedankens eingedrückt, um ihn für immer verlöſchen, zu weit iſt er gegangen auf, dem gefährlichen Weg, um noch umkehren zu können. Die Klarheit des Blitzes müßte ſchwinden und der alte Wahn hüllte die Dinge wieder in ſeine verſtellenden Nebel. Fritz Nettenmair heulte auf oder lachte auf; die Frau fragte ſich nicht, was er that. Tiefer Abſcheu gegen ihn panzerte ihr Ohr, ihre Augen, ihre Gedanken. Er taumelte in die Kammer zurück. Sie ſah es nicht, aber ſie fühlte es, daß ſeine Gegenwart nicht mehr den Raum entweihte, darin das Heiligenbild ihres Mutterſchmerzes ſtand. Leiſe weinend ſank ſie über ihr todtes Kind.

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/183>, abgerufen am 05.12.2024.